Zanzibar Film Festival

Miss Smith wird nicht vermisst

Das Kino Ostafrikas steckt in Schwierigkeiten. Das Zanzibar Film Festival eröffnet neue Möglichkeiten.

Sansibar dürfte dem ziemlich nahe kommen, was sich der britische Kulturwissenschaftler Paul Gilroy als »Black Atlantic« vorstellte, einem postmodernen Patchwork verschiedener Kulturen, Geschichten und Zeitvorstellungen. Die Insel vor der Küste Ostafrikas hat schon seit über tausend Jahren ihren Platz auf einer Handelsroute, die aus China und Indien über Persien und die Golfstaaten nach Afrika führte, um den Kontinent mit Porzellan, Glasperlen, Seide und Gewürzen zu versorgen und von hier aus Elfenbein, Gold und Sklaven auszuführen. Auch heute besteht die Kultur Sansibars aus einer Mischung von islamischen, arabischen und afrikanischen Einflüssen; wie überall in Ostafrika leben hier Familien indischer Herkunft genauso wie ehemalige Bewohner des afrikanischen Festlands.

An den Einflüssen der Handelsroute orientiert sich auch das Filmfestival Sansibars. Vorgestellt werden indische, iranische und afrikanische Filme. Was zunächst als wahlloser Eklektizismus erscheinen mag, hat seine Entsprechung in der konkreten Wirklichkeit der Insel. Trotz der durch Video und Satellitenfernsehen zurückgedrängen Kinokultur ist der Film in Afrika immer noch ein enorm verbreitetes Mittel kultureller Kommunikation. Allerdings kommunizieren die afrikanischen Kulturen immer seltener miteinander, immer dominanter wird eine globalisierte US-amerikanische Kultur. Das Zanzibar International Film Festival (ZIFF) versucht, dem Trend zu begegnen, indem es Filme und Veranstaltungen auf über 40 Orte überall auf der Insel verteilt und damit eine phantastische Verbreitung der neuen Filmproduktionen schafft. Während Imruh Bakari, der Leiter des Festivals, davon schwärmt, dass in dieser Gegend das postmoderne Patchwork funktioniere, ohne dass es jemals diskutiert worden sei, sind andere skeptischer. Vor allem afrikanische FilmemacherInnen kritisieren die Weigerung der meisten Regierungen, in die Kulturförderung zu investieren.

Mit der britischen Kolonialregierung kam der Film nach Ostafrika, allerdings dienten Produktionen wie »Simba« dazu, den Fremden als präzivilisiertes Naturwesen zu konstruieren und sich der eigenen Hochkultur zu versichern. Später kamen dann belehrende Kulturfilme wie »Mr. and Mrs. Smith at Tea« oder »Coffee under a Banana Tree« aus England nach Afrika, die das richtige Leben demonstrieren sollten. Die Kinos wurden von indischen Ostafrikanern betrieben, sie importierten später meist indische Produktionen, die auch heute noch überall in Ostafrika gezeigt werden. Afrikanische Filme stehen selten auf dem Programm.

Sansibar ist natürlich nicht nur die freundliche Inkarnation von Völkerverständigung. 1964 wurde die Insel dem sozialistischen Tansania zugeschlagen und ist heute für die Regierung in Daressalam der wichtigste touristische Standort. Bei den Wahlen im letzten Jahr geriet die Insel wieder in die Schlagzeilen, weil die Bestrebung nach Unabhängigkeit von der Zentralmacht durch tansanische Militärs unterdrückt wurden.

Ein bisschen von der Black-Atlantic-Idee scheint in Filmen wie etwa »Maangamizi« sichtbar zu werden. Die Protagonistin ist eine afro-amerikanische Psychologin, die in der Frauenpsychiatrie in Tansania arbeitet und sich mit ihren westlichen Vorstellungen nicht durchsetzen kann. Sie begibt sich auf eine Reise zu ihren Ahnen.

Daneben gibt es kommerziell orientierte Produktionen, die auf den ethnisierenden Blick verzichten, nichts erklären oder gar rechtfertigen, sondern Unterhaltung bieten wollen. Z.B. »Yellow Card«, ein Film aus Zimbabwe, schnell, hip und sexy, der an Produktionen aus Jamaika erinnert, die in kulturell vielschichtigen Metropolen und auf dem afrikanischen Kontinent über Monate die Kinos besetzt halten. Tiyane verhält sich wie jeder x-beliebige College-Film-Protagonist, schwängert die Unschuldige, um sich dann nach der Unerreichbaren zu recken. Und am Ende ist nicht klar, ob der 17jährige jetzt auch mal Verantwortung tragen muss oder ob er sie an seine Mama abgeben kann. »Yellow Card« ist ein Unterhaltungsfilm, der nebenbei noch class, race und gender verhandelt und so viel von der Normalität des afrikanischen Mittelstandes einfängt, dass es mehr als verwunderlich erscheint, warum es bislang so wenige kommerzielle Produktionen dieser Art gibt.

Filme wie »Jinnah« (Pakistan 1998) und the »Making of Mahatma« (Indien 1997) funktionieren wie die großen Geschichtsepen des Hollywoodkinos. Mit dem Unterschied, dass Staatsmänner und -gründer wie Jinnah und Gandhi nicht unbedingt als sympathische Helden gefeiert werden.

Das Festival in Sansibar, dessen Beiträge jetzt im Berliner Haus der Kulturen der Welt gezeigt wurden, wendet sich nicht an Filmfreaks und Kritiker, sondern ist ein Festival für Sansibar. Neben Filmen gibt es Musikveranstaltungen, Umzüge und Workshops. Filme zum Thema Musik haben einen großen Stellenwert im Programm. In »Bombay und Jazz« treffen Musiker aus der Dhow Region zusammen, »Tambours Battant« beschäftigt sich mit dem Trommeln, und mit »A Voice from Heaven« kommt der pakistanische Sufi-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan post mortem in die Kinos. »The Legacy of Siti Binti Saad« dokumentiert die Musik einer der ältesten Taarab-Sängerinnen der Insel, Bi Kidude Baraka, die nicht nur die Verbindung von arabischer Melodie mit afrikanischen Rhythmen beherrscht; auch mit ihrem Frauen-Trommelorchester, ihren extrem spitzen Texten und ihren 78 Jahren ist sie eine ziemliche Attraktion.

Die Idee der Initiatoren, das Festival parallel zur Berlinale stattfinden zu lassen, um ein internationales Publikum zu erreichen, scheint scheint jedoch nicht funktioniert zu haben. Selbst die spannendsten Filme liefen vor kleinem Publikum.

Filmfestival Zanzibar, Haus der Kulturen der Welt, Berlin. Bis 28. Februar