Home Story

Neue Redakteure haben es nicht leicht. Kaum ist der letzte Text korrigiert, erscheint der CvD auf der Bildfläche: »Schreib' doch mal eine Home Story.« Aber ich habe es ja nicht anders gewollt. Was tut man nicht alles, um die Revolution voranzutreiben. Doch dann heißt es plötzlich auf der Redaktionskonferenz: »Wir wollen die Revolution nicht herbeischreiben.« Ja, warum denn eigentlich nicht? Sollten wir es nicht wenigstens versuchen?

Bis zum erfolgreichen Herbeischreiben der Revolution gilt es, den Alltag eines selbst verwalteten Betriebes zu bewältigen. Der versprochene eigene Schreibtisch verschwand irgendwo zwischen der SB-Abteilung und der Kasse eines bekannten schwedischen Möbelhauses. Der versprochene eigene Computer harrt seiner Installation. So muss jeden Tag ein neues Plätzchen zwischen den von anderen Redakteuren angehäuften Papierstapeln gesucht werden.

Auch der Alltag in Preußen muss bewältigt werden. Zweifellos ist Berlin ein guter Standort für eine linksradikale Zeitung. Hier, im Herzen der Bestie, kann man einer Konfrontation mit der Staatsmacht kaum ausweichen. Ein Redakteur behauptet sogar, den leibhaftigen Scharping gesehen zu haben. Auf einem Fahrrad. Die Büttel der Staatsmacht sind jedenfalls nie fern. Will der einwandernde Nichtpreuße sich anmelden, so muss er das nicht, wie in zivilisierteren Orten üblich, in einer Behörde tun, sondern auf einer Polizeiwache. Und das Wetter ist auch nicht besser als in Hamburg.

So starrt der neue Redakteur in den trüben Januarhimmel. Einen Gedanken aber gibt es, der ihn tröstet: Redakteure der Jungle World müssen nie früh aufstehen.