Strafverfolgung per DNA-Analyse

Die Nächste, bitte

Die aktuelle Ausgabe der Frauenzeitschrift Emma enthält ein Interview mit dem Polizeipsychologen Adolf Gallwitz. Im Vorspann zu dem Gespräch, in dem es vorrangig um Sexualstraftaten geht, schreibt die Emma-Redaktion: »Die Täter sind Männer, ihre Opfer meist Frauen und Kinder. Die Registrierung des genetischen Fingerabdrucks aller Männer würde die Überführung aller Täter erlauben. Dennoch wurde dieser Vorschlag abgebügelt wie ein schlechter Witz.«

Adolf Gallwitz sieht das ähnlich: »Hätte man alle Männer gespeichert, wäre die Chance der Täter, nicht entdeckt zu werden, gleich null.« Im Übrigen, so Gallwitz, solle man um die Regelregistrierung des genetischen Fingerabdrucks kein großes Aufheben machen: »Das ist ja nichts anderes als die Datenspeicherung beim Standesamt nach der Geburt.«

Dass die Emma-Redaktion in Zweifelsfällen gerne durchknallt, ist ebenso wenig neu wie die Tatsache, dass unter dem Vorwand eines präventiven Opferschutzes die wüstesten Kontrollphantasien der geheimdienstlichen und polizeilichen Apparate bedient und popularisiert werden. Selbst wenn er manchmal recht hemdsärmelig geführt wird, erweckt der Streit über einen Ausbau der behördlichen Gen-Datenbanken den Eindruck, es handle sich hier um einen gepflegten gesellschaftlichen Diskurs zur Fortentwicklung kriminaltechnischer Ermittlungs- und Präventionsinstrumente.

In diesem Diskurs werden grundsätzliche Fragen, die etwa die Substanz bürgerlicher Demokratie und damit unter anderem den Zustand und den Schutzwert individueller Freiheitsrechte berühren würden, nicht mehr gestellt; er lässt allenfalls die depolitisierte pragmatische Frage nach einem möglichen »Missbrauch« zu. Und im Zentrum dieser Entwicklung stand und steht bei Bedarf immer noch die etablierte Denkfigur des unsozialen Sexualverbrechers.

Diese Denkfigur hat ein Pendant. Auch Personen, die in irgendeiner Hinsicht mit linkem Terrorismus in Verbindung gebracht werden können, gelten hierzulande traditionell und in einem engen Sinne als nicht gesellschaftsfähig. Bekanntlich durften während des Deutschen Herbstes machtbefugte Staatsmänner auch ungestraft darüber räsonieren, ob man gefangene Terroristen nicht einfach an die Wand stellen sollte.

Die Übereinkunft, dass sich Sexualverbrecher sowie tatsächliche und vermeintliche Linksterroristen in der Eigenschaft gleichen, nicht normfähig zu sein, nutzen die Ermittlungs- und Verfolgungsbehörden in der Gentest-Frage geradezu unbeschränkt aus. Nachdem in den vergangenen Monaten immer wieder linke und ehemalige linke AktivistInnen zur Abgabe von Zellproben gezwungen wurden (Jungle World, 10/01), greift diese Praxis nun auf das bizarre Verfahren gegen die Antiimperialistischen Zellen (AIZ) über.

Obwohl im Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf die beiden Angeklagten bereits im September 1999 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, suchen die Ermittler der Bundesanwaltschaft (BAW) weiterhin nach jener dritten Person, die die Gruppe gegebenenfalls zu einer terroristischen Vereinigung im Sinne des Paragrafen 129a machen würde. Was in 130 Verhandlungstagen nicht gelang, soll nun der DNA-Test richten.

Ende April erhielt eine Frau aus der linken Aachener Szene, gegen die in diesem Zusammenhang nach Paragraf 129a ermittelt wird, Post vom Bundesgerichtshof. Die BAW habe beantragt, mittels einer Zellprobe zu klären, ob die Zigarettenreste, die 1993 »in der Nähe des Ablageortes« eines Bekennerschreibens der AIZ in einem Kölner Park gefunden wurden, womöglich von ihr stammen. In ihrer Stellungnahme wies die Aachenerin dieses Ansinnen zurück.

Doch dies wird kaum das letzte Wort sein. Der Freilandversuch geht weiter.