Sozialist gewinnt Wahlen in Paris

Die Commune lebt

Zum ersten Mal holte ein sozialistischer Kandidat bei den Bügermeisterwahlen in Paris die meisten Stimmen. Auch in der Stichwahl dürfte es für ihn reichen.

Für die französische Linke ist es ein historischer Triumph. Zum ersten Mal, seitdem die Hauptstadt über eine eigene Stadtregierung verfügt, gilt die Wahl eines sozialistischen Oberbürgermeisters als wahrscheinlich. Bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag erzielte der Sozialist Bertrand Delanoe mit 31,3 Prozent das beste Ergebnis. Für die Stichwahlen am kommenden Wochenende hat er nun gute Chancen, denn dann kann er auch auf die Stimmen des grünen Bewerbers Yves Contassot (12,4 Prozent) zählen.

Der drohende Untergang der seit über zwanzig Jahre in Paris regierenden Neogaullisten des RPR unter Jacques Chiracs ist vor allem auf die zahlreichen Korruptionsskandale der letzten Jahre zurückzuführen. In großem Umfang erhielten Unternehmen lukrative Aufträge von der Stadtverwaltung. Im Gegenzug finanzierten sie dafür neogaullistische Politiker.

Chiracs Nachfolger im Pariser Rathaus, Jacques Tiberi, wurde vom RPR als Symbolfigur der Korruptionsaffäre nicht wieder aufgestellt. Dennoch meldete er seine Kandidatur an, worauf er prompt aus der Partei ausgeschlossen wurde. Gegen ihn trat, als offizieller Kandidat der Neogaullisten, der bisherige Bürgermeister des Vogesenstädtchens Epinal, Philippe Séguin, an.

Mit 25,7 Prozent liegt Séguin nun zwar deutlich vor Tiberi (13,9 Prozent). Doch der bisherige Amtsinhaber, der im Bündnis mit dem Nationalpopulisten Charles Pasqua und dessen »Sammlung für Frankreich« (RPF) kandidierte, erzielte immerhin einen Achtungserfolg - viele hatte damit gerechnet, dass Tiberi bei den Wahlen eine vernichtende Niederlage erleiden würde. Jetzt haben die Verhandlungen um eine gemeinsame Liste zum zweiten Wahlgang begonnen. Am Montag erneuerte Tiberi sein Angebot, das Séguin in der Vorwochen noch brüsk zurückgewiesen hatte.

Sollten die Rechten nächsten Sonntag tatsächlich verlieren, so kann dies als historisches Ereignis gelten. Die französische Hauptstadt war mehr als 130 Jahre lang eine konservative Hochburg, denn seit den Tagen der Commune im Jahr 1871 gab es in Paris keinen linken Bürgermeister mehr. Die Kommunalwahlen gelten auch als Test für die Parlamentswahlen im nächsten Jahr.

Insgesamt waren in ganz Frankreich am vergangenen Sonntag 36 000 Bürgermeisterposten zu vergeben. In der Mehrzahl der Fälle steht aber heute noch nicht fest, wer sich schließlich im Chefsessel des Rathauses niederlassen darf. Wo keine absolute Mehrheit zustande gekommen ist, findet am nächsten Sonntag ein zweiter Wahlgang statt. An diesem können die Kandidaten teilnehmen, die mehr als zehn Prozent der Stimmen erhalten haben.

Mit einiger Spannung wurde auch das Abschneiden der Kandidaten von Jean-Marie Le Pen und Bruno Mégret erwartet. Der Einfluss der Neofaschisten ging in den letzten zwei Jahren nach der Spaltung der Front National (FN) kontinuierlich zurück. Mit landesweit sieben Prozent für den FN und drei Prozent für den Mouvement National-Républicain (MNR) von Mégret konnten die extreme Rechte ihr Gesamtergebnis gegenüber den Europarparlamentswahlen 1999 um ein Prozent verbessern.

Die Ergebnisse sind jedoch auf sehr unterschiedliche lokale Bedingungen zurückzuführen. Die beiden Parteien konnten wegen des Gesetzes über die Frauen-Parität nicht flächendeckend antreten. Das Gesetz lässt nur solche Listen zu, die gleich viele Frauen und Männer als KandidatInnen aufweisen. In vielen Gemeinden waren die Neofaschisten dazu nicht in der Lage.

Dort, wo nur eine der beiden Parteien antrat, erhielt sie oft zweistellige Ergebnisse. Von den vier, bisher durch die Rechtsextremen regierten südfranzösischen Städten ging die größte erwartungsgemäß verloren: In Toulon erhielt Ex-Bürgermeister Jean-Marie Le Chevallier, der den FN mittlerweile verlassen hat, noch 7,8 Prozent der Stimmen. Seine frühere Partei, die ihn unbedingt zu Fall bringen wollte, erhielt für ihren Gegenkandidaten nur 5,5 Prozent.

Hingegen wählten die knapp 30 000 Einwohner von Orange den FN-Bürgermeister Jacques Bompard mit 60 Prozent der Stimmen schon im ersten Wahlgang wieder. Zugleich ist der rechtsextreme MNR in Marignane (47,8 Prozent) und Vitrolles (39,1 Prozent für Catherine Mégret) gut für die Stichwahl plaziert.

In einigen Orten traten ehemalige Neofaschisten im Bündnis mit bürgerlich-konservativen Politikern an, wie beispielsweise in Rillieux-la-Pape und Saint-Priest in der Nähe von Lyon. Hier gewannen jedoch die von Sozialisten geführten Linkskoalitionen bereits im ersten Wahlgang.

In Lyon selbst kandidierte der Rechtskonservative Charles Millon, der 1998 als Präsident der Region Rhìne-Alpes die Stimmen der Neofaschisten akzeptiert hatte und deswegen aus der liberal-konservativen UDF ausgeschlossen wurde, gegen den bürgerlichen Kandidaten Michel Mercier. Dabei erhielt Millon stolze 23,1 Prozent und lag damit nur etwa ein Prozentpunkt hinter Mercier.

Ein zweifellos erfreulicheres Phänomen ist die deutliche Zunahme der Listen, die von jungen, politisch selbstbewussten Nachkommen der algerischen und marokkanischen Immigranten angeführt werden. Das prominenteste Beispiel ist die Liste Motivés, die durch die populäre linksalternative Musikgruppe Zebda in Toulouse lanciert wurde. Sie erhielt 12,4 Prozent der Stimmen und will nun im zweiten Wahlgang das Bündnis aus Sozialisten, Grünen und KP unterstützen. Die beiden getrennt angetretenen trotzkistischen Parteien LCR und LO erzielte in einigen Kommunen Ergebnisse zwischen fünf und zehn Prozent. In einigen Fällen, vor allem in der Pariser Banlieue, überschritt sie sogar die Zehn-Prozent-Grenze.