Koalitionskrise im Senat

Zu früh gefreut

Um endlich im Roten Rathaus mitregieren zu können, würden die Berliner Grünen auch mit der PDS koalieren. Doch die SPD will von Rot-Rot-Grün nichts wissen.

Reporter tuscheln und raunen, Abgeordnete blähen sich auf, Senatoren zeigen ein müdes Gesicht. Einmal mehr durchlebt der Berliner Senat eine Koalitionskrise. Nichts Neues, will man meinen. Doch diesmal sieht es tatsächlich ernster aus als in früheren Jahren, denn die Berliner SPD, der Koalitionspartner der CDU, schießt für ihre Verhältnisse ungewöhnlich lange, und manchmal trifft sie sogar. Die Berliner sind besorgt: Stürzt gar Eberhard Diepgen, der auf Ewigkeit spekulierende Regierende Bürgermeister?

Natürlich nicht, auch wenn Diepgen und die Berliner Union wegen der jüngsten Ereignisse in arge Bedrängnis geraten sind. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Abgeordnetenhaus, der konservative Hardliner Klaus Landowsky, bedachte als Chef der landeseigenen Bank Berlin Hyp die befreundete Immobilienfirma Aubis mit einem Kredit in Millionenhöhe (Jungle World, 7 und 9/01). Für Landowsky ist das bloß ein menschlicher Fehler. Doch vergangene Woche erhärtete sich der Verdacht, dass er eine von der Aubis erhaltene Spende an die CDU im Wert von 40 000 Mark »selbst angeregt hat«. Das berichtete das ARD-Magazin »Kontraste«.

Ist Landowsky, der sich ansonsten als Saubermann aufspielt, nun also doch bestechlich? Eines ist sicher: Die CDU hatte die Spendengelder nicht ordentlich auf ihrem offiziellen Parteikonto verbucht, sondern sie stattdessen in einer schwarzen Kasse geführt und damit ein Delikt begangen, das schon Kohl und Koch nicht recht bereuen mochten. Diepgen, der jedem Korruptionsverdacht stets empört widerspricht, weigert sich bislang hartnäckig, aus der Affäre personelle Konsequenzen zu ziehen und seinen langjährigen Kumpel Landowsky, der von seinem Bankposten bereits zurückgetreten ist, zur Niederlegung des Fraktionsvorsitzes zu drängen.

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen scheint Diepgen ein sentimentaler Mensch zu sein, der an seinen Kampfgenossen hängt, zum anderen ist Landowsky einer der wenigen Berliner CDU-Politiker mit Profil. Diepgen braucht ihn, um seinen Landesverband vor dem Auseinanderfliegen zu bewahren. Getreue wie Landowsky deckeln seit Jahren alle innerparteilichen Personal- und Richtungsstreitereien, so dass sich die altgediente West-CDU-Clique einen ständigen ersten Platz in der Stadtpolitik sichern konnte. Außerdem durfte sich Diepgen bislang darauf verlassen, dass der jahrelange treue Koalitionspartner SPD zwar oft meckert, aber dennoch jedes noch so verheerende Wahlergebnis in einen bindenden Koalitionsauftrag umdeutet.

Jetzt aber scheint alles anders zu sein. Die Grünen, unter der Wortführerschaft ihres Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Wieland und der demissionierten Bundesministerin Andrea Fischer, fordern inzwischen SPD und PDS auf, gemeinsam mit ihnen ein Linksbündnis zu schmieden. Dementsprechend macht Wieland im Abgeordnetenhaus Druck, und die PDS hält sich mit Angeboten an die SPD zwar noch auffallend zurück, doch Gregor Gysi hat bereits wissen lassen, dass er dem Amt des Regierenden Bürgermeisters durchaus nicht abgeneigt sei. Die Liberalen schließlich rufen zu Neuwahlen auf, damit sie wieder irgendwie mitspielen können.

Selbst Klaus Wowereit, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Abgeordnetenhaus, drängte die Union am vergangenen Donnerstag, sich von Landowsky zu trennen. Das war eine Forderung, die mit dem bisherigen Verhaltenskodex der Berliner SPD-Führung - auf Anstand pochen und publikumswirksam unter Diepgen leiden - eindeutig brach. In Bedrängnis bringt Wowereit damit aber bloß seine eigene Partei. Nun müssen der Landesverband der SPD und ihr Vorsitzender Peter Strieder aktiv werden und können nicht mehr in Opposition zur eigenen Koalition verharren.

Doch die Alternativen zum bisherigen Koalitionspartner passen auch nicht so recht ins Konzept der SPD. Eine Koalition mit den Grünen und der PDS, die angesichts der aktuellen Verhältnisse im Abgeordnetenhaus denkbar wäre, würde ihre angestammte Wählerschicht, die »antikommunistischen« Westberliner, mehr als verstören. Zudem wäre nicht abzusehen, wie sehr sich die PDS für ein paar Senatssitze von der SPD demütigen ließe.

Würden die Sozialdemokraten die PDS jedoch als gleichberechtigten Partner akzeptieren, wären ihnen bei der nächsten Wahl enorme Stimmenverluste sicher. Die Berliner PDS-Landesvorsitzende, Petra Pau, prognostizierte am Samstag richtig, dass im Falle des Scheiterns eines möglichen Linksbündnisses eine langjährige Alleinherrschaft der CDU bevorstünde.

Mit Neuwahlen kann die SPD auch nicht drohen, denn dafür braucht es nach der Berliner Landesverfassung eine Mehrheit, die im Parlament nur mit der CDU zu erzielen wäre. Zudem erreichte die SPD bei der letzten Wahl ein derart schlechtes Ergebnis, dass ihr als realistische Option bei Neuwahlen wieder nur das grausige Linksbündnis bliebe.

Die Koalition beenden und die CDU in einer Minderheitsregierung zurücklassen, das kann sie aber auch nicht. Die Senatoren werden in Berlin direkt vom Parlament gewählt, folglich müsste Diepgen permanent mit der SPD verhandeln, um seine Senatoren zu ernennen. Dann würde die SPD eine Regierung unterstützen, und Diepgen wähnte sich auch weiterhin nicht für seine politischen Fehler verantwortlich.

Es scheint also, als hätten sich die Grünen und Teile der PDS zu früh gefreut. Die SPD wird, sollte nicht noch mehr belastendes Material über Landowsky oder die CDU auftauchen, wahrscheinlich gar nichts unternehmen. Sie kann Diepgen auch zu nichts zwingen. Am ehesten wird das CDU-Parteigericht Landowsky für parteischädigendes Verhalten rügen, das dürfte es dann aber auch gewesen sein.

Voraussichtlich wird die SPD beim Wahlkampf in zwei Jahren die Chose noch mal auf den Tisch bringen, aber die Wählerinnen und Wähler dürfte dies wohl kaum stören. Die CDU hingegen dürfte gegen ein mögliches Linksbündnis mobil machen und vom drohenden Sieg des Kommunismus faseln.

Die zu erwartende Berliner Rote-Socken-Kampagne wird aber wohl Klaus Landowsky leiten. Der Mann, der in Kreuzberg nichts als »Verwahrlosung«, »Ratten« und »Gesindel« ausmachen kann, zeigte sich letzte Woche schon wieder siegessicher, als er Parteifreunden die vermeintlich linke Hetze schilderte. Auch motzte er vorigen Freitag im Rundfunkrat des Senders Freies Berlin, der für die Sendung Kontraste verantwortlich zeichnet: »Falsch, sinnentstellend und eines Hauptstadtsenders unwürdig« sei der Bericht über ihn gewesen. Als der grüne Fraktionsvorsitzende Wieland mit Verweis auf die letzte CDU-Affäre holprig reimte: »Die Affären Landowsky und Antes, die haben was Verwandtes«, nannte Landowsky ihn eine »Dreckschleuder«. So kennen wir ihn. Der Mann bleibt Berlin noch lange erhalten.