Nach dem Anschlag in Israel

Tradition statt Revolution

Erstmals habe sich die »PLO von einem terroristischen Akt nicht distanziert, sondern die volle Verantwortung dafür Israel zugeschoben«, meldete die junge Welt, als letzte Woche acht Israelis von einem palästinensischen Busfahrer ermordet wurden.

Damit hat sich die palästinensische Führung von ihrer sozialrevolutionären Vergangenheit verabschiedet, deren Konzept revolutionärer Gewalt ihre Genossen und Schüler von der RAF 1971 so formulierten: »Der revolutionäre Terror richtet sich ausschließlich gegen Exponenten des Ausbeutungssystems und (...) gegen die zivilen und militärischen Führer.« Denn obwohl sich unter den Opfern des Attentats keinesfalls der israelische Generalbundesanwalt befand, sondern es sich ausschließlich um Unbeteiligte handelte, löste das Attentat der taz zufolge unter den »Palästinensern eine gar nicht klammheimliche Freude« aus.

So scheinen die Fronten heute verkehrt, die »Exponenten des Besatzerregimes«, also die israelische Armee, liquidiert militärische Führer der Palästinenser und erklärt, sie wolle Zivilisten, wo irgend möglich, schonen, während die Gegenseite den Tod von Unbeteiligten als legitime Form des Widerstandes bezeichnet. Vor einigen Jahren noch unterschied Guerillataktik sich positiv von der des bekämpften Regimes, weil sie zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten klar zu trennen wusste.

Deshalb ist den Palästinensern auch die Symphatie deutscher Redakteure und Medien gewiss, die zwar nicht dem revolutionären, aber jeder Form des völkischen Terrors größtes Verständnis entgegenbrachten. Erst wenn nationale Bewegungen den letzten Rest emanzipatorischer Theorie und Praxis entsorgt haben, werden sie hierzulande regelmäßig zu Befreiungsorganisationen stilisiert. Und immer häufiger verhält die PLO sich wie die Nachfolgeorganisationen der UCK im Kosovo. Spätestens die Phrasen Arafats, Gewalt erzeuge eben Gegengewalt und die Israelis seien selber schuld, wenn in Tel Aviv oder Jerusalem Menschen umgebracht werden, sind ununterscheidbar von der in Deutschland beliebten Entschuldigung, neonazistische Morde seien nichts als die fatale Folge fehlender Arbeitsplätze oder Jugendzentren.

Dass hierzulande die Toten von Tel Aviv ebenfalls eine gewisse »klammheimliche Freude« ausgelöst haben, muss zumindest vermutet werden angesichts einer Berichterstattung, die fast unisono Arafats Erklärung ohne weiteres als verständlich kolportiert, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, die Namen der israelischen Opfer zu notieren.

Dabei knüpfte der Palästinenserpräsident an die unsympathischste Tradition der PLO an, die sich bislang immer weigerte, den Terror von Selbstmordkommandos glaubhaft zu verurteilen. Stattdessen wurde die Handvoll arabischer Intellektueller angegriffen, die sich öffentlich von diesen Anschlägen distanzierten. So wie 1996 der israelisch-arabische Schriftsteller Emil Habibi nach seiner Verurteilung des Bombenanschlags auf die Jerusalemer Buslinie 18 als Verräter am palästinensischen Volk gebrandmarkt wurde, steht heute der Menschenrechtler Bassam Eid isoliert da, weil er seit langem die palästinensische Führung auffordert, Kinder und Jugendliche nicht in den Konflikt zu involvieren.

Letzte Woche also hat die palästinensische Führung indirekt alle jüdischen Bewohner Israels zu »Exponenten des Ausbeutersystems« erklärt und sich damit der Sichtweise jener radikalen Organisation angeschlossen, die am 6. Februar in einem ultraorthodoxen jüdischen Viertel, in dem bekanntermaßen erklärte Gegner des Staates Israel leben, eine Bombe explodieren ließ. Abgesehen von der Tatsache, dass sich die PLO so noch weiter moralisch diskreditiert, stärkt sie jene Kräfte in Israel, die seit längerem die Palästinenser als Kollektiv von Terroristen dämonisieren und immer unverhohlener fordern: »Tod den Arabern!«