Schily fordert EU-Grenzpolizei

Deutsche Sicherheit

Wie heißen Rechtssicherheit und Innere Sicherheit auf Englisch, Französisch oder Polnisch? Auf das ausgeprägte deutsche Sicherheitsbedürfnis müssen sich im Zuge der europäischen Einigung auch die Nachbarländer einstellen.

Einen Vorgeschmack hat Innenminister Otto Schily seinen EU-KollegInnen am vergangenen Donnerstag gegeben. Er schlug vor, langfristig die Außengrenzen der Festung Europa von einer EU-Polizeitruppe sichern lassen. Das Vorhaben verrät nicht nur die Überzeugung des SPD-Mannes, der das Boot immer für zu voll hält. Es entspricht auch der paternalistischen Haltung Deutschlands gegenüber den Beitrittskandidaten. So warnt Schily gleichzeitig davor, Polen oder Slowenien mit der Überwachung der dann weiter nach Osten verlagerten EU-Außengrenzen zu »überfordern«. Stattdessen will er lieber Grenzschutzbeamte aus verschiedenen Mitgliedsländern gemeinsam ausbilden und patrouillieren lassen. Da kann dann die deutsche Kollegin dafür sorgen, dass der slowenische Zollbeamte nicht beim Anblick einer afghanischen Flüchtlingsfamilie schwächelt und die Einreise genehmigt.

Zumal die deutschen GrenzschützerInnen bis dahin ja nicht aus der Übung kommen werden: Bei der Feier zum fünfzigsten Geburtstag des Bundesgrenzschutzes betonte der Innenminister, auch an den Binnengrenzen der Union seien »illegale Einwanderung und grenzüberschreitende Kriminalität« zu bekämpfen.

Die Idee, die Polizei der neuen EU-Mitglieder dann gleich an die Hand zu nehmen, ist konsequenter als der italienische und britische Versuch, durch den Einsatz einer gemeinsamen Polizeitruppe in Bosnien und Kroatien die beliebtesten Einreiserouten zu schließen. Was Schily natürlich auch schon begrüßt hat.

Aber während die anderen bemüht sind, ein kleines Loch in der Festungsmauer zu stopfen, kümmert er sich mit deutscher Gründlichkeit um eine Rundumverstärkung, indem er die Randstaaten auf seine Sicherheitsmaßstäbe einschwören und ihnen Ausbildungs- und Ausrüstungsstandards vorschreiben will.

Schließlich ist die illegale Einwanderung das Schreckgespenst, gegen das Deutschland seit Jahren ankämpft: mit finanziellen Hilfen für die technische Aufrüstung der Grenzschützer in Ungarn und Polen, mit Europol und dem »Schengen Informations System«, das von Deutschland besonders gerne genutzt wird. Vorläufig letztes Glied in dieser Reihe ist der Versuch, Fluggesellschaften und Busunternehmen per EU-Richtlinie zu Passkontrollen zu verpflichten.

Ganz dem Stil der rot-grünen Regierung entsprechend schafft es Schily auch noch, neben seinen Hardliner-Forderungen humanitäre Gesinnung und Geschichtsbewusstsein vorzutäuschen. In der Diskussion um den Umgang mit so genannten Schleusern beharrt Deutschland zwar auf zehn Jahren Gefängnis als Höchststrafe für Menschenschmuggel. Die Forderung nach Straffreiheit für humanitäre Organisationen, die Flüchtlingen über Grenzen helfen, wollte Schily aber nicht prinzipiell abtun - im Gegenteil, mit dem Verweis auf Nazizeit und DDR-FluchthelferInnen heuchelte er Verständnis für den Vorschlag der skandinavischen Länder und der Niederlande: »Wenn es heute Länder gibt, die menschenrechtswidrige Praktiken haben, kann man jemanden, der einen Menschen aus dieser Situation herausholt, dafür nicht bestrafen.« Allerdings müssten diese Sonderregelungen »hieb- und stichfest« ausformuliert werden.

Ebenso hieb- und stichfest wahrscheinlich, wie das Auswärtige Amt mit seinen Lageberichten die »sicheren« Herkunftsländer bestimmt. Sicherheit ist eben auch unter Rot-Grün Definitionssache. Und die Definition lässt sich Schily nicht nehmen.