Gabi Zimmer, PDS-Vorsitzende

»Kein Kniefall vor der SPD«

Mauerbau, SED-Gründung, Antikapitalismus: Für so vieles mussten führende PDS-Genossinnen und -Genossen in den letzten beiden Wochen um Verzeihung bitten. Mit ihrer Entschuldigung für die Vereinigung von KPD und SPD 1946 und einem neuen Programmentwurf holt die PDS rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2002 nach, was Teile des Bundesvorstands schon vor über einem Jahr verlangten: das bedenkenlose Anschmiegen an die SPD. Gabi Zimmer ist seit Oktober letzten Jahres Vorsitzende der PDS.

In den letzten Tagen lieferte die PDS eine Demutsgeste nach der anderen. Sind weitere Entschuldigungen für die sozialistische Vergangenheit Ihrer Partei in Vorbereitung, etwa dafür, dass Karl Marx das Kommunistische Manifest geschrieben hat?

Keineswegs, und wenn, dann höchstens dafür, dass Sparwasser 1974 das Tor zum eins zu null gegen die Bundesrepublik geschossen hat.

An einer Stelle Ihrer Erklärung zur Zwangsvereinigung von KPD und SPD 1946 heißt es: »Ablassrituale machen sprachlos, sie haben nichts mit historischer Aufarbeitung zu tun.« Warum haben Sie sich dann auf den Ablasshandel mit der SPD eingelassen?

Wie Sie wissen, taucht in der Erklärung der pauschalisierende Begriff der Zwangsvereinigung nicht auf. Auch von einer Entschuldigung ist nicht die Rede. Außerdem haben wir uns nicht an die SPD gewandt, sondern an die PDS als pluralistische Partei. Und das deshalb, weil bei uns nicht die Zugehörigkeit zu einer Weltanschauung zum Kriterium für die Mitgliedschaft gemacht werden kann. Die Chance für die PDS liegt doch darin, eine Abkehr zu vollziehen von ihrer Vorgängerpartei, die nun mal eine kommunistische Kaderpartei gewesen ist. Wir müssen viel stärker noch als bisher auf den Pluralismus als Identifikationsmuster der Partei setzen.

Genau das wünscht sich die SPD doch von der PDS. Also handelt es sich doch um eine Demutsgeste.

Nein, es handelt sich dabei um eine Aufforderung an die PDS-Mitglieder, sich mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Es geht doch darum zu klären, warum der legitime Versuch, mit der DDR eine Alternative zur kapitalistischen Bundesrepublik aufzubauen, gescheitert ist und welchen Anteil die SED daran hatte. Darüber hinaus sollte die Erklärung das Signal aussenden, dass es mit der PDS kein Zurück zu einem leninistischen oder stalinistischen Staats- oder Parteityp geben wird. Für uns bleibt die Verbindung von Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit der entscheidende Punkt. Das ist etwas völlig anderes, als sich an die SPD zu wenden, und es ist schon gar kein Kniefall.

Der Jubel bei der PDS war dennoch groß, als SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sich kurz nach Ihrer Erklärung für die vermeintliche historische Richtigstellung bedankte.

Das kann ich nicht beurteilen, weil ich seine Äußerung nur im Radio gehört habe. Außerdem gab es auch andere Stimmen in der SPD, die sagten, das reiche ihnen nicht. Aber wir lassen uns natürlich nicht von SPD-Politikern vorschreiben, für wen oder was die PDS sich zu entschuldigen habe. Bevor uns andere Parteien Ratschläge erteilen, sollten sie erst einmal selbst aus dem Schatten des Kalten Krieges heraustreten.

Das heißt, Sie pfeifen auf die SPD als Partnerin für neue rot-rote Bündnisse in Ostdeutschland?

Wenn ein Landesverband meint, dass mit der SPD im Rahmen der begrenzten Handlungsspielräume eine andere Politik möglich ist, sollte die PDS das schon in Erwägung ziehen. Darüber muss aber in den Ländern selbst entschieden werden, und nicht in der Parteizentrale in Berlin. Sollte die Entscheidung positiv ausfallen, können sie sich der vollen Unterstützung des Bundesvorstandes aber sicher sein.

Gilt das auch für eine rot-rote Koalition nach der nächsten Bundestagswahl?

Ich finde, dass man die Eier erst zählen sollte, wenn sie gelegt sind. Anderthalb Jahre vor einer Wahl kann man schlecht einschätzen, wie die Situation danach sein wird. Es geht doch nicht darum, ob SPD und Grüne gemeinsam mit der PDS zwei Stimmen mehr oder weniger im Bundestag haben, sondern um eine Einschätzung der gesellschaftlichen Situation, also um die Frage, ob das Klima für einen echten Politikwechsel gegeben ist.

Welche Auswirkungen hätte es denn für das politische Klima, wenn der Bundeskanzler Sie so wie Ihren Vorgänger Lothar Bisky zum Essen einlädt?

Das gesellschaftliche Klima würde sich für mich nur dann ändern, wenn soziale Bewegungen und Gewerkschaften wieder deutlicher zu Wort kommen würden in diesem Land.

Und dann wäre die SPD ein Bündnispartner für Sie?

Die SPD wäre ein Bündnispartner, wenn Sie bereit wäre, diesem Druck aus der Gesellschaft zu folgen. Auch eine Abkehr von ihren Positionen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr wäre nötig.

Mit seiner Ankündigung, den Osten stärker zu fördern, ist Ihnen Gerhard Schröder doch in einem anderen Punkt entgegen gekommen.

Es geht aber darum, die gesamte Wirtschaftspolitik, die im Osten bislang betrieben wurde, einem grundlegenden Wandel zu unterziehen. Außerdem muss die Bundesregierung endlich ein deutliches Signal setzen für die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West sowie für die Angleichung der Löhne.

In Ihrem letzte Woche vorgestellten Thesenapier »Zukunftsfaktor Ost« schreiben Sie, dass endlich die »Wende hin zu einer selbsttragenden Wirtschaftsentwicklung« erreicht werden müsse. Eine Fortführung der von ihnen geforderten staatlichen Subvention steht dem doch entgegen.

Genau das ist ja das Problem. Die Förderung des Ostens hat bislang in einer Art und Weise stattgefunden, die überhaupt nicht auf einen selbsttragenden Aufschwung ausgerichtet war. Deshalb muss endlich zur Kenntnis genommen werden, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen mehr als zehn Jahre nach der Wende immer noch Existenzgründungsfirmen sind. Die jetzige Förderung zielt an den Strukturen in Ostdeutschland komplett vorbei. Zusammen mit der 2004 bevorstehenden EU-Ost-Erweiterung könnte das katastrophale Folgen haben.

Kann man daraus schließen, dass sie darauf mit einem Wahlkampf reagieren werden, der sich gegen die Erweiterung der EU richtet?

Auf gar keinen Fall. Vielmehr wird die PDS weiter auf die Förderung des grenznahen Raums setzen, das heißt auf eine Verflechtung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Firmen in den polnischen und tschechischen Grenzgebieten zu Sachsen und Brandenburg. So soll vermieden werden, dass die EU-Ost-Erweiterung 2004 zum Crash führt.

Das PDS-Konzept der Regionalpartei Ost widerspricht dem ebenso wie Ihr Plädoyer für einen unverkrampften Umgang der Linken mit der Nation. Die Warnung vor den negativen Folgen der Ost-Erweiterung und der angeblich damit einhergehenden Überfremdung passen doch gut in dieses Konzept.

Das Konzept der PDS ist das einer bundesweiten sozialistischen Partei. Wir werden weder Überfremdung noch andere vermeintliche Gefahren thematisieren, sondern die Chancen der Erweiterung in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Ich bitte deshalb nachdrücklich darum, meine Äußerungen zum Verhältnis der Linken zu Deutschland nicht in dieser Art und Weise umzuinterpretieren.