Militarisierung der EU

Muskulöse Operationen

Die belgische Hauptstadt hat seit dem 30. Januar mit einem geschichtlichen Novum aufzuwarten. Gleich zwei große Militärbündnisse haben an diesem Tag in Brüssel ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Im östlichen Vorort Evere residiert nun die Nato. Und am Rande der Altstadt haben die militärischen Führungsgremien Stellung bezogen, die den nächsten Krieg mit EU-Beteiligung strategisch betreuen wollen.

Von hier aus wird das »Politische und Sicherheitspolitische Komitee« (Cops) die 60 000 Personen starke »schnelle Eingreiftruppe« der EU lenken. Das Cops wird sich von einem EU-Militärausschuss (EUMC) und einem Militärstab (EUMS) beraten lassen. Das aus Militärpolitikern der EU-Staaten zusammengesetzte Cops soll »im Krisenfall« vom Koordinator für die so genannte gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik - zur Zeit hat diesen Posten Javier Solana inne - geführt werden.

Die Nachbarn in Evere beäugen solche Kriegsvorbereitungen kritisch, zumal die EU-Militärs nicht mit starken Worten sparen. Kaum in sein neues Amt eingeführt, tönte Ende Januar der EUMS-Chef, Generalmajor Graham Messervy-Whiting, zunächst beschränke sich die EU-Truppe noch auf humanitäre Aufgaben, aber sobald sie voll ausgestattet sei, werde sie zu »muskulöseren Operationen« in der Lage sein. Dann müsse mit der Nato auch »kritisch diskutiert werden, wer in Zukunft was übernehmen soll«. Frankreichs Präsident Jacques Chirac fordert, die EU-Truppe müsse vollkommen unabhängig von der Nato agieren können.

Erwartungsgemäß kommt die deutlichste Kritik am neuen europäischen Militärpakt von Politikern aus den USA. Deren neuer Verteidigungsminister Ronald Rumsfeld machte sich auf der Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik am ersten Februarwochenende gleich zweimal unbeliebt. Er drückte nicht nur seine Befürchtung aus, dass von der Euro-Armee »die transatlantischen Beziehungen gestört werden« könnten. Gleichzeitig verteidigte Rumsfeld auch noch die Pläne der soeben vereidigten Bush-Administration zur Stationierung der nationalen Raketenabwehr National Missile Defense (NMD).

Im Namen »vieler europäischer Staaten« äußerte der deutsche Außenminister Joseph Fischer starke Bedenken gegen die NMD. Neue Rüstungswettläufe müssten vermieden und stattdessen weitere Abrüstungsschritte eingeleitet werden, betonte er. Ähnlich argumentierte auch der russische Sicherheitsberater Sergej Iwanov. Eine neue strategische Allianz witterte offenbar Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping und forderte, Moskau müsse in Zukunft stärker in die europäische »Sicherheitsarchitektur« eingebunden werden.

Ein politisches Zerwürfnis mit der Nato kann sich die EU allerdings derzeit noch nicht leisten. Deshalb dürfte die neue Militärstruktur in absehbarer Zukunft dazu dienen, das Gewicht der Europäer in der Nato zu erhöhen, vor allem den Einfluss Deutschlands, das in der EU-Truppe das größte Kontingent stellt.

Beide Stäbe in Brüssel haben jetzt ein gesteigertes Interesse daran, ihre Verbundenheit zu demonstrieren - die USA und die Nato, um die EU-Truppe als eigenes Kontingent zu etablieren, die Euro-Militärs, um zu zeigen, dass sie ebenso bündnistreu wie handlungsfähig sind. Vielleicht ist auch schon die Gelegenheit gefunden, das neue Verhältnis auf die Probe zu stellen. Bei einer gemeinsamen Tagung des Nato-Rates und des Cops wurde Anfang Februar neugierig die Lage im südserbischen Presevo-Tal unter die Lupe genommen. Zunächst, kündigte Cops-Chef Anders Bjuners im Anschluss an, werde die EU mehr Beobachter in die Region entsenden. Bei dieser Gelegenheit, fuhr Nato-Generalsekretär Lord Robertson fort, werde man der Bevölkerung versichern, dass man beabsichtige, »das Sicherheitsproblem global anzugehen«.