Edmund Stoiber

Ein blonder Recke

Der Feind steht rechts II. Edmund Stoiber möchte gerne Kanzler werden. Doch selbst in der Union geht er einigen zu weit.

Dass sein schärfster männlicher Konkurrent um die Kanzlerkandidatur mit dem Mofa durchs Sauerland brummte, weiß man inzwischen. Doch im Gegensatz zur Jugend des CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz ist die Vergangenheit von Edmund Stoiber bislang wenig erhellt. Die Gelegenheit, das zu ändern, bot dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden nun die Frankfurter Rundschau. Ausgerechnet die Zeitung also, die 1978 bei der Berufung des Hinterbänklers zum Generalsekretär der CSU noch lästerte: »Ganze 13 Zeilen beansprucht seine Biographie im offiziellen Handbuch des Bayerischen Landtags.«

Die Chance, ein paar Zeilen hinzuzufügen, nutzte Stoiber gern. Natürlich sei auch er ein ganz ein Wilder gewesen, langweilte er die FR-Redakteure. Die Frauen seien auf ihn geflogen, vor allem die jungen Touristinnen, die regelmäßig in Stoibers Geburtsort Oberaudorf im Landkreis Rosenheim reisten. »Edi, der blonde, blauäugige Recke, ist der Schwarm aller nordgermanischen Sommerfrischlerinnen«, hieß es damals in der Abi-Zeitung.

Noch mehr als über sein Verhältnis zu Frauen verrät dieses Zitat freilich über das Millieu, aus dem Stoiber stammt. In den südbayerischen Landkreisen Rosenheim und Miesbach, wo er später Wahlkreisabgeordneter wurde, haben sich Reaktionäre schon immer besonders wohl gefühlt. In dieser Melange aus Volkstum, Stammtisch und Gebirgsschützen fanden die weißen Garden 1919 ausreichend Unterstützung und Freiwillige für ihren Marsch nach München zur Niederschlagung der Räterepublik. Im Miesbacher Anzeiger durfte Bayerns Nationaldichter Ludwig Thoma in den zwanziger Jahren antisemitische Pamphlete veröffentlichen, der Chefredakteur des Hetzblattes half Hitler beim Redigieren von »Mein Kampf«.

Hier kam Stoiber 1941 zur Welt. Während er noch in den Windeln lag, war sein Vater Edmund Georg Stoiber damit beschäftigt, den deutschen Endsieg voranzubringen. Der gelernte technische Kaufmann war bei Kriegsende Mitarbeiter der Organisation Todt, die dafür zuständig war, den Nachschub für die deutsche Wehrmacht zu sichern. Die Organisation veranlasste unter anderem, dass zehn Monate vor der Kapitulation Zehntausende von jüdischen Häftlingen nach Oberbayern deportiert wurden, um unterirdische Rüstungsfabriken zu bauen. Ein Großteil überlebte diese Zwangsarbeit nicht.

Dass Stoiber junior aus der Vergangenheit seines Vaters gelernt hat, zeigte sich schon in seinen frühen Parteitagsreden. Gerne erinnerte er daran, »dass die Nationalsozialisten in erster Linie Sozialisten waren«. Und als linke Demonstranten Ende der Siebziger gegen den Kanzlerkandidaten Franz-Josef Strauß demonstrierten, konstatierte Stoiber, diese »linken Chaoten« verhielten sich »wie SA und SS«. Als dann jedoch der Schriftsteller Bernt Engelmann enthüllte, dass Strauß während der NS-Zeit zunächst »weltanschaulicher Referent« des NS-Kraftfahrerkorps gewesen war, um später zum »Offizier für wehrgeistige Führung« in der Wehrmacht aufzusteigen, da konnte der CSU-Generalsekretär Stoiber nur noch einmal bestätigen, was zuvor schon Strauß klar gemacht hatte: Engelmann sowie einige andere Schriftstellerkollegen seien »Ratten und Schmeißfliegen«.

Nicht nur sein politisches Bewusstsein, auch seinen rasanten Aufstieg verdankt er den Seilschaften in seiner Herkunftsregion. Nachdem er bereits mit 17 in die CSU eingetreten war und sich - nach eigenen Angaben geschockt von den Studentenunruhen 1967 in München - verstärkt in der Partei engagierte, ergatterte er schließlich den Wahlkreis Miesbach. Zu seinem Glück war dort, am Tegernsee, auch Strauß zu Hause. Der fleißige und forsche Stoiber, dessen geradezu manischer Ehrgeiz sogar vielen Parteifreunden auf den Geist ging, muss dem CSU-Vorsitzenden schon bald aufgefallen sein. Jedenfalls war er bald ein gern gesehener Gast in Straußens Villa.

Und als Strauß im November 1978 bayerischer Ministerpräsident wurde, da hob er das »Machtschattengewächs« (Süddeutsche Zeitung) Stoiber auf den Posten des CSU-Generalsekretärs. Die FR wusste schon damals: »Wer Generalsekretär wird in der Münchner Lazarettstraße, der ist später noch allemal mehr geworden.«

Welche Begriffe im Zentrum seiner Politik stehen, hatte Stoiber bereits 1976 in dem Buch »Politik aus Bayern« klar gemacht: »Auslese«, »Führungsprinzip«, »Leistungsprinzip«. Als Generalsekretär, später als Staatssekretär und als Innenminister, durfte er dann so richtig loslegen. Auf der Grundlage »nahtloser Übereinstimmung« mit seinem Mentor Strauß, setzte sich »das blonde Fallbeil« (konkret) dafür ein, dass das Polizeiaufgabengesetz und der Extremistenbeschluss »extensiv« umgesetzt wurden. Später warnte er vor der »durchrassten Gesellschaft«. Als ein Frankfurter Amtsrichter Anti-Pershing-Demonstranten freisprach, war das für Stoiber »Rechtsbeugung«. Das warf der ehemalige Gebirgsjäger auch dem Bundesverfassungsgericht vor, als es entschied, Soldaten dürften »potenzielle Mörder« genannt werden.

Jetzt will Stoiber, der sich selbst ein »fast erotisches Verhältnis zur Politik« bescheinigt, seine Karriere mit der Kanzlerschaft krönen. Wie man Kanzlerkandidat wird, das hat er von Strauß gelernt. Strauß scheiterte jedoch, weil er zu sehr polarisierte und gegen den starken SPD-Kanzler Helmut Schmidt antrat. Deshalb hat sich Stoiber zuletzt mit markigen Sprüchen etwas zurückgehalten und versucht, sich als Macher und Saubermann zu profilieren. Ob er es wagen wird, gegen einen starken Kanzler Schröder anzutreten, muss sich zeigen. Schlecht stehen seine Chancen auf eine Kandidatur jedenfalls nicht. Nicht nur, weil die CDU-Vorsitzende Angela Merkel wegen ihres Umgangs mit der neuesten Kiep-Million derzeit regelrecht demontiert wird.

Schließlich hat sich Stoiber bereits in den achtziger Jahren die publizistische Basis für den Weg nach oben geschaffen. Stoiber war es, der als Staatssekretär in der bayerischen Staatskanzlei das neue Mediengesetz maßgeblich erarbeitete und damit die Einführung des privaten Fernsehens in der Bundesrepublik ermöglichte; mit dem Ziel, das Monopol der öffentlich-rechtlichen Sender und vor allem des WDR mit »seiner deutlichen Linksschlagseite« (Stoiber) zu brechen. Seinem klerikal-konservativen Spezl Leo Kirch schanzte Stoiber Frequenzen zu und ermöglichte ihm so Milliarden-Gewinne.

Und wenn Kirch sich mal wieder um ein paar Milliarden verspekuliert hat, dann setzt sich Stoiber dafür ein, dass er von einer landeseigenen Bank wieder Kredite bekommt.