Marsch der EZLN-Commandantes

Zurück in den Dschungel!

Das ethnische Autonomiekonzept der EZLN bietet Linken keine Perspektive.

Als das Ejército Zapatista de Liberación Nacional (EZLN) der mexikanischen Regierung am 1. Januar 1994 den Krieg erklärte, wandte sie sich damit in erster Linie gegen den Umbau des peripheren Wohlfahrtsstaates in einen nationalen Wettbewerbsstaat sowie gegen die rassistische Ausgrenzung großer Teile der Bevölkerung. Für die hiesige Soli-Linke interessant waren die Zapatistas vor allem deshalb, weil die Bewegung traditionelle linke Konzepte der Machtübernahme durch eine Strategie der schrittweisen Zersetzung des kapitalistischen Staates ersetzte. Mit ihrer Ankündigung, alle gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnisse zu bekämpfen, stand die EZLN als Befreiungsbewegung zudem für den Versuch einer antiherrschaftlichen Politik mit all ihren Widersprüchen.

Sieben Jahre nach ihrer Kriegserklärung ist jetzt eine Delegation von 23 Comandantes mit dem Subcomandante Marcos nach Mexiko-Stadt unterwegs, um den Kongress-Abgeordneten ihre Bedingungen für die Wiederaufnahme der Verhandlungen vorzutragen. Wichtiger Bestandteil des Forderungskatalogs ist die Verabschiedung einer Gesetzesinitiative über »indianische Rechte und Kulturen«, die bereits Mitte der neunziger Jahre von der damaligen PRI-Regierung vorbereitet wurde.

Nach der Abwahl der alten Staatspartei PRI und dem Wahlsieg von Vicente Fox im Juli letzten Jahres sind die Forderungen der EZLN nach mehr Demokratie und Autonomie zu einer zweischneidigen Angelegenheit geworden. Sicherlich wäre es falsch, den Zapatistas aus einer eurozentristischen Position heraus, in der die meisten über formale demokratische Rechte verfügen können, ihre Forderungen nach demokratischen Rechten oder gar direkter Demokratie zu verübeln.

Ebenso falsch aber wäre es, diese Forderungen hierzulande affirmativ zu übernehmen. Denn die Stärkung formal-demokratischer Rechte kann die Mechanismen rassistischer Ausgrenzung und sozialer Ungleichheit nicht verändern. Im Gegenteil: Der postfordistische Umbau Mexikos zum Wettbewerbsstaat basiert strukturell ebenso auf rassistischer Ausgrenzung und auf der Konkurrenz zwischen ArbeiterInnen wie vormals der periphere Wohlfahrtsstaat.

Marcos scheint sich dieser Fallstricke bewusst zu sein, wenn er in einem Brief an Präsident Fox im Dezember letzten Jahresschreibt: »Ihr Programm, ðden Indígena verschwinden zu lassen und eine Geschäftsperson zu schaffenÐ, wird auf unserem Land nicht zugelassen werden. (...) Das indigene Selbst (hat) nicht nur etwas mit Blut und Herkunft zu tun, sondern auch mit der Vision über Leben, Tod, Kultur, Land, Geschichte und Zukunft.«

Die starke Bezugnahme auf indigene Gruppen sowie die Forderung nach Autonomie mag bei der EZLN auch taktischen Erwägungen geschuldet sein, um ihren Kampf auf eine breitere Basis zu stellen; darauf lassen auch die teils widersprüchlichen Verlautbarungen schließen. Aus hiesiger Sicht muss der Rückgriff der EZLN auf die Ethnisierung der Indígenas und die Konstituierung eines »völkischen« Subjekts auf der Grundlage von Blut, Herkunft und Kultur konsequent kritisiert werden.

Anknüpfungspunkte für International-istInnen bieten die früheren antirassistischen Forderungen der EZLN gegen Diskriminierung und Ausgrenzung aus der mexikanischen Nation, wenngleich auch der positive Bezug der EZLN auf die Nation widersprüchlich ist. Die Verwechslung von Antirassismus mit einer kulturalistischen Konstruktion von Indígena-Identität durch Teile der Soli-Linken erhebt Indígena-Sein aber per se zu einer politischen Kategorie. Sie verschleiert dadurch nicht nur die Gegensätze innerhalb der indigenen Gruppen selbst, sondern verdeckt auch die Organisation ökonomischer Ausbeutung von KleinbäuerInnen und ArbeiterInnen durch rassistische Zuweisungen.

Ein falsch verstandener Antirassismus kann so der fortschreitenden Durchkapitalisierung der Welt nicht mehr entgegensetzen als die zapatistische Forderung nach Autonomie. Damit soll die kapitalistische Inwertsetzung des mexikanischen Südens verhindert werden. Der Preis dafür ist jedoch eine Idealisierung des Lebens in kleinbäuerlicher Subsistenzwirtschaft.