Vor 40 Jahren starb der dominikanische Diktator Trujillo

52 Kugeln für El Chivo

Das Ende eines Potentaten: Vor vierzig Jahren wurde Trujillo, der Diktator der Dominikanischen Republik, erschossen.

Olga Despradel glaubte ihren Mann bei einigen Freunden. Am Nachmittag des 30. Mai 1961, einem Dienstag, hatte er ihr erzählt, er werde noch mal bei Freunden vorbeischauen. In den letzten Wochen hatten sie sich schon öfters getroffen. »Um Wildwestfilme zu schauen«, erzählt die rüstige alte Dame, die am 2. Mai dieses Jahres das achtzigste Lebensjahr vollendet hat. Ihr Mann, Pedro Livio Cedeño, hätte zwei Tage später seinen neunzigsten Geburtstag feiern können - wenn er denn noch leben würde. Heute weiß sie, dass er sie damals belogen hat. »Eine Notlüge. Er wollte mich nicht gefährden«, sagt die Gerichtsübersetzerin.

Pedro Livio Cedeño hatte sich an jenem Abend nicht an einem Wildwest-Show-down auf Zelluloid ergötzt. Der damals Fünfzigjährige mit den grauen, kurzgeschnittenen Haaren beteiligte sich an einem Tyrannenmord unter Palmen auf der Uferstraße der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo. Am 30. Mai 1961 wurde der mehr als 30 Jahre dauernden Diktatur von Rafael Léonides Trujillo Molina ein gewaltsames Ende bereitet.

Sieben Männer in drei Fahrzeugen hatten sich unauffällig an der Uferpromenade etwas abseits vom Stadtzentrum postiert: in einem schwarzen hochfrisierten Chevrolet der ehemalige Gouverneur der Nordregion, Antonio Imbert, »Toni«; auf dem Beifahrersitz, mit einem Gewehr bewaffnet, Antonio de la Maza, der für Trujillo die Geschäfte in einem Sägewerk in der Nähe der haitianischen Grenze führte; auf dem Rücksitz, ebenfalls bewaffnet, der 42 Jahre alte Straßenbauingenieur Salvador Estrella Sadhalá, genannt »Turco«, sowie Amada »Amadito« García Guerrero, ein Leutnant aus Trujillos Leibwache. In einem viertürigen schwarzen Oldsmobile warteten Cedeño und der Ingenieur Huáscar Tejeda Pimentel. Dessen Sozius Roberto »Fifí« Pastoriza Neret sollte als letzte Sicherheit mit seinem alten Mercury die Fahrbahn blockieren.

Kurz vor zehn Uhr sieht Imbert in der Dunkelheit, wie der Chevrolet »Bel Air« mit dem Nummernschild 0-1823 vorbeifährt. Ohne Leibwache ist Trujillo auf dem Weg zu seinem Wochenendhaus, wo eine Geliebte auf ihn wartet. Eine wilde Verfolgungsjagd beginnt, die erst beim Kilometerstein neun endet. Nur mit Mühe gelingt es dem Fahrer des Potentaten, Zacharías de la Cruz, das von 52 Kugeln durchsiebte Fahrzeug anzuhalten und sich schwer verletzt in Sicherheit zu bringen. Ein letztes Mal hört er seinen Chef - von mehreren Geschossen getroffen - fluchen: »Coño, me han herido« - »Scheiße, sie haben mich verletzt.« Antonio de la Maza gibt Trujillo den Gnadenschuss, der Leichnam wird in den Kofferraum des Fluchtfahrzeuges geschleppt.

Mehr als dreißig Jahre beherrschte Trujillo mit dem Wohlwollen der »Gringos« die Dominikanische Republik. Jeden, der ihm gefährlich werden konnte, ließ er ermorden, die Methodik des »Verschwindenlassens« von Oppositionellen verfeinerte der ehrfurchtsvoll »el Jefe« Genannte bis zur Perfektion. In jedem Weiler ließ er eine Büste von sich aufstellen. 1936 benannte er sogar die Hauptstadt Santo Domingo in »Ciudad Trujillo« um. In den Häusern hing sein Bild mit dem Spruch: »In diesem Haus ist Trujillo der Herr.« Seine Gier nach Frauen brachte ihm seinen Spitznamen ein: »Chivo« - »Ziegenbock«.

Bald begann der heimliche Hitler- und offene Franco-Bewunderer aber nicht nur, die Opposition blutig zu unterdrücken, sondern auch, sich in die Außenpolitik der USA einzumischen. Die linke Opposition orientierte sich am revolutionären Befreiungskampf der Nachbarinsel, und ein zweites Kuba wollten die USA in ihrem Hinterhof nicht haben. Auch mit der Kirche hatte es sich Trujillo verscherzt.

Seit 1958 arbeitete die CIA intensiv an der Vorbereitung eines Putsches. Aber erst nachdem sich namhafte Mitglieder des Generalstabs bereit erklärt hatten, eine Übergangsregierung aus Militärs und Zivilisten zu bilden, so erläutert José Israel Cuello die damalige politische Großwetterlage, seien die Attentäter mit - wenn auch wenigen - Waffen unterstützt worden. »Die CIA wollte den Linken zuvorkommen«, sagt der Verleger und ehemalige Chef der Kommunistischen Partei, der selbst in den Kerkern Trujillos gesessen hat.

Aber die USA fürchteten einen »eigenständigen, unabhängigen Politikkurs« der Verschwörer. »Deshalb sorgten sie am Tattag dafür, dass der militärische Oberbefehlshaber, der die Leiche Trujillos im Kofferraum sehen wollte, nicht zu Hause war«, analysiert Cuello die Geschehnisse. Der ehemalige Regierungschef von Trujillo, Joaquín Balaguer, übernahm für Jahrzehnte die Regentschaft und herrschte nicht weniger autokratisch.

Die Stadt hat den ehemals einsam gelegenen Ort, an dem Pedro Livio Cedeño und seine Freunde den »Wohltäter des Vaterlandes« genannten »Generalísimo« erschossen, längst eingeholt. An der heute zur Autobahn ausgebauten Uferstraße befindet sich ein großes Denkmal mit einer abstrakten Mosaikfigur im Vordergrund.

Jedes Jahr versammeln sich hier die Familien und Freunde der Attentäter, um das Ende der Trujillo-Diktatur zu feiern und der »Helden des 30. Mai« zu gedenken. Olga Despradel ist die Vorsitzende der Verwandtenvereinigung. Die Tische und Regale im Wohn- und Esszimmer ihres Hauses sind von Zeitungsausschnitten, Büchern und Dokumenten übersät. Doña Olga arbeitet an einem Buch über die Geschichte des Attentats.

Noch am Abend des Anschlags wird der bei dem Feuergefecht schwer verletzte Pedro Livio Cedeño in einem Krankenhaus verhaftet; Olga Despradel, die im sechsten Monat schwanger ist, wird monatelang in einem der Foltergefängnisse festgehalten. Alle Verschwörer bis auf zwei werden verhaftet oder bei der Festnahme erschossen, die inhaftierten Verschwörer am 18. November 1961 vom Sohn Trujillos, Rahdamés, ermordet. Am folgenden Tag flieht der Familienclan Trujillo von der Insel.

Von denen, die unmittelbar am Anschlag beteiligt waren, lebt nur noch Antonio »Toni« Imbert, schwer bewacht in einer weitläufigen Villa in Santo Domingo. Über das Attentat auf den »Ziegenbock« will Imbert, der danach im Range eines Generals jahrelang Direktor der staatlichen Goldmine war, nicht mehr reden. »Ich habe dieses Kapitel meines Lebens abgeschlossen«, sagt er am Telefon.

Das Fahrzeug, in dem Pedro Livio Cedeño am 30. Mai 1961 auf den dominikanischen Diktator wartete, steht heute im historischen Museum in der wieder in Santo Domingo umbenannten Hauptstadt der Dominikanischen Republik. Vor den Einschusslöchern in den Türen lassen sich Jugendliche fotografieren.

Das Fahrzeug Trujillos ist längst verschrottet. Ein ehemaliger Feldwebel kaufte den Chevrolet nach dem Ende der Diktatur, strich das Fahrzeug dunkelblau und benutzte es als Taxi. Im Rückfenster klebte ein Plakat: »In diesem Fahrzeug wurde der Ziegenbock getötet.« Es brachte ihm wenig Glück. Mit seinem makabren Taxi beteiligte sich der Ex-Soldat später an einem Wahlkampfumzug, der mit einer Straßenschlacht endete. Eine verirrte Kugel erwischte ihn am Steuer des Fahrzeuges, in dessen Fonds schon Rafael Léonides Trujillo, genannt der »Ziegenbock«, den Tod gefunden hatte.