Bei der »Jungle World« wird gearbeitet bis zum Umfallen

Homestory #18/24

Die Mitglieder des »Jungle World«-Kollektivs beteiligen sich kaum an der Produktion von negativen Tourismusfolgen. Die Gründe dafür sind jedoch eher ökonomischer als ökologischer Natur.
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»Overtourism« steht bei uns seit Jahren auf der Liste kontaminierter Worte, die es zu vermeiden gilt, weil in dem Begriff ein gerüttelt Maß Fremdenfeindlichkeit mitschwingt. Dazu kommt die ebenfalls enthaltene Vorstellung von erwünschten und unerwünschten ­Touristen, zwischen denen man unterscheiden müsse. Das Gerede vom Übertourismus schlägt dann ruckzuck in blanken Touristenhass um.

Auch Berlin und ganz besonders Kreuzberg, aber auch Neukölln und Friedrichshain, wurde in den zehner Jahren von einer Welle der Besucherphobie erfasst, Leute, die mit Rollkoffern durch den Kiez schwirrten, wurden zum Feindbild einer völlig verkürzten Gentrifizierungskritik, Graffiti wie »H8 Tourists« tauchten auf und eine nette Location wie das Café Marx in Kreuzberg meinte plötzlich, sich vor zu viel Berlin-Urlaubern schützen zu müssen.

Die Sommersaison beginnt, Urlauber drängen an die Strände, Einheimische protestieren. Dass sich die Redakteurinnen und Redakteure Ihrer Lieblingszeitung in diesen Tagen nicht in den Strom der Reisewütigen einreihen, sondern hübsch in ihren Kiezen bleiben, scheint da löblich. Es ist aber gar nicht dem ökologischen Gewissen geschuldet.

Die Idee, Touristen fürs Bierchen 20 Prozent mehr abzuknöpfen als dem einheimischen Stammpublikum, sorgte immerhin für Widerspruch von stadtpolitischen Aktivisten. Für die Jungle World waren das alles Gründe genug, ins Lamento vom »overtourism« nicht einzustimmen, zumal sich das Phänomen, dass sehr viele Leute zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten ihre Koffer auspacken, mit dem Wort »Massentourismus« ja auch ganz gut beschreiben lässt.

Ökologische und naturschützerische Aspekte, wie sie in der aktuellen, vor allem in den südeuropäischen Küstenregionen geführte Tourismusdebatte eine Rolle spielen, hatten für die Kreuzberger Touristenfeindschaft keine Bedeutung. Es blieb bei Beschwerden über Erbrochenes, Grillabfälle und vereinzelte Kackhaufen in Hauseingängen, aber dass die eigene Trinkwasserversorgung in Gefahr geraten könnte, wie dies derzeit auf den Kanaren diskutiert wird, musste kein Berliner befürchten.

Die Sommersaison beginnt, Urlauber drängen an die Strände, Einheimische protestieren. Dass sich die Redakteurinnen und Redakteure Ihrer Lieblingszeitung in diesen Tagen nicht in den Strom der Reisewütigen einreihen, sondern hübsch in ihren Kiezen bleiben, scheint da löblich. Es ist aber gar nicht dem ökologischen Gewissen geschuldet, sondern dem Umstand, dass wir auch über die Feier­tage arbeiten müssen. Eine Lösung für das Problem des, nun ja, »overtourism«, ist das aber auch nicht.

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Apropos Feiertag: Die kommende Ausgabe erscheint feiertagsbedingt bereits am Mittwoch, den 8. Mai.