Landtagswahlen in Wien

Denkhilfe für den Mob

Seit dem Beginn der blau-schwarzen Koalition bemühen sich die Schönschreiber der Republik, die internationale Kritik an der Regierung und ihrer Massenbasis als Nazi-Hysterie abzutun. Und dann das: Die FPÖ und ihr »einfaches Parteimitglied« Jörg Haider führten in den vergangenen Wochen vor, wie man mit Antisemitismus in Österreich Wahlkampf betreiben kann.

Zunächst schien die Rechnung der in der Bundeshauptstadt regierenden SPÖ aufzugehen. Der vorgezogene Wahltermin traf die FPÖ unvorbereitet. Der skandalöse Abgang ihres Spitzenkandidaten Hilmar Kabas und die unpopulären Sparmaßnahmen im Sozialbereich ließen die FPÖ in Umfragen von 28 auf unter 20 Prozent rutschen.

Die Reaktion folgte prompt. Anstelle des glücklosen Kabas wurde mit Helene Partik-Pablé eine altgediente Funktionärin in den Ring geschickt. Vermutlich schien sie wegen ihrer bekannten rassistischen Slogans besonders für die Spitze der rabiatesten FPÖ-Landesgruppe qualifiziert. »Schwarzafrikaner schauen nicht nur anders aus, (...) sondern sie sind auch anders, und zwar sind sie besonders aggressiv«, erklärte sie vor zwei Jahren.

Dass Rassismus zum zentralen Wahlkampfinhalt der FPÖ wurde, konnte da niemanden überraschen. Im Unterschied zum Nationalratswahlkampf 1999, als die Wiener FPÖ »Stop der Überfremdung« forderte, beschränkte sie sich diesmal aber auf Andeutungen. Die Kampfbegriffe »Ausländer« und »Kriminalität« ließen die FPÖ-StrategInnen einfach für sich sprechen, den rassistischen Reim macht sich das Publikum mittlerweile selbst. Die Warnung vor Rot-Grün wollte beim Mob hingegen nicht so recht ankommen. Der erhoffte Popularitätsgewinn blieb zunächst aus.

Also musste der Kärntner Landeshauptmann zu Hilfe eilen. Und Haider wusste, wie seine Wähler zu mobilisieren sind. Auf einer Wahlveranstaltung Ende Februar tönte er unter dem Gejohle des Mobs: Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl »hat einen Wahlkampfstrategen, der heißt Greenberg. Den hat er sich von der Ostküste einfliegen lassen. Liebe Freunde, Ihr habt die Wahl, zwischen Spindoctor Greenberg von der Ostküste oder dem Wienerherz zu entscheiden.«

Dass die »Ostküste« als Synonym für das »Weltjudentum« zu verstehen ist, wissen die ÖsterreicherInnen spätestens seit 1986, als die ÖVP ihren Präsidentschaftskandidaten Kurt Waldheim zum Opfer eben dieser finsteren Macht stilisierte.

Knapp eine Woche später begann Haider mit seinen Attacken auf Ariel Muzicant, den Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Seine Rede am Politischen Aschermittwoch gipfelte in jenem Wortspiel, das die FPÖ und ihre konservativen KollaborateurInnen heute als »scherzhaft« bezeichnen: »Ich verstehe nicht, wie jemand, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann.«

Was Haider unter »Dreck« versteht, erläuterte er umgehend. Einerseits betreibe Muzicant als »Immobilienspekulant« undurchsichtige Geschäfte, andererseits sei er für die Schulden der IKG verantwortlich. Vor allem aber sei der »zugewanderte« Jude »kein patriotischer Österreicher«, im Verbund mit dem World Jewish Congress habe er Österreich »vernadert«, ja ihm sogar »den Krieg erklärt«. Daher »taugt er nicht für die Demokratie« und ... Diesen Satz muss der Mob noch selbst fertig denken. Schließlich soll sich der IKG-Präsident, so sieht es Haider, die zahlreichen Drohbriefe der letzten Zeit »selbst geschrieben« haben.

Der Erfolg der Hetze schien zunächst nicht lange auf sich warten zu lassen: Die FPÖ legte wieder zu und rangierte in den Umfragen bei rund 24 Prozent. Dass sie mit knapp 20 Prozent dann doch ein derartiges Debakel einfuhr, liegt wohl daran, dass die Unzufriedenheit mit dem rigiden Sparkurs der Regierung diesmal das antisemitische und rassistische Motiv in den Hintergrund drängte.