Machtkampf auf den Philippinen

Comeback der Trapos

Der Mord an dem linken Gewerkschaftsführer Filemon Lagman verschärft den Machtkampf auf den Philippinen.

In einem Staat wie den Philippinen, in dem die Regierungsinstitutionen gegenüber traditionellen Interessensgruppen der Oligarchie schwach sind, ist der Kampf für Good Governance eine Sache für Träumer. Mit dem Sturz von Joseph Estrada, einem gewählten, aber korrupten und inkompetenten Präsidenten, wurde kürzlich ein erster Sieg errungen. Doch noch vor dem Abebben der allgemeinen Euphorie gibt es Anzeichen, dass die neue Regierung unter Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo denselben Kurs verfolgt, an dem bereits die vorige scheiterte.

Vom Ende der trapo-Politik - ein abfälliger Begriff für traditionelle Politiker und ihre durch Korruption geprägte Praxis - wurde viel geredet, doch die trapos haben sich auch diesmal wieder ihren Weg zu den Regierungsposten gebahnt. Während die juristische Verfolgung Estradas und seiner Kohorten vernachlässigt wurde, haben die verschiedenen traditionellen Parteien, die weiterhin die Politik auf den Philippinen dominieren, ihre Aufmerksamkeit den für Mai vorgesehenen Kongress- und Kommunalwahlen zugewandt. Ehemalige Anhänger Estradas, die sich in die Edsa-Forces eingereiht haben - diesen Namen hat Arroyos Parteienkoalition angenommen -, sehen die Wahlen als Chance, in dieser Koalition die Oberhand zu gewinnen. Für Estradas LBP (Force of the Masses) würde ein Sieg die Rehabilitation ihres gefallenen Führers bedeuten. Nun ist die große Frage, ob die neue Regierung die Bosse der illegalen Lotterie juristisch belangen wird, die normalerweise einen großen Teil der Kampagnengelder für den Wahlkampf bereitstellen.

Die Ermordung Filemon Lagmans, eines einflussreichen Vertreters der Linken, macht alles noch unübersichtlicher. Lagman, der Freund und Feind als Ka (Genosse) Popoy bekannt war, wurde am 6. Februar in Diliman, Quezon City, mit vier Schüssen umgebracht. Er stand der multisektoralen Bewegung Sanlakas vor, die die Kampagne für Estradas Sturz von Beginn an mitgetragen hatte. Doch anders als die linke Gruppe Bayan und die in Kompil zusammengeschlossenen NGO und sozialen Bewegungen hielt Sanlakas Distanz zu Arroyo und forderte, sie solle zusammen mit allen anderen trapos zurücktreten.

Lagman war 1994 vom Militär als angeblicher Chef der Alex Boncayo-Brigade inhaftiert worden, einer gefürchteten städtischen Einheit der New People's Army, die zu einer Allianz mit der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) und der National Democratic Front gehörte. Diese Allianz ist bis heute illegal.

Am 12. Februar wurde Lagman beerdigt. Mehr als 30 000 Menschen, zumeist aus Organisationen von Sanlakas, beteiligten sich an dem Beerdigungs- und Gedächtnismarsch. Der militante Gewerkschaftsverband Bukluran ng Manggagawang Philipino (BMP), den Lagman nach seiner Freilassung 1995 gegründet und dem er vorgestanden hatte, rief zu einer Arbeitsunterbrechung an diesem Tag auf, um eine schnelle Untersuchung des Mordes zu bewirken. Nach eigenen Angaben vereinigt BMP etwa 200 lokale Gewerkschaften mit insgesamt rund 100 000 Mitgliedern. BMP hat sich vom Gewerkschaftsverband KMU abgespalten, der Bayan angehört.

Die philippinische Linke teilt sich in diverse Splittergruppen. Lagman, der bereits Anfang der achtziger Jahre von der CPP suspendiert wurde, führte 1991 die größte Abspaltung von der im Untergrund operierenden CPP an. Fast die Hälfte der Mitglieder folgten ihm, die »Rejectionists« lehnten den stalinistisch-maoistischen Kurs ab, den die Partei unter der Führung von José Maria Sison verfolgte, der bis heute im niederländischen Exil lebt. Lagman trat für einen Schwenk zur Arbeiterbewegung ein, unter der Parole, »Strategie des Arbeiteraufstands für eine sozialistische Revolution«, kombinierte er parlamentarische und außerparlamentarische Mittel.

Später spalteten sich auch die »Rejectionists« in drei Gruppierungen. Von diesen scheint Sanlakas im Raum Manila die größte Unterstützung zu haben. Der Rivalität zwischen den Gewerkschaftsverbänden KMU und BMP entsprach die Rivalität zwischen Lagman und Sison. Am Morgen des Begräbnisses Lagmans haben seine Anhänger die Partido ng Manggawa (Arbeiterpartei) formal gegründet, die Kandidaten zu den Kongresswahlen im Mai aufstellen wird. Neben anderen Gruppen der Linken tritt auch die Sisons »Reaffirmists« nahe stehende Bayan mit der Partei Bayan Muna zu den Wahlen an. 1998 hatte Sanlakas einen Sitz im Unterhaus gewonnen, ebenso wie die Koalitionspartei Akbayan, in der sich verschiedene Strömungen der Linken, unabhängige Gruppen und nichtalliierte Kräfte der Mitte und der Jugend organisiert haben.

Viele glauben, dass die Mörder Lagmans rechten Gruppen angehören, die unglücklich darüber sind, dass die Linke durch ihre Beteiligung am Sturz Estradas ihre Position stärken konnte. Auch nach dem Sturz von Marcos 1986 war es zu einem Attentat auf einen Gewerkschaftsführer gekommen. Im November 1986 töteten noch immer nicht identifizierte Männer den KMU-Chef Rolando Olalia.

Damals wie heute spaltete sich die Elite während der Übergangsperiode in die Anhänger der gestürzten und der aufsteigenden Clique. Und auch heute fühlt sich die Elite durch eine revolutionäre Bewegung bedroht, die von der wachsenden Unruhe jener profitieren könnte, die Reformen und mehr Demokratie fordern. Wie 1986 zielt das Attentat darauf, die Regierung zu destabilisieren und nach rechts zu drängen.

Die Linke hat heute nicht mehr die Fähigkeit, die Regierung mit Waffengewalt zu stürzen. Aber sie hat die Möglichkeit, als parlamentarische Alternative zur trapo-Politik gesehen zu werden, die den Status quo erschüttern könnte. Die rechten Gruppen wissen, dass die Akzeptanz von Fürsprechern linker Themen und die wachsende Ablehnung der traditionellen Politik zu einer neuen Zusammensetzung der nächsten Regierung führen könnte. Das würde die Interessen jener berühren, die von den gegenwärtigen Arrangements profitieren. Der Versuch der Rechten, diese potenzielle Bedrohung zu vernichten, dürfte jedoch eher die Demokratie als die Linke zerstören.