Neue Rechtspartei in Polen

Revolte der ewigen Zweiten

Polens neue Mittelklasse gründet ein Wahlbündnis und beendet die Zusammenarbeit mit den rechten Gewerkschaften.

Am Anfang waren wir drei. Innerhalb von zwei Wochen haben sich uns Tausende angeschlossen. Bald werden es Millionen sein«, prophezeite Maciej Plazynski in der überfüllten Gemeindehalle von Oliva, einem Stadtteil von Gdansk (Danzig).

In der zweiten Januarwoche traten Playynski, Andrzej Olechowski und Donald Tusk vor die Presse und verkündeten die Gründung des liberal-konservativen Wahlbündnisses Bürgerplattform. Der Auftritt schlug wie eine Bombe in der polnischen Parteienlandschaft ein.

Jeder der »drei Tenöre«, wie sie in der Presse bezeichnet werden, bringt politische Machterfahrungen mit. Maciej Playynski ist Parlamentssprecher im Sejm. Bei den letzten Parlamentswahlen schnitt er als bester Politiker des rechtskonservativen Wahlbündnisses Solidarnosc (AWS) ab und wurde lange als dessen Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Herbst letzten Jahres gehandelt, konnte sich jedoch nicht gegen den Parteivorsitzenden Marian Krzaklewski durchsetzen.

Donald Tusk leitete den Liberal-Demokratischen Kongress, bis dieser in die liberale Freiheitsunion (UW) integriert wurde. Dort übernahm Tusk den Posten des Vizepräsidenten. Gleichzeitig ist er Sprecher des Senats, der zweiten Kammer des Parlaments. Im Dezember letzten Jahres versuchte er, Bronislaw Geremek als UW-Vorsitzenden auszustechen, verlor jedoch knapp.

Andrzej Olechowski, der Dritte im Bunde, ist Professor der Warsaw School of Economics. Er trat zur Präsidentschaftswahl 2000 als unabhängiger Kandidat an und landete überraschend noch vor Krzaklewski auf Platz zwei hinter Kwasniewski.

Die Revolte der ewigen Zweiten eröffnet der gemäßigten Rechten die Chance, eine Partei zu gründen, die nicht, wie so viele Versuche in den letzten zehn Jahren, schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Die Hälfte der UW-Wählerschaft kann sich vorstellen, die neue Gruppe zu unterstützen. Der Warschauer Bürgermeister, ein ehemaliger Ministerpräsident und das Wirtschaftsforum sowie die Jugendorganisation der UW sind schon übergelaufen. Komplette UW-Bezirksverbände tragen sich mit ähnlichen Gedanken.

Die Abwerbeversuche bei der rechten AWS sind hingegen noch nicht in größerem Umfang geglückt. Insbesondere auf die Abspaltung der Konservativen Volkspartei - einer der vier Parteien des AWS-Bündnisses - hatten die »drei Tenöre« gehofft. Doch trotz vehementer Fürsprache des Parteichefs entschied sich die Delegiertenkonferenz Ende Januar gegen den Austritt aus dem Wahlbündnis AWS. Man sah den Staatsvertrag mit dem Vatikan, das radikale Abtreibungsgesetz und die polnische Variante des Anti-Stasi-Programms in Gefahr.

Umfragen zufolge könnte die Bürgerplattform bei den Parlamentswahlen im Herbst auf 20 bis 25 Prozent kommen. Damit würde sie zur zweitstärksten Partei hinter den Sozialdemokraten (FLD) avancieren. Parteienforscher geben dem neuen Bündnis dagegen kaum Chancen. Der Politologe Tomas Yukowski meint, liberale und »nichtlinke« Ansichten würden schon von der AWS und der UW bedient.

Bei genauerer Betrachtung der Motivation für die Austritte der Tenöre könnte man der Neugründung jedoch tatsächlich einen dauerhaften Erfolg zutrauen- und zwar als Partei der Transformationsgewinner. Olechowski macht deutlich, dass er sich nicht vorstellen könne, mit Gewerkschaftsaktivisten der Solidarnosc in einer Reihe zu stehen, und lässt keinen Zweifel an der politischen Ausrichtung der Bürgerplattform: »Wir wenden uns an die Middleclass und an jene, die zu ihr gehören möchten. Und wir erhoffen uns Unterstützung von Unternehmern. Das wäre nur logisch, da unser Wirtschaftsprogramm am besten mit den Interessen der Unternehmer zusammenpasst.«

Der ehemalige Ministerpräsident Jan Krzysztof Bielecki (UW) begründete seinen Wechsel zur Bürgerplattform damit, dass er nicht mehr Mitglied einer »liberal-konservativ-sozialdemokratischen Partei« sein möchte, wobei ihn wohl insbesondere das letzte Adjektiv stört. Denn der Bruch innerhalb der UW vollzog sich an der Nahtstelle zwischen sozialliberaler Ethik und wirtschaftliberalem Pragmatismus. Der UW-Vorsitzende Geremek, der politisch in der Solidarnosc-Bewegung der achtziger Jahre groß geworden ist, konnte sich zwar beim Führungsgerangel letztes Jahr noch einmal durchsetzen. Doch längst drängen junge Absolventen privater Wirtschaftsakademien an die Macht. In der Bürgerplattform könnten sie ihre politische Heimat finden.

So wimmelte es auf dem Gründungskongress in Gdansk von anzug- und köfferchentragenden Yuppies, für die der alte Konflikt zwischen Solidarnosc und Staatskommunismus längst Geschichte ist. Die neue Klasse verortet sich rechts im neoliberalen Sinn. Sie sieht im Wohlfahrtsstaat eine dem menschlichen Wesen zutiefst zuwiderlaufende Angelegenheit, kennt sich genauestens mit den neuesten Entwicklungen auf dem IT-Markt aus, geht Sonntags in die Kirche und kombiniert Papst-Zitate mit solchen von Margaret Thatcher. Diese Spezies von Newcomern auf der politischen Bühne Polens ist EU- und deutschfreundlich, hasst die Verlierer der Transformation und glaubt an das Recht des ökonomisch Stärkeren. Für sie ist Demokratie gleichbedeutend mit Antikommunismus und »Reformen« würde sie notfalls auch diktatorisch »vorantreiben«.

Bisher musste die polnische Rechte immer auf ihre gewerkschaftlichen Ursprünge, die alte Solidarnosc, Rücksicht nehmen. Mit der neuen Gruppierung könnte sich das rechte Spektrum in Gewinner und Verlierer der Tranformation aufspalten. Rechte Bauern und Arbeiter bleiben bei der klerikalen, national-sozialen Solidarnosc, die neue Mittelklasse sammelt sich in der neoliberalen Bürgerplattform.