WEF-Treffen in Davos

Think Pink!

Mit dem Motto »Die Gegensätze überbrücken« will das World Economic Forum oppositionelle Diskurse integrieren.

Klaus Schwab war Anfang dreißig, als er das Fundament für das World Economic Forum (WEF) legte. Er initiierte damals eine exklusive Stiftung für die Eliten der Wirtschaft. Heute ist der umtriebige Ökonomieprofessor 61 Jahre alt, lebt in einer Villa am Genfer See, sammelt alte Bibeln und bezieht als Präsident des WEF ein jährliches Gehalt von rund 225 000 Dollar. Herr Schwab ist jedoch darauf bedacht, den Eindruck zu vermeiden, dass er persönlich Profit aus dem WEF schlägt. Schließlich müssen die Partnerunternehmen der Stiftung einem Verhaltenskodex zustimmen, der es ihnen untersagt, das Forum für kommerzielle Zwecke zu nutzen.

Längst handelt es sich beim alljährlich im Schweizer Skiort Davos stattfindenden Jahrestreffen des WEF - dieses Jahr kommt man vom 26. bis zu 28. Januar zusammen - nicht mehr um einen reinen »Business Roundtable«. Vielmehr zeichnet sich die illustre Zusammenkunft von Topmanagern, Spitzenpolitikern, Nobelpreisträgern, Chefredakteuren, Persönlichkeiten internationaler Organisationen wie der Uno und Repräsentanten einer vom WEF ernannten jungen Garde von »Global Leaders of Tomorrow« durch die Absicht aus, eine tonangebende Rolle bei zukunftsweisenden Trends in Wirtschaft und Politik zu spielen.

Nach dem Statut fühlt sich das WEF allein »der Verbesserung des Weltzustandes verpflichtet«. Und je lauter die öffentliche Kritik an dem Privatclub wird, desto stärker besinnt er sich auf seinen philanthropischen Anspruch, ein »Unternehmertum im Interesse der Welt« hervorzubringen. Das diesjährige Motto »Bridging the Divide« - die Gegensätze überbrücken - richtet sich gleichermaßen an Globalisierungsgegner wie -verlierer, um sie dem paternalistischen Erlösungsdiktat zu unterwerfen, mit dem die »Weiterentwicklung der globalen Agenda« vorangetrieben werden soll.

Da es unter den WEF-Partnerunternehmen offenbar unterschiedliche Einschätzungen darüber gibt, ob der ins Stocken geratene kapitalistische Globalisierungsprozess einem »realen ökonomischen« Problem oder aber »Vermittlungsschwierigkeiten« geschuldet sei, will man sich neben der harten Ökonomie verstärkt den sozialen, politischen und ethischen Herausforderungen der Globalisierung widmen. So lautet auch eines der Schlüsselthemen des »weichen« Programms: »das Verhältnis von Ethik, Moral und Geschäft«.

Good Business mit positiven Gefühlen zu verbinden, stellt zudem hohe Anforderungen an die emotionale Verfassung der rund 2 000 Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien. Die subjektive und soziale Position von Managern in der Gesellschaft ist seit jeher ein wichtiges Thema des WEF. Den zentralen Vortrag in dieser Sparte hält dieses Jahr Reinhold Messner: »Unser inneres Potenzial«. Tatsächlich gibt es auffällig viele Angebote im Psychologie- und Esoterikbereich. Früher waren derartige Veranstaltungen vor allem auf die Ehefrauen der WEF-Teilnehmer zugeschnitten. Heute ist die Unterscheidung zwischen Ökonomie und Psychologie nicht mehr marktkonform und der hochflexible »Davos-Man«, jene Spezies scheinbar bindungsloser, internationaler und elitärer Subjekte, muss sich selbst um diesen Sektor kümmern.

Ganz oben auf der Tagesordnung der »harten« Themen stehen neben dem Humangenom-Projekt das »Digital Divide«. Seit rund einem Jahr beschäftigt sich eine Initiative von 100 führenden Medien- und IT-Unternehmen mit der Wissenskluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Ziel ist es, die in diesem Bereich brach liegenden Märkte zu erschließen.

Die interne Struktur des WEF bilden »Partners« und »Members«. Die Partnerunternehmen sind die Hauptfinanziers der Stiftung. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist ein Mindest-Jahresumsatz von einer Milliarde Dollar. Die »Partners« entscheiden auch darüber, wer eingeladen wird und erstellen das Programm. Die den »Partners« nachgeordneten 1 000 »Members« entrichten einen Jahresbeitrag von 12 500 Dollar. Doch die ganz besondere Qualität des Forums ist eine andere: Man sei völlig frei, sich den ganz persönlichen Interessen entsprechend durch das Angebot der über 300 Veranstaltungen zu bewegen, betonen die Organisatoren. Es gibt weder eine offizielle Leitung noch Delegierte, alle sind gleichermaßen selbstverantwortlich Partizipierende. Man folgt der Vision des Erfinders Klaus Schwab: »Das Neue kommt gerade von der größeren Freiheit, die ohne Rechenschaft gegenüber Ministerien und Vorstand entstehen kann.«

Die Strategie der autoritär bestimmten oder teuer bezahlten flachen Hierarchie zeigt sich auch im Umgang mit den Medien. Etwa 600 Journalisten erhielten eine persönliche Einladung, die auch Politiker benötigen, um am WEF teilnehmen zu können. Indem sie die mit dem Image von Exklusivität versehene Auswahl akzeptieren, tauschen die Journalisten ihre Rolle der Beobachter mit jener der Promoter des Treffens.

Das Jahrestreffen in Davos gilt als eines der renommiertesten Ereignisse für die neuen Eliten. Sechs Tage lang verwandelt sich der ehemalige Lungenkurort in ein Network-Paradies. Die physische Konzentration der Weltelite in dem kleinen Ort erzeugt offenbar den berühmten »Geist von Davos«, der sich für informelle Treffen am Rande des Spektakels als überaus produktiv erweist. Jener Geist war es, der unter anderem die Ideen wachsen ließ für das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) von 1994 und den Abschluss der Uruguay-Runde, aus der 1995 die Welthandelsorganisation (WTO) hervorgehen sollte.

So geriet das WEF auch erst Mitte der neunziger Jahre in die Kritik. Internationale Vertragsverhandlungen zwischen Regierungen und Unternehmen, die im Rahmen des Forums offiziell und vor allem informell angeschoben werden, bestimmten anfangs die eher antimperialistische Stoßrichtung der Proteste. Durch die weltweite Mobilisierung gegen die WTO oder den Internationalen Währungsfonds hat auch die Kritik am WEF in Davos deutlich zugenommen. Leider geht es in den Debatten der Gegenveranstaltungen fast ausschließlich um Richtlinien für multinationale Konzerne oder um die sozialen Auswirkungen der Globalisierung. Das WEF bietet zwar den Anlass und die Referenz für Gegenveranstaltungen, sein spezifisches Regime bleibt hingegen eine merkwürdig unberücksichtigte Leerstelle.

Damit gerät das Davoser Treffen nicht nur zur Metapher für das globalisierte Kapital schlechthin. Eine solche diskursive Bezugnahme läuft außerdem Gefahr, Davos als einen Ort zu begreifen, der den Neoliberalismus lediglich repräsentiert, als würde dort nicht auch eine spezifische Variante des Neoliberalismus erzeugt und zugleich die Privatisierung der Politik vorangetrieben.

Nicht umsonst thematisiert das WEF die Nichtregierungsorganisationen als Scharniere zwischen Weltmarkt und so genannter Zivilgesellschaft in diesem Jahr mit einer besonderen Offensive. Stolz weist man auf den Rekord von 59 teilnehmenden NGOs hin und strebt an, den »Dialog« mit ihnen über langfristige gemeinsame Projekte abzusichern, die die soziale Kohäsion erhöhen und die Verantwortung teilen. Eingeladen werden die VertreterInnen verschiedener Nichtregierungsorganisationen allerdings als »herausragende Persönlichkeiten«.

Offensichtlich besteht die Macht des WEF auch in der Fähigkeit, oppositionelle Diskurse in das Leader-Konzept einzuschließen. Das technokratische Verständnis, das den Menschen allein als plan- und verwaltbares Individuum begreift, bleibt dabei weitgehend verborgen. »Dialog«-PartnerInnen, die nicht mit einer starken und vermittelbaren politischen Strategie gegenüber dem WEF auftreten, lassen sich deshalb leicht von den Eliten vereinnahmen.