Chinas Einfluss in Afrika

Umweg nach Westen

Chinesische Staatskonzerne drängen auf den afrikanischen Markt. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem sudanesischen Militärregime.

Die Harmonie von Energie und Umwelt erreichen« - der staatliche chinesische Ölkonzern China National Petroleum Corporation (CNPC) hat sich einen recht modernen Unternehmensslogan gewählt. Besonders gut harmoniert das chinesische Interesse an billiger Energie mit der politischen Umwelt im Sudan. Dort wurde am 13. Februar der Militärdiktator Omar al-Baschir für eine zweite Amtszeit als Präsident eingeschworen. Den Krieg gegen die Guerillabewegung Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) finanziert er vor allem mit den Einnahmen aus dem Export von Öl, das mit Hilfe der CNPC gefördert wird.

Die Beteiligung an der sudanesischen Ölförderung ist Bestandteil einer neuen Politik, mit der China seine politische und wirtschaftliche Isolation durchbrechen will. Für den Westen ein unerwünschter Konkurrent auf dem Weltmarkt, sucht China seine Chancen nicht zuletzt in Afrika, das sich erst kürzlich den ökonomischen Träumen der Globalisierung und des Freihandels geöffnet hat. Derzeit hat der Kontinent nur einen Anteil von weniger als zwei Prozent an den weltweiten Exporten. Neokoloniale Bindungen haben sich teilweise gelöst, und Afrika bietet neuen ökonomischen Akteuren gute Geschäftsmöglichkeiten.

China ist eines der Länder, die sie dankbar nutzen. Private Geschäftsleute haben begonnen, den afrikanischen Markt zu erschließen. »Afrika hat reiche Mineralressourcen und Öl, während China billige und gute Waren des täglichen Bedarfs (...) produziert«, erklärte der Unternehmer Zhu Youyi am 8. Februar nach seiner Rückkehr aus Afrika der Nachrichtenagentur Xinhua. Vor allem aber sucht die chinesische Kommunistische Partei im Rahmen des »marktorientierten Sozialismus« dringend nach Weltmarktnischen für ihre Staatskonzerne. Pech für Afrika: Die wichtigste staatliche Institution Chinas ist noch immer die Armee.

Die chinesische Volksarmee ist mit einer konzentrierten Kampagne zum Verkauf ihrer militärischen Produkte in Afrika beschäftigt. Militärische Handelsdelegationen haben während des vergangenen Jahres regelmäßig Staaten des subsaharischen Afrika besucht. Chinesische Militärs reisten nach Namibia, Botswana und Angola, im Frühsommer vergangenen Jahres besuchte die chinesische Marine erstmals Südafrika und Tansania.

Das militärische Interesse Chinas an Afrika geht auf die frühen sechziger Jahre zurück. Damals waren die Motive vor allem geopolitischer Art; China versuchte, einen Machtblock gegen die USA und die Sowjetunion aufzubauen. Heute sind Geschäfte das Hauptmotiv geworden. China will erreichen, dass seine riesige Armee die eigene Wirtschaft weniger belastet und sich wenigstens zum Teil selbst finanziert. Chinesische Waffen, meist verbesserte Nachbauten amerikanischer und sowjetischer Modelle, sind im Allgemeinen billig und zuverlässig. Die Partei will, dass die Armee diese Waffen im Ausland verkauft.

Die chinesische Führung scheint sich nicht daran zu stören, dass sie mit dieser Politik ein Wettrüsten im südlichen Afrika auslösen kann. Staaten wie Zimbabwe, Angola und Namibia sind gegenwärtig militärisch etwa gleich stark. Wenn sich jedoch ein Staat entscheidet, seine Waffenarsenale zu modernisieren, werden die anderen folgen. Derzeit allerdings sind die Staaten des subsaharischen Afrika vor allem mit dem Krieg im Kongo beschäftigt. Dessen neuer Staatschef Joseph Kabila erhielt seine militärische Ausbildung in China, eine Verbindung, die für den chinesischen Waffenhandel nützlich sein könnte.

Waffenexporte können Bindungen und Loyalitäten schaffen, doch in ökonomischer Hinsicht sind sie für Peking zweitrangig. China hat andere und größere Wirtschaftsinteressen auf dem Kontinent. Das wichtigste ist angesichts des zu erwartenden steil ansteigenden heimischen Energieverbrauchs das Ölgeschäft. Die CNPC ist deshalb sehr aktiv in der Ölproduktion unter anderem Kasachstans, Venezuelas und des Sudan. Der Staatskonzern hat einen Mehrheitsanteil an den sudanesischen Ölfeldern, die vor einem Jahr die Produktion aufnahmen. Im vergangenen Jahr hat die CNPC, ihrem eigenen Geschäftsbericht zufolge, 320 Milionen Dollar im Sudan verdient. Nach offiziellen statistischen Angaben der chinesischen Außenhandelsbehörde sind die Importe aus dem Sudan in der ersten Hälfte des Jahres 2000 um astronomische 49 398,5 Prozent auf 441 Millionen Dollar gestiegen. Vor der Erschließung des Öls betrug der Wert der Importe 2 000 Dollar.

Nunmehr steht der Sudan an vierter Stelle auf der Liste der wichtigsten afrikanischen Handelspartner Chinas, gleich hinter Ägypten, aber noch vor Nigeria. Weit in Führung liegen Südafrika und Angola mit einem Handelsvolumen von jeweils über eine Milliarde Dollar. Bei den chinesischen Exporten nach Afrika lässt der Sudan neuerdings Ägypten und Nigeria weit hinter sich. Bemerkenswert ist auch das öl- und diamantenreiche Angola, dessen Handel mit China zu 98 Prozent aus Exporten besteht.

In den Beziehungen zum Sudan hat China auch politische Gemeinsamkeiten entdeckt. Die chinesische Regierung wurde zu einem erklärten Gegner jeder Art von Sezession des Südsudan, wo die SPLA seit 1983 gegen die Zentralregierung kämpft. Zu dieser Position hat sicher beigetragen, dass bei einer Sezession unklar wäre, in welchem Land die Ölfelder lägen. Der Sudan revanchierte sich mit der Unterstützung für die chinesische Sichtweise, dass Taiwan ein untrennbarer Teil Chinas ist.

Einige westliche Medien und Geheimdienste berichten von einer chineschen Militärintervention im Sudan. So meldete die englische Tageszeitung Sunday Telegraph Anfang Dezember, China habe 700 000 Soldaten in den Alarmzustand versetzt, um den Bürgerkrieg im Südsudan zu beenden. Doch trotz der guten Beziehungen und des wachsenden Waffenhandels ist eine chinesische Militärintervention im sudanesischen Bürgerkrieg sehr unwahrscheinlich. Augenzeugenberichten aus dem Nordsudan zufolge halten sich in diesem Gebiet viele Chinesen auf. Es gibt jedoch keine Anzeichen für eine große Militärpräsenz, obwohl natürlich Soldaten ihre Uniform auch ausziehen können.

Wahrscheinlich setzt China zur Sicherung der Ölfelder eigene bewaffnete Kräfte ein. Die chinesischen Ölarbeiter wurden ebenfalls bewaffnet und scheinen bereit zu sein, ihre Waffen zu benutzen. Die Angaben des Sunday Telegraph sind jedoch sicher weit übertrieben, China-Spezialisten bezeichnen sie als »Scherz«. Bislang hat China nur in Nachbarstaaten militärisch interveniert. Das Außenministerium erklärte, dass »der sudanesische Konflikt eine ausschließlich innere Angelegenheit des Sudan ist und China sich nie in die internen Probleme anderer Länder einmischt«. Für alarmierende Berichte mehrerer Geheimdienste, dass China gemeinsam mit Nordkorea im Sudan eine Fabrik für Scud-Raketen errichtet, gibt es ebenfalls keinen Beleg. Es ist bemerkenswert, dass die Geheimdienstberichte und der Zeitungsartikel zu einer Zeit erschienen, als die Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen den USA und China stattfanden und zugleich der UN-Sicherheitsrat ankündigte, der Sudan werde als Vertreter Afrikas in dieses Gremium einrücken.

Es gibt allerdings Beweise dafür, dass sich das Regime in Khartoum vor einigen Jahren nach externen Lieferanten für Scud-Teile umsah. Auch die Berichte, dass China dem Sudan beim Bau einer Fabrik für T-55-Panzer hilft, sind weniger spekulativ. Die chinesische Version des relativ leichten T-55 ist ideal für die trockenen Steppen des Sudan, und für das islamistische Militärregime wären diese Panzer eine willkommene Ergänzung ihres alternden Arsenals. Die Bevölkerung des Südsudan und die SPLA dürften diese Entwicklung allerdings mit weniger Enthusiasmus sehen.

Wegen seiner Hilfe bei der Erschließung der sudanesischen Ölquellen trägt China eine gewisse Verantwortung für das humanitäre Elend im Südsudan. Die Öleinnahmen sind zentral für die Weiterführung des Krieges, das Regime in Khartoum wird sie wahrscheinlich eher für Bomben als für Nahrung ausgeben. Die sudanesische Regierung und die CNPC sind recht nervös, weil die SPLA nur fünfzehn Kilometer von den Ölfeldern entfernt ist und kürzlich in Kassala militärische Siege errang. Amnesty international berichtete unlängst, die sudanesische Armee vertreibe gewaltsam Zivilisten aus der Umgebung der Ölfelder. Massenhinrichtungen und die Zerstörung ganzer Dörfer scheinen keine Ausnahme zu sein. Doch auch die SPLA führt den Krieg ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, und es ist unklar, wie vertrauenswürdig die Quellen von amnesty sind, denn im sudanesischen Bürgerkrieg wird von allen Seiten gelogen.

Letztlich ist das sudanesische Öl die negativen politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Konsequenzen nicht wert, die eine Militärintervention in den Bürgerkrieg mit sich brächte. Der Sudan exportiert die Hälfte seines Öls nach China, aber die 60 000 Barrel pro Tag machen nur 1,5 Prozent des chinesischen Gesamtkonsums aus. Besonders auf lange Sicht sind die sudanesischen Reserven die Anstrengung nicht wert. Sie werden auf 260 Millionen Barrel geschätzt, weniger als ein Zehntel der Vorräte im benachbarten Ägypten. In zwölf Jahren werden die sudanesischen Ölquellen versiegen. Wenn man von den letzten 18 Jahren auf die Zukunft schließen kann, wird der Boden des sudanesischen Ölfasses eher in Sicht sein als ein Ende des Bürgerkrieges.