Europäische Kritik an Israel

Prinzip Pristina

Ohne vordergründigen Bezug zur jüngsten Eskalation der Auseinandersetzungen im Nahen Osten hat die Uno-Menschenrechtskommission am vergangenen Mittwoch in Genf drei Resolutionen gegen Israel verabschiedet. In der ersten, von der Europäischen Union eingebrachten Erklärung wurde der Siedlungsbau in den Palästinensergebieten verurteilt, in der zweiten ging es um die Verschlechterung der Menschenrechtssituation in den besetzten Gebieten, und in der dritten Erklärung wurde Israel aufgefordert, die syrischen Golanhöhen zu räumen. Gegen die erste Resolution stimmten allein die USA, gegen die zweite und dritte die USA und Guatemala.

Auch nachdem israelische Panzertruppen am Dienstag letzter Woche im Norden des palästinensischen Autonomiegebietes im Gazastreifen kurzzeitig ein Gelände von 2,5 Quadratkilometern besetzt hatten, reagierte die EU außerordentlich scharf. Ungeachtet der zutreffenden israelischen Begründung, aus dem besetzten Flecken seien erstmals Granaten auf eine israelische Stadt - Sederot - abgefeuert worden, machte eine Erklärung der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft am Donnerstag ausschließlich Israel für die Eskalation der Kämpfe verantwortlich.

Dieses Urteil schloss auch den israelischen Raketenangriff auf syrische Radarstellungen im Libanon ein, mit dem die Regierung Ariel Sharons am Ostermontag auf eine Attacke der eng mit Syrien und dem Iran verbündeten Hisbollah-Miliz reagiert hatte. Das Vorgehen Jerusalems, so hieß es in der Erklärung, sei exzessiv und unverhältnismäßig. Die EU deutete zudem an, beim nächsten Treffen der Außenminister könnten auch mögliche Sanktionen gegen Israel zur Sprache gebracht werden. Bereits einen Tag zuvor hatte die Hisbollah weitere Angriffe an Israels Nordgrenze angekündigt.

Mit den eindeutigen Schuldzuweisungen und vor allem mit der Sanktionsdrohung hat sich die EU einmal mehr an die Seite Yassir Arafats und der palästinensischen Islamisten gestellt. Während die israelische Regierung derzeit ziemlich konfus und offensichtlich in einem strategischen Vakuum operiert, verfolgt der PLO-Chef durchaus eine Linie.

Nachdem er jahrelang auf eine diplomatische Internationalisierung des Konfliktes gesetzt hat, die gegen die USA die EU und Russland stärker ins Spiel bringen sollte, will er nun den Krieg ausweiten, der nach seinen eigenen Worten längst begonnen hat. Bereits am vergangenen Montag forderte ein Sprecher Arafats, die arabischen Nachbarstaaten sollten sich auf »einen regionalen Krieg vorbereiten, der derzeit von der israelischen Regierung vorbereitet wird«.

Diese als Warnung verkleidete Forderung folgt einem uralten Muster palästinensischer Politik. Bereits in den sechziger und siebziger Jahren war es ein Kernelement der Fatah-Strategie, den Konflikt mit Israel durch Guerilla-Operationen so lange zu eskalieren, bis die arabischen Staaten zu einem Eingreifen genötigt waren. Syrien kündigte nach dem israelischen Angriff auf seine im faktisch annektierten Libanon stationierte Radarstation »schwere Vergeltung« an, während Arafat, ganz Feldherr, Ende letzter Woche eine taktische Unterbrechung der palästinensischen Granatenangriffe gegen Israel befahl.

Die faktische Parteinahme der EU für den Kriegskurs Arafats und der Hisbollah ist Bestandteil der ausgreifenden Bemühungen um eine Revision der zwischenimperialistischen Kräfteverhältnisse im gesamten Nahen Osten. Im Gegensatz zur Regierung Clinton, deren Strategie auf einen palästinensisch-israelischen Ausgleich setzte, scheinen George Bushs Leute derzeit nur zu kurzfristigen Feuerwehraktionen in der Lage. Diese Schwäche nutzten Paris und Berlin eiskalt aus. Natürlich im Interesse des Friedens und der Rechte eines unterdrückten Volkes. Man muss behutsamer sein als im Kosovo, aber das Prinzip heißt Pristina.