Ein Jahr nach Israels Rückzug aus dem Südlibanon

Modell Hisbollah

Der Rückzug israelischer Truppen aus dem Libanon, der als hoffnungsvoller Schritt in Richtung eines nahöstlichen Friedens begrüßt wurde, ist ein Jahr später bereits zum Symbol des Scheiterns geworden. Denn nicht als notwendiges Eingeständnis, sondern als Niederlage Israels wurde er in den arabischen Nachbarländern gefeiert, die Hisbollah für ihren »Sieg« mit der Kontrolle über den gesamten Südlibanon belohnt. Nicht libanesische Regierungstruppen, sondern islamistische Milizen kontrollieren die Grenze zu Israel.

Es ist daher ein nur bescheidener Erfolg, wenn die israelische Armee nun feststellt, die Zahl der Überfälle sei seit dem Abzug vor einem Jahr bedeutend zurückgegangen. Jeder Friede, der auf Verhandlungen basiert, setzt notwendig die Existenz eines Gegenüber voraus, das verhandlungsfähig ist. Um diese Fähigkeit ist jetzt nicht nur die libanesische Regierung gebracht, die in weiten Teilen des Landes über keinerlei Souveränität verfügt und unter syrischer Kuratel steht.

Syrien selbst, wie auch der Iran, lässt sich anhand der Außenpolitik kaum noch von Guerillaorganisationen unterscheiden (vgl. Jungle World, 19/01, S. 21). Beide Staaten haben Israels Forderung nach einem Waffenstillstand als Voraussetzung für einen kontrollierten Abzug aus dem Libanon stets abgelehnt. Diese Politik des bedingungslosen Rückzuges hat nicht nur den faktischen Abzug bis zuletzt verzögert, sondern zugleich alle Verhandlungsversuche unterminiert.

Iran und Syrien haben im Südlibanon einen Staat im Staate geschaffen, der nach außen nicht verhandlungsfähig ist, nach innen aber die Herrschaftsansprüche Syriens und Irans mit Hilfe der Hisbollah-Miliz gegenüber der Bevölkerung exekutiert. Im Libanon wird in der Hisbollah längst nicht mehr nur eine »Befreiungsbewegung« gegen die israelische Besatzung gesehen. Vor allem linke und kommunistische Organisationen wie etwa das Bündnis al-Minbar al-Demokratii, die zuvor mit dem »nationalen Befreiungskampf« der Hisbollah sympathisierten, bezeichnen sie als »eine bewaffnete Bande«, die fremde Herrschaftsinteressen vertrete und die Bevölkerung unterdrücke.

Mit Hilfe der Hisbollah scheint sich nun die Verwandlung von Staaten in Guerillaorganisationen durchzusetzen. So darf nicht verwundern, dass die Palästinenser mit dem Ausbruch der Al-Aksa-Intifada ihren Kampf für einen palästinensischen Nationalstaat begannen, indem sie ihre eigenen staatlichen Strukturen zerstören. Bereits in den ersten Wochen haben Fatah, Hamas und Islamischer Djihad die Palestine National Authority sukzessive entmachtet und Verhandlungen mit Israel durch Aktionen ersetzt.

Die Entwicklung spiegelt sich nicht zuletzt in Jassir Arafats Auftreten wider, der vom palästinensischen Präsidenten wieder zum Guerillachef wurde. Seine Erklärung zum Bombenattentat in Netanyah, dies sei der »Beginn der Entscheidungsschlacht um Palästina«, ist keine rhetorische Floskel, sondern das Programm, dem der Aufstand derzeit folgt.

Ähnlich wie einst von den Libanesen fordert Israel heute von den Palästinensern ein Ende der Gewalt als Voraussetzung für einen Rückzug der Armee. In ihrer kompromisslosen Ablehnung solcher Vorschläge werden die palästinensischen Organisationen nicht nur vom Modell Hisbollah bestärkt. Tatkräftige Unterstützung erhält der Aufstand auch aus dem Irak, dessen Regierung seit Jahren jede Konzession an die UN strikt ablehnt, internationale Abkommen unterläuft und zwischenstaatliche Verhandlungen durch militärische Drohungen ersetzt. Saddam Husseins Herrschaft hat dort längst realisiert, worauf die Politik der Hamas und des PFLP-Generalkommandos hinausläuft: einen Staat als gesamtideelle Terrororganisation.