Keine Entschädigung für Zwangsarbeiter

Tödlicher Stillstand

Die US-Richterin Shirley Kram hat Ende letzter Woche die Sammelklagen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter gegen deutsche Banken abgelehnt, wie es in der Bundesrepublik immer wieder vehement gefordert worden war. Trotzdem weigert sich der Bundestag weiterhin, die für den Beginn der Auszahlung geforderte Rechtssicherheit festzustellen. Er stellt sich damit eindeutig hinter die ehemaligen Profiteure des NS-Regimes und ihre Nachfolger.

Der Regierungsbeauftragte für die Entschädigung, Otto Graf Lambsdorff, hatte noch im Februar erklärt, dass mit der Auszahlung begonnen werden könne, sobald diese Klagen abgewiesen seien. Nun will er von seiner Ankündigung nichts mehr wissen. Ebenso wie die Industrie weist Lambsdorff die Bedingungen, die die Richterin Kram an ihre Ablehnung knüpft, als inakzeptabel zurück. Kram verlangt, dass die Ansprüche österreichischer NS-Opfer gegenüber deutschen Banken gebührend berücksichtigt werden.

Wer Lambsdorff damals glaubte, ist selbst schuld, könnte man sagen. Aber die ehemaligen Zwangsarbeiter haben nun einmal keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen, dass Berlin seine Ankündigungen endlich wahr macht. Angesichts der Ignoranz gegenüber ihren Belangen und der Loyalität zu den Unternehmen, die aus Äußerungen von SPD-Abgeordneten spricht, werden die früheren Zwangsarbeiter allerdings auch in absehbarer Zeit nicht auf Entschädigung hoffen können.

So machte etwa der SPD-Abgeordnete Ludwig Stiegler klar, wer die Schuld daran trage, dass mit den Auszahlungen nicht begonnen werden kann. Nicht der Bundestag, sondern die Gerichte in den USA müssten »jetzt den Ernst der Lage erkennen und handeln«. Als ob es an einem deutschen Sozialdemokraten ist, die USA an die Lage der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter zu erinnern.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, besann sich dagegen auf deutsche Gesetze und wies Forderungen nach einem sofortigen Beginn der Entschädigung mit dem perfiden Hinweis zurück, der Industrieanteil am Stiftungsfonds sei noch nicht eingezahlt.

Das Stiftungsgesetz legt fest, dass erst dann ausgezahlt werden kann, wenn die gesamten zehn Milliarden Mark zur Verfügung stehen, und dient so den Unternehmen als optimales Druckmittel. Schließlich zahlen sie erst dann, wenn für sie Rechtssicherheit besteht.

Dass die früheren Zwangsarbeiter kaum mit Unterstützung für ihre Forderung nach sofortiger Entschädigung rechnen können, ist offensichtlich. Daran ändern auch die Vorstöße einiger Parlamentarier um Wolfgang Thierse und Volker Beck nichts. Sie fordern, die vom Staat bereit gestellten fünf Milliarden Mark sofort zur Auszahlung freizugeben und nicht darauf zu warten, dass der Bundestag die Rechtssicherheit feststellt.

Beck, der für die Grünen im Kuratorium der Stiftungsinitiative sitzt, hatte sich im März die Argumente der Wirtschaft zu Eigen gemacht und Krams Bedenken angesichts der unzureichenden Entschädigung österreichischer NS-Opfer vom Tisch gewischt. Dass er nun auf Umwegen einen schnellen Auszahlungstermin erreichen will, ist mehr als halbherzig.

Die Versuche der Jewish Claims Conference, Druck auf die BRD auszuüben, wirken dagegen nur noch hilflos. Zum wiederholten Mal beschwört sie den Imageschaden, den Deutschland im Ausland erleiden werde, wenn die Rechtssicherheit nicht vor der Sommerpause festgestellt werde. Doch Parlamentarier, Minister und Unternehmer können sich sehr sicher sein; schließlich sind sie es, die die Bedingungen diktieren. Auf welche Kräfte sich die NS-Opfer in der Bundesrepublik noch verlassen können, ist unklar. Der Bundestag hat jedenfalls längst entschieden, auf wessen Seite er steht.