Gentechnologie in Italien

Hexenjäger und Maschinenstürmer

Italienische Wissenschaftler sehen die Freiheit der Gen-Forschung bedroht.

Auch in Italien müssen grüne Minister schnell einsehen, dass der Spaß aufhört, sobald sie sich an die Gentechnologie wagen. Als der grüne Landwirtschaftsminister Alfredo Pecoraro Scanio es sich einfallen ließ, per Dekret die Aussaat genmanipulierter Pflanzen zu Forschungszwecken zu verbieten, nicht aber die Laborexperimente, wollte er wohl vor allem bei seinen Wählern Eindruck schinden. Denn Italiens Grüne haben aus der Gentechnologie eines ihrer Hauptthemen gemacht.

Der Minister ahnte nicht, was er damit auslösen sollte. Rund 1500 Wissenschaftler unterschrieben flugs einen flammenden Protestbrief für die »Freiheit der Forschung«, feierten die Gentechnologie als »achten Tag der Schöpfung« und ließen sich Mitte Februar im Gegensatz zu ihren Gewohnheiten sogar zu einer Straßendemonstration vor dem Parlament herab.

Einer Delegation verkündete Ministerpräsident Giuliano Amato die Rücknahme des Dekrets, während eine andere Delegation beim Oppositionsführer Silvio Berlusconi vorsprach. In den Medien brach Jubel über den »Sieg der Wissenschaftler« aus, und der unkluge Minister sah sich von all seinen Regierungskollegen im Stich gelassen. Hatte er doch angeblich die Finanzierung der Gentechnologie zugunsten der biologischen Landwirtschaft vernachlässigt, und die ist, wie La Repubblica notierte, »per Definition eine Wiederholung von Früherem und braucht die Hilfe der Wissenschaft nicht«.

Wenn man den italienischen Wissenschaftlern glaubt, sind sie die am meisten misshandelte gesellschaftliche Gruppe. Mit ihrer öffentlichen finanziellen Förderung in Höhe von einem Prozent des Bruttosozialprodukts erhalten sie weniger als die Hälfte dessen, was andere europäische Länder ausgeben. Zudem fließt die private Finanzierung nur spärlich. Vor allem aber, so klagen sie, werde die öffentliche Meinung von »Obskurantisten« beherrscht. Die Wissenschaftler sehen sich einer doppelten »Verbotskultur« von Linken und Rechten ausgesetzt: Die Grünen wollen nichts von genmanipulierten Lebensmitteln wissen, und die Kirche verurteilt die Stammzellenforschung.

Die 90jährige Medizinnobelpreisträgerin Rita Levi-Montalcini, die unter anderem für ihre Meinung bekannt ist, Drogensucht sei ein genetisches, kein soziales Problem, beschimpfte den Minister, der doch gerade die öffentlichen Mittel für die Genforschung erhöht hatte, gar als »neoluddistischen« Maschinenstürmer.

In einem Interview mit La Repubblica schreckte sie nicht davor zurück, selbst zaghafte Kontrollen mit Hitlers »arischer Wissenschaft« und dem sowjetischen Biowissenschaftler Trofim Lyssenko auf eine Stufe zu stellen. Multinationale Konzerne? Die meisten Wissenschaftler wissen nicht einmal, was das ist. Rinderwahn? Damit hat die Wissenschaft doch nichts zu tun. Die Lösung? Selbstkontrolle der Wissenschaftler. Aber warum schlägt sie das nicht auch für die Mafia vor?

Die »Revolte der Wissenschaftler« wurde vom Laizistischen Observatorium organisiert, das Berlusconi nahe steht. Nach dem unvermeidlichen Verweis auf das Zurückbleiben Italiens im internationalen Vergleich argumentieren die Apologeten der Gentechnik vor allem mit der »Denkfreiheit«, die es gegen eine »Hexenjagd« und eine erneute Verurteilung Galileis zu verteidigen gelte.

Groteskerweise kommen solche Vorwürfe von katholischen Wissenschaftlern, die gleichzeitig jede Vorschrift des Vatikans akzeptieren. Denn was die Diskussion zur fälschlicherweise so genannten Bioethik in Italien von der in anderen Ländern unterscheidet, ist die zwiespältige Rolle der Kirche. Diese weist jeden Vorwurf zurück, sie sei etwa gegen den Fortschritt und die medizinische Forschung. So mochte der Vatikan sich auch nicht generell gegen die künstliche Befruchtung stellen. Aber bitte nur für verheiratete Paare, und nicht für alleinstehende Frauen oder gar Homosexuelle.

Die Linke reagierte vergangenes Jahr prompt und propagierte mit einer Kampagne das Recht aller auf künstliche Befruchtung, ohne jedoch die Berechtigung dieser Beschlagnahme der Lebensgrundlagen durch die Wissenschaft in Frage zu stellen.

Keine Angst vor katholischen Prüderien oder vor der Diktatur des Marktes zeigen derzeit vor allem die regierenden Linksdemokraten (DS) und der Ministerpräsidentschaftskandidat Francesco Rutelli. Der ehemalige Grüne gilt auch bei Biotech-Fanatikern wie Levi-Montalcini als zuverlässiger Freund.

Auch im Alltag ist von der angeblich in Italien um sich greifenden »antiwissenschaftlichen Mentalität«, vor der bei jeder Gelegenheit gewarnt wird, noch nicht viel zu merken. Hysterische Spendenkampagnen im Fernsehen für die Erforschung genetischer Krankheiten (»Telethon«) finden großen Zuspruch. Und bei den letzten Regionalwahlen wurde ein Gynäkologe, der mit der Forderung antrat, »Retortenbabys für alle«, mit großer Mehrheit gewählt.

Für den Organverpflanzer Raffaello Cortesini, der dem Vatikan nahe steht, ist das keine Beruhigung: »Vor lauter Richtern und Tierschützern kann man in Italien nicht mehr arbeiten. Bald werden sie uns auf den Scheiterhaufen schicken. Ich gedenke, nach Amerika zu gehen.«