Europäische Initiative für die Biotechnologie

Lebende Computer

Die EU will die Biotechnologie stärker fördern - sehr zur Freude der Pharmaindustrie.

Die Biotechnologie gilt als Schlüsselindustrie der Zukunft, in der die USA dominieren. Das könnte bald anders werden, denn mit der bEurope-Initiative der Brüsseler EU-Kommission soll auch Europa an diesenTrend angeschlossen werden.

Die Europäische Föderation der pharmazeutischen Industrie (Efpia) begrüßte kürzlich jedenfalls die Ankündigung der Kommission, mit der Inititiative bEurope die neue Technologie auf dem alten Kontinent zu etablieren. Das b steht dabei für Biotechnologien. Der Vorschlag der Kommission nehme die tatsächlichen Belange der europäischen Biotech-Firmen auf, freute sich der Verband. »Unsere Industrien sind darauf vorbereitet«, erklärte Erik Tambuyzer, Vorsitzender des europäischen Dachverbandes der Biotechindustrie EuropaBio, »die technologische Lücke zwischen Europa und anderen Teilen der Welt auf dem Gebiet der Biowissenschaften zu reduzieren«.

Die Kommission will mit ihrem Vorstoß eine strategische Vision für die Biotechnologien entwickeln. Die Strategie soll unter anderem Vorgaben für den Gesundheits- und Umweltschutz enthalten, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit fördern, den Zugang zu Krediten und Beteiligungskapital erleichtern sowie die Forschung unterstützen. Nicht zuletzt möchte man auch die öffentliche Meinung einbeziehen, ethische Fragen sowie der gesellschaftliche Nutzen der Biotechnologie sollen im Rahmen der Initiative ebenfalls diskutiert werden. Ende 2001 soll dem Rat und dem Europäischen Parlament die Vision vom künftigen Bio-Europa vorgelegt werden.

Wie ein solche Diskussion gestaltet werden könnte, lässt eine Gesprächsrunde bereits ahnen, die die Kommission Ende März ins Leben rief. Dort dürfen Vertreter der Pharmaindustrie mit der deutschen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt darüber sprechen, wie die Bedürfnisse von »Industrie und Patienten« koordiniert werden können. Nachdem auch das Europäische Parlament Mitte März mit dem so genannten Purvis-Bericht über die Zukunft des Biotechnologie-Sektors eine - wie es EuropaBio ausdrückte - »stärkere EU-Unterstützung für die Biotechnologie-Industrie« forderte, steht der Entwicklung von bEurope nun nichts mehr im Weg. Positiv vermerkte der Verband ebenfalls, dass der Rat in dem Bericht aufgefordert wurde, das Thema Biotechnologie auf die Tagesordnung des Stockholmer EU-Gipfels zu setzen.

Die schwedische Präsidentschaft machte diesen Hinweis sogleich zur Chefsache. Ende März beschloss der Rat in Stockholm, ein gesetzliches Rahmenwerk für die EU-Biotechnologiefirmen vorzubereiten, das Innovation und Risikobereitschaft fördere. Außerdem sei ein in der gesamten EU gültiges Regelwerk zum Schutz geistigen Eigentums nötig. Ein Vorschlag der Kommission für die Einführung eines EU-Patentes liegt dem Europäischen Parlament bereits vor und soll noch vor der Sommerpause im Rechtsausschuss diskutiert werden.

Mit der bEurope-Initiative greift die Kommission das zweite Anliegen der schwedischen Präsidentschaft auf. »Die Kommission wird gemeinsam mit dem Rat Maßnahmen prüfen, die notwendig sind, um das volle Potenzial der Biotechnologie nutzbar zu machen«, forderte der Rat in Stockholm. Und EuropaBio kommentierte erfreut: »Der Stockholm-Gipfel sieht Biotechnologie als Priorität.«

Bereits zu Beginn der schwedischen Präsidentschaft hatte EuropaBio gemeinsam mit den Schweden zu einer Veranstaltung geladen.Der Dachverband repräsentiert dabei die Großen der Biotechnologie-Industrie wie etwa BASF, Boehringer, DuPont, Hoffmann-La-Roche, Schering, GlaxoSmithKline oder Unilever.

Sowohl für EuropaBio als auch für Rat und Kommission gilt bEurope als zweites Großprojekt neben einer bereits im letzten Frühjahr angelaufenen eEurope-Initiative der portugiesischen Präsidentschaft. Das e ist eine Abkürzung für elektronische Kommunikationstechnologien. Der für Unternehmen und Informationsgesellschaft zuständige finnische Kommissar Erkki Liikanen betonte: »Biowissenschaften und Biotechnologie gelten als Basis für einige der vielversprechendsten innovativen wissensbasierten Wirtschaftszweige des 21. Jahrhunderts. An ihnen soll demonstriert werden, wie (...) Europa zur wettbewerbsfähigsten und dynamischten wissensbasierten Wirtschaft der Welt« gemacht werden könne.

Wie könnte ein eb-Europa der Zukunft aussehen? Die »eEurope-Initiative« will »jeden Bürger, jeden Haushalt und jede Schule, jedes Unternehmen und jede Verwaltung ins digitale Zeitalter und ans Netz« führen und ein »digital mündiges Europa« schaffen. eEurope soll dabei »gewährleisten, dass der Gesamtprozess alle Schichten erfasst, das Vertrauen der Verbraucher gewinnt und den sozialen Zusammenhalt stärkt«. Ähnliche Zielvorstellungen finden sich ebenfalls für die Etablierung des künftigen bEurope wieder. Es gilt ebenfalls die Maxime, alle Lebensbereiche zu erfassen und biotechnologisch zu verändern.

Doch in keiner dieser Initiativen werden bisher die offensichtlichen Verbindungen zwischen Informationstechnologie und Biotechnologie thematisiert. Dabei sind Bio-Computer, Bio-Chips oder DNA-Chips bereits Forschungs- und Industriealltag. Die Zusammenführung von digitalen und biologischen Prozessen ist möglich, weil beide auf der Kodierung, Verarbeitung und Speicherung von Daten, also Informationen, beruhen.

Biocomputer, die zur Zeit an verschiedenen Forschungsinstituten entwickelt werden, führen ihre Rechenleistungen auf lebender DNA statt mit Hilfe von Mikrochips durch. Damit werden informationstechnologische Operationen auf genetischer Basis möglich. Die Rechenleistung eines Bio-Computers gilt als ungleich höher als die der Mikrochip-Variante. Die Verbindung von Informations- und Biotechnologie könnte neben völlig neuen ethischen Fragen auch neue Sicherheitsaspekte schaffen: Die »lebenden« Bio-Computer sind beispielsweise so konstruiert, dass sie ihre DNA analog zur Zellteilung eines Lebewesens reproduzieren können und damit zu einer sich immer wieder neu konstruierenden Informationstechnologie werden.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Produktion und Anwendung von Biochips bald Industriealltag sein kann. Im Juni findet in München zu diesem Thema bereits eine entsprechende EuroBioChips-Konferenz statt. Auch DNA-Chips können als bioinformatisches Instrumentarium für Gentests in absehbarer Zukunft zum Massenmarkt werden.