Neonazi-Demonstration gegen Castor-Transporte

Sauberes Wendland

Rechte Unterwanderungsversuche der Anti-Castor-Bewegung waren bisher erfolglos. Dennoch wollen Neonazis im Wendland demonstrieren.

Atomtransporte sind nicht nur, wie man gemeinhin glaubt, für Linke, gewaltfreie Bürgerbewegte oder versprengte Grüne ein Problem. Auch militante Neonazis riefen zu den Anti-Castor-Protesten ins Wendland. Als es in der vorigen Woche schließlich zur Sache ging, tauchten jedoch nur vereinzelte Nazis auf. »Es gab mehrere Aufrufe von Rechts gegen den Castor, doch nirgends haben sie sich an den Aktionen beteiligt«, erklärt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Auch der Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Rüdiger Hesse, sagt, dass es zwar »gemeinsame Aufrufe von Freien Nationalisten (FN) und Jungen Nationaldemokraten (JN) gegen den Atomtransport« gab. Doch »die braunen Horden«, so Hesse, seien nicht erschienen, was ihnen wohl auch nicht »gut bekommen« wäre.

Nun wollen die Rechten nachholen, was sie versäumt haben. Am Samstag planen norddeutsche Neonazis einen Aufmarsch in Uelzen gegen den »Castor« und die »linke Gewalt bei Transporten«. In der Lüneburger Heide sind die JN, aber auch die Kameradschaften der FN oder der Hammerskins äußerst aktiv. Neben dem Verlag des Zentralorgans sind in der Region beispielsweise der Zentralversand oder das Amholzer Schulungszentrum angesiedelt.

Seit Wochen propagieren die JN und die Freien Nationalisten aus Lüneburg und Uelzen im Internet eine Einheitsfront mit dem »friedlichen« Anti-AKW-Widerstand im Wendland. Die Bremer FN zum Beispiel stellten extra für diesen Zweck eine Aktionsseite namens »Contra Castor, denn unter die Erde gehört nur das System« ins Web, auf der sie Zeitungsartikel und Presseerklärungen dokumentieren. Die Cross-Over-Strategie mussten die Bremer Neonazis ihren Kameraden aber erst noch erklären: »Nach längeren Überlegungen« habe man sich dazu entschlossen auch »Artikel der Anti-AKW Bewegung sowie der System-Medien zu veröffentlichen«, da das »Thema wichtiger« sei als das Personal. »Hauptsache (man) demonstriert gewaltfrei-friedlich«. Schließlich geht es um die Sache. Denn »Umweltschutz ist Heimatschutz!«

»Dieser Gedanke wird zweifellos von sehr vielen Castor-Gegnern getragen, die in der betroffenen Region leben und deren Familien oft schon seit Generationen dort ansässig sind«, glaubt Benjamin Poleck, der Anmelder des Aufmarsches und »Stützpunktleiter« der JN-Hannover. Viele würden sich gegen die »Verseuchung des Grund und Bodens durch den Atommüll, die vor allem ihre Nachfahren trifft«, wehren und seien »zukunftsgewandt und bodenständig«. Ganz anders als die »zugereisten gewalttätigen Linkschaoten«, die den »berechtigten Protest« nach und nach unterwandert und »zur Spielwiese für ihre pseudopolitische Auseinandersetzung mit dem System gemacht« hätten.

Die Hoffnungen der Jungen Nationaldemokraten und der Freien Nationalisten, von der Anti-AKW-Bewegung akzeptiert zu werden, beruhen auf historischen Erfahrungen der extremen Rechten mit der Ökologiebewegung. Schon in der sich um 1871 formierenden Natur- und Heimatschutzbewegung konkurrierten emanzipatorische und völkische Ökologiekonzepte miteinander. Im 19. Jahrhundert trieb die Furcht vor der vermeintlichen Entwurzelung des Menschen in der modernen Gesellschaft und vor der Zerstörung der Natur durch die Industrialisierung sowohl Linke als auch Rechte um; in den meisten Gruppen der Lebens- und Reformbewegungen dominierten jedoch bald die völkischen Konzepte.

Vor allem die so genannte Lebensphilosophie von Oswald Spengler und Ludwig Klages hatte großen Einfluss auf die ökologische Bewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Spengler und Klages negierten die Visionen der Aufklärung von Emanzipation und Egalitarismus und propagierten die Idee eines »organischen Staates«, in den sich der einzelne Mensch entsprechend seiner Natur einzuordnen habe.

Die Parole »Naturschutz ist Heimatschutz« verkündeten rechte Ökologen schon damals. Nur durch die Wiederherstellung der »traditionellen« Wirtschafts- und Gesellschaftsverhältnisse könnten Blut und Boden, Volk und Heimat vor schädlichen Einflüssen geschützt und bewahrt werden.

Getreu dieser ökologischen Tradition propagierten auch in den achtziger Jahren militante Neonazis den Ausstieg aus der Atomenergie. Unter der Parole »Deutschland erwache, gegen den Atomstaat« versuchten sie, den Protest gegen das AKW-Brokdorf zu unterwandern. In Kampfmontur erschien die Wehrsportgruppe Hoffmann vor dem Atommeiler in der Wilster Marsch, um gegen die genetische Verunreinigung des arischen Blutes durch Atomstrahlen zu streiten. Damals blieben die Neonazis allerdings isoliert.

Auch im Wendland findet die Allianz von JN und FN, die darüber klagen, das »deutsche Volk« stecke im »Würgegriff der internationalen Atomlobby« und die Regierung kapituliere vor der »Globalisierungsmafia«, bisher keine Zustimmung: »Die Nazis wissen, dass wir uns ihnen genauso konsequent entgegenstellen, wie wir uns bei dem Castor x-mal querstellen«, sagt BI-Sprecher Ehmke. Dennoch gab es in Dannenberg einen Zwischenfall, der Aufsehen erregte. Am Sonntag vor dem Transport rasten zwei Neonazis mit ihrem Auto, an dem eine Reichskriegsflagge befestigt war, in eine Anti-Atom-Demonstration und verletzten einen Demonstranten schwer. Die FN distanzierten sich von ihren Kameraden: Die beiden seien »asoziale Trunkenbolde« und »Subjekte«, die gern vom »BRD-Inlandsgeheimdienst als Provokateure angeworben« würden.

Derartige Aktionen passen natürlich nicht in das Bild, das die Anti-Atom-Nazis vermitteln wollen: ordentlich und »gewaltfrei« für ein sauberes Vaterland. Vielleicht können die Neonazis den einen oder anderen in der Region trotzdem auf ihre Seite ziehen, wenn sie am Samstag durch Uelzen marschieren. Geschützt übrigens vom selben Demonstrationsrecht, das während der letzten Tage im Wendland bei den Anti-Castor-Aktionen weitgehend außer Kraft gesetzt war.