FTAA-Gipfeltreffen in Quebec

Kein Drink für Castro

Lediglich ein amerikanischer Staatschef wollte am vergangenen Wochenende das Vorgehen der kanadischen Polizei verurteilen. Fidel Castro sprach den »heroischen Demonstranten« gegen den Gipfel in Quebec seinen Respekt aus. Während der bis Sonntag dauernden Konferenz wurden Einzelheiten der für das Jahr 2005 geplanten Amerikanischen Freihandelszone (FTAA) besprochen (Jungle World, 17/01).

Castro war nicht zur Konferenz eingeladen worden, denn eine Klausel der FTAA-Vereinbarungen legt fest, dass nur Demokratien von den Wohltaten des Freihandels profitieren sollen. Als einzigem amerikanischen Staat wurde Kuba dieses Etikett nicht zuerkannt. »Es ist paradox, Lektionen vom Außenminister einer Regierung zu bekommen, die heute auf den Straßen von Quebec die Stimmen eines wichtigen Segments seiner Bevölkerung brutal unterdrückt«, kommentierte das kubanische Außenministerium.

Dem wichtigen Segment gelang es, unterstützt von Delegationen aus den USA und anderen amerikanischen Staaten, die Eröffnungszeremonie des Treffens der Regierungschefs aus 34 Ländern um neunzig Minuten zu verzögern. Während im Kongressgebäude die Drinks bereitet wurden, machten es sich an dem drei Kilometer langen Sicherheitswall zu schaffen, der rund um das Areal errichtet worden war. Mehrere Hundert Entschlossene rissen das drei Meter hohe Gebilde aus Beton und Draht auf einer Breite von 150 Metern nieder und attackierten die Sicherheitskräfte. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein.

US-Außenminister Colin Powell verglich die Proteste mit den Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg: »Ein alter Infanterist erinnert sich immer daran, wie Tränengas und Marihuana riechen, wenn man in die Kaserne geht.« Ihm und anderen Kongressteilnehmern wurde zwar mehr Luxus geboten als in einer Kaserne, doch tagten sie tatsächlich in einem militärisch abgesicherten Sperrgebiet. Insgesamt waren zum Schutz des Gipfeltreffens etwa 6 700 Polizeibeamte und 1 200 Soldaten im Einsatz.

Vorher schon hatte man sich bemüht, die Anreise der DemonstrantInnen zu behindern. Beim Versuch, die Grenze zu überqueren, wurden einige als gewalttätig eingestufte US-AktivistInnen vorübergehend in Gewahrsam genommen. Dabei zeigten sich die eifrigen Grenzbehörden ebenso aktenkundig wie nachtragend. So wurde ein Gewerkschafter festgehalten, weil er 1971 bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg verhaftet worden war.

Dennoch erreichten mehr als 30 000 Protestierende ihr Ziel. Sie wurden nachdrücklich über den Charakter der Demokratie belehrt. Am Samstag mehrten sich nach Angaben des alternativen Medienzentrums Cmaq brutale Übergriffe der Ordnungsmacht. Einer der Hauptorganisatoren der Protestaktionen sei von einem zivilen Polizeikommando »in einer unbelebten Straße regelrecht gekidnapped« worden, erklärte die anarchistische Gruppe Nefac.

Andererseits gaben sich viele der versammelten Staatschefs einmal mehr dialogbereit und kritisch gegenüber den sozialen Gefahren des Freihandels. Und während ein antikapitalistischer Flügel der Protestbewegung auf Transparenten zu einer »revolutionären Offensive« aufrief, betonten andere ihre Kompromissbereitschaft. »Wir haben jetzt unsere eigenen detaillierten Alternativen entwickelt«, erklärte John Cavanagh, einer der Organisatoren der Proteste, »und wir wollen jetzt einen Dialog.«