Arabische Staaten gegen Israel

Mubaraks Schlingerkurs

Nach dem israelischen Angriff auf eine syrische Radarstation halten die arabischen Staaten an ihrem Feindbild Sharon fest. Auch Ägypten sieht keine Perspektive mehr für neue Friedensverhandlungen.

Ausnahmsweise waren sich Politiker und Medienvertreter in Israel und der arabischen Welt einig: Seit dem Osterwochenende droht der Dauerkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern sich zu einem regionalen Krieg zu entwickeln. Der jüngste israelische Luftangriff auf eine syrische Radarstation im Libanon zieht die politische Führung in Damaskus mitten in den Nahostkonflikt hinein.

Die Vergeltungsaktion für den Raketenbeschuss der pro-iranischen Hisbollah-Miliz auf einen israelischen Panzer im Gebiet der Shabaa-Farmen war der erste militärische Schlag gegen syrische Truppen im Libanon seit fünf Jahren. Dieses umstrittene Territorium wird seit dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon im Mai letzten Jahres im Einverständnis mit der Uno von Israel beansprucht. Den von Beirut und Damaskus unterstützten radikal-islamistischen Gotteskriegern ist das israelische Festhalten an den Höfen im Dreiländereck zwischen dem Libanon, Syrien und Israel nach wie vor ein Dorn im Auge. Bereits mehrfach hatten sie die Farmen ins Visier genommen.

Der Aufschrei der Empörung in den arabischen Staaten war groß. Dabei hatte Israel bereits zu Beginn des Jahres der US-Regierung die Absicht mitgeteilt, syrische Militäreinrichtungen zu attackieren, falls die Angriffe der Hisbollah nicht aufhören sollten. Mit seinem harten Kurs gegenüber Syrien hat sich Israels Premierminister Ariel Sharon jedoch nur noch mehr Feinde geschaffen und die zerstrittenen arabischen Staaten enger zusammenrücken lassen. Der israelische Angriff löste eine Welle der arabischen Solidarität mit Syrien aus.

Die politische Führung in Damaskus propagierte eine Wiederaufnahme des Wirtschaftsboykotts der arabischen Staaten gegen Israel und forderte offen die finanzielle Unterstützung der palästinensischen Intifada. Die staatliche syrische Tageszeitung Tishrin bezeichnete das israelische Vorgehen als »neue Ära der Provokation, des Extremismus und des Rassismus, angeführt vom Terroristen Sharon«. Israel werde den Angriff teuer bezahlen, drohte Syriens Außenminister Faruq el-Shara. Die Arabische Liga bezeichnete Sharon als Kriegsverbrecher und warnte ihn davor, die Region »an den Rand des Abgrunds« zu bringen.

Und auch Ägyptens Präsident Mubarak kritisierte Sharon erstmals öffentlich nach dessen Amtsantritt. Die Angriffe seien »eine falsche Politik«. Man sei bislang vorsichtig mit jeder Art von Erklärung gewesen, aber jetzt zeige sich das wahre Bild, tönte der Staatschef. In der ägyptischen Presse firmiert Sharon nur noch als »Schlächter von Beirut«, eine Anspielug auf seine Rolle beim Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon 1982.

Durch den jüngsten israelischen Militärangriff sehen sich die arabischen Staaten in ihrem seit Wochen in täglicher Propaganda gepflegten Feindbild bestätigt, dass sich Sharons Politik nicht geändert hat und nicht ändern wird. All das stärkt die radikal-islamistische Hisbollah sowie die Hamas, die aus der Zuspitzung des Konflikts politisches Kapital schlagen und die ins Stocken geratenen Friedensbemühungen weiter torpedieren. Ungeachtet der jüngsten Anordnung Arafats an die Hamas-Führung, die Mörsergranatenangriffe auf israelisches Territorium zu unterlassen, erklärte Hamas-Sprecher Ismail Abu Shanab, seine Organisation werde den bewaffneten Widerstand so lange aufrecht erhalten, bis sich Israel aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurückziehe. So schlugen am vergangenen Donnerstagabend erneut Granaten in Israel ein.

Die Hamas hatte bereits Anfang April im Gaza-Streifen über die Grenze hinweg einen Kibbuz mit fünf Mörsergranaten beschossen. Als die Attacken anhielten und auch die südisraelische Ortschaft Sedorot erfassten, nahm die israelische Armee Einrichtungen der palästinensichen Sicherheitskräfte im Gaza-Streifen unter Beschuss. Panzer und Bulldozer rückten mehrfach in das von der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) kontrollierte Territorium bei Beit Hanoun, nördlich von Gaza-Stadt, vor.

Die Weigerung der Hamas, dem Befehl Arafats Folge zu leisten, wirft ein Schlaglicht auf das unklare Verhältnis der PA zu den militanten Islamisten. Während deren Sprecher Shanab es als »weiterhin gut« bezeichnete, wies Arafat den israelischen Vorwurf zurück, er unterhalte Beziehungen zur Hamas, und bestritt, deren Aktionen zu kontrollieren. Nach israelischen Medienberichten soll Arafat inzwischen Mitglieder der Hamas, die für den Granatenangriff verantwortlich gemacht werden, festgenommen haben - auch wenn in der vergangenen Woche noch einer seiner Berater erklärte, die palästinensische Autonomiebehörde dulde die Granatenangriffe stillschweigend.

Angesichts der zunehmenden Gewalt und der regionalen Ausweitung des Konflikts sind die Friedensrufe der arabischen Staaten fast gänzlich verstummt. Vor allem Ägypten und Jordanien, die Friedensabkommen mit Israel abgeschlossen haben, sind wegen der wachsenden anti-israelischen Stimmung außenpolitisch eingeengt.

Beide Staaten hatten bereits Ende März einen gemeinsamen Friedensplan ausgearbeitet, der im Wesentlichen auf den im vergangenen Oktober getroffenen Vereinbarungen von Sharm el-Sheikh fußt und den Rückzug der israelischen Truppen aus der Westbank bis zur Grenze, die vor dem Ausbruch der Aqsa-Intifada im letzten Jahr bestand, die Aufhebung der militärischen und wirtschaftlichen Blockade der palästinensischen Autonomiegebiete sowie die sofortige Beendigung des Siedlungsbaus vorsieht.

Die ägyptisch-jordanische Initiative wurde von Sharon jedoch nicht gerade positiv aufgenommen. In einem Interview mit der Tageszeitung Ha'aretz erklärte der israelische Ministerpräsdent, er habe »absolut nicht die Absicht«, Siedlungen in den palästinensischen Gebieten zu räumen. Und nach wie vor macht er eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche abhängig von einem Ende der palästinensichen Aufstände.

Ägyptens Außenminister Mussa konterte prompt: »Wie können wir die Palästinenser auffordern, die Intifada zu stoppen, wenn sich Israel nicht gemäß der Vereinbarung von Sharm el-Sheikh zurückzieht und seine Provokationen und die Belagerung der palästinensischen Gebiete fortsetzt?« Doch damit nicht genug: Israel müsse alle seit 1967 besetzten Gebiete räumen, einschließlich Ost-Jerusalems, sonst könne es keinen Frieden zwischen Palästinensern und Israelis geben.

Im selben Sinne äußerte sich auch Ägyptens Staatschef Mubarak. Israel trage die alleinige Verantwortung für die jüngste Gewalteskalation. An eine Wiederaufnahme der palästinensischen Friedensverhandlungen mit Israel sei daher in naher Zukunft nicht zu denken.