Ehemaliger französischer Minister verurteilt

Endlos ermitteln

Im ersten Elf-Prozess ist der ehemalige französische Außenminister Roland Dumas zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Die Welt ist ungerecht: Am vergangenen Mittwoch fiel das Urteil im ersten so genannten Elf-Prozess, der sich mit den Praktiken des französischen Erdölkonzerns Elf-Aquitaine beschäftigte. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts und ehemalige Außenminister Roland Dumas wurde zu 30 Monaten Haft, davon sechs ohne Bewährung, verurteilt. Seine frühere Geliebte Christine Deviers-Joncour erhielt drei Jahre Haft, die Hälfte davon zur Bewährung. Die frühere Nummer zwei des Elf-Konzerns, Alfred Sirven, muss vier Jahre hinter Gitter, während der ehemalige Elf-Chef Loik Floch-Prigent zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

»Als Einziger ist der Anwalt von Elf, Emmanuel Rosenfeld, wirklich zufrieden«, kommentierte am folgenden Tag die Pariser Tageszeitung Libération den Ausgang des Prozesses. Denn es wurden zwar einige prominente Angeklagte verurteilt, die eigentlichen Hintergründe des Elf-Skandals bleiben aber bislang ungeklärt.

Begonnen hatte die Affäre um den ehemaligen Staatskonzern, als der Elf-Generaldirektor Philippe Jaffré 1995 eine Strafanzeige gegen seinen Vorgänger Le Floch-Prigent stellte. Anlass war ein Kredit aus Firmenmitteln in Höhe von 120 Millionen Euro, die Le Floch-Prigent einem alten Freund, Maurice Bidermann, für dessen maroden Textilbetrieb gegeben hatte. Ein Großteil der Gelder ging für Elf verloren. Während der Ermittlungen kamen weitere merkwürdige Geschäfte ans Tageslicht. Aus dem Konflikt um die Zweckentfremdung von Firmenkapital entwickelte sich ein Skandal, der erstmals die Geschäfts- und Korruptionspraktiken des Konzerns öffentlich machte.

Hinter den Streitigkeiten zwischen dem alten und dem neuen Generaldirektor verbirgt sich eine grundsätzliche Auseinandersetzung um die Rolle des Konzerns. Unter Le Floch-Prigent, Generaldirektor von 1989 bis 1993, war Elf-Aquitaine noch eng mit dem Staatsapparat verflochten, sodass es auf ein paar hundert Millionen Euro mehr oder weniger nicht ankam. Die strategische Bedeutung des Erdölkonzerns sorgte dafür, dass seine Mittel jederzeit aus öffentlichen Kassen aufgestockt werden konnten.

Als die bürgerlich-konservative Rechte 1993 an die Regierung kam, wurde der Staatskonzern Elf-Aquitaine mehrheitlich in private Hände überführt. Zuvor hatte der neue Premierminister Edouard Balladur den ihm nahe stehenden Jaffré zum neuen Chef von Elf ernannt. 1999 erfolgte die Fusion mit dem französisch-belgischen Konzern TotalFina. Elf kaufte den Konkurrenten auf, nachdem dieser zuvor eine feindliche Übernahme versucht hatte. In solchen Zeiten muss die Konzernkasse stimmen.

Zur Freude über das Urteil gegen Le Floch-Prigent und seine Mitangeklagten dürfte für die heutige Direktion dennoch kein Anlass bestehen. Während des Prozesses sind zu viele Informationen über das Verhalten führender Mitarbeiter des Konzerns an die Öffentlichkeit gelangt.

Die von der elften Strafkammer im Pariser Justizpalast verurteilten Angeklagten repräsentieren dabei nur den harmloseren Teil der »Akte Elf«, mit der die drei Untersuchungsrichter Eva Joly, Laurence Vichnievsky und Renaud Van Rumbeyke seit fast sieben Jahren beschäftigt sind. Die Anklage befasst sich vor allem mit den rund zehn Millionen Euro, die Ende der achtziger Jahre dazu dienten, den damaligen Außenminister Roland Dumas zu bestechen. Es ging um den Verkauf von Kriegsschiffen des Rüstungs- und Elektronikkonzerns Thomson an Taiwan.

Dumas hatte anfänglich gegen den Verkauf opponiert, weil die Volksrepublik China sich beschwerte und mit einer Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen drohte. Doch 1991 gab Dumas schließlich grünes Licht für das Rüstungsgeschäft.

Bis dahin hatte Elf zwei Jahre lang jeden Monat rund 12 500 Euro an seine Geliebte Deviers-Joncour bezahlt, ohne dafür jemals eine Gegenleistung zu erhalten. Zudem erhielt sie weitere neun Millionen Euro, die sie vor allem für ihren Geliebten ausgab. So bezahlte sie Restaurant-Rechnungen von über 50 000 Euro oder Schuhe, die 1 800 Euro kosteten, aus Konzernmitteln. »Hehlerei mit hinterzogenem Gesellschaftsvermögen«, lautet der Straftatbestand.

Das Urteil betrifft jedoch nur die Tatsache, dass Dumas als Privatmann von den Zahlungen des Konzerns an seine Geliebte profitierte. Der politische Aspekt, also die Entscheidung Dumas', dem Verkauf der Fregatten zuzustimmen, wurde in der Anklage nicht berücksichtigt. Weil er in Ausübung seines Amts schuldig geworden sei, könne er dafür nur vom Hohen Gerichtshof der Republik zur Rechenschaft gezogen werden. Da dieses Gericht aber mit Politikern - und nicht mit Berufsrichtern - besetzt wäre, gilt der Ausgang eines solchen Verfahren als ungewiss. Die Untersuchungsrichter wollten ein solches Risiko nicht eingehen.

Damit ist der Ef-Prozess allerdings noch lange nicht abgeschlossen. Derzeit arbeiten die Ermittler an vier weiteren Komplexen des unendlichen Skandals. Mitte des kommenden oder Anfang des übernächsten Jahres, so hieß es vorige Woche in Paris, solle es auch in weiteren Fällen zur Prozesseröffnung kommen.

Dabei ginge es erstens um die erwähnten 100 Millionen Euro, die Le Floch-Prigent zugunsten seines Freundes Bidermann in den Sand gesetzt hat. Zweitens wird über einen besonderen Aspekt der Fregatten-Affäre ermittelt. Dabei handelt es sich um 25 Millionen Euro, die der Thomson-Konzern Mitte der neunziger Jahre an eine Schweizer Briefkastenfirma überwies, hinter der sich eine Elf-Seilschaft um Alfred Sirven verbarg. Angeblich sollten damit Informanten in Peking bezahlt werden, die für die Lieferung der Kriesgsschiffe werben sollten. In Wirklichkeit hat es eine solche Vermittlungstätigkeit von Elf-Mitarbeitern nie gegeben; Dumas setzte sich einfach über Einwände aus Peking hinweg. Thomson erhob daher 1997 Klage wegen Betruges.

Im dritten Fall geht es um Kommissionen in Höhe von 500 Millionen Euro, die Sirven über die Genfer Elf-Filiale EAI und andere Scheinfirmen verteilte. Ein Teil der Gelder soll angeblich auch im Zusammenhang mit dem Raffinerieprojekt in Leuna an deutsche Parteien geflossen sein (Jungle World, 02/00). Die Ermittler beschäftigen sich schließlich auch noch mit einer Liste von rund 90 Personen, die als Schein-Beschäftigte von EAI bezahlt wurden. Ein Teil der Namen auf dieser Liste konnte entschlüsselt werden. Die Spuren führen dabei in die Umgebung des früheren Staatspräsidenten François Mitterrand sowie zu dem rechtsnationalen ehemaligen Innenminister Charles Pasqua. Aus der Umgebung dieser beiden Politiker stammen auch die meisten Personen, deren Namen im privaten Adressbuch von Alfred Sirven gefunden wurden.

Hier deuten sich interessante Parallelen zu anderen Skandalen an, insbesondere zum so genannten Angolagate (Jungle World, 05/01). Anfang voriger Woche wurde in dieser Sache ein Anklageverfahren gegen Pasqua eröffnet. Das Wochenmagazin L'Evénement vermutete bereits im Dezember 1996 einen Zusammenhang zwischen Pasqua, dem Elf-Konzern und den Waffenlieferungen nach Angola.

Bleiben die Ermittler beharrlich, so könnten wohl weit brisantere Informationen zu Tage gefördert werden als im Dumas-Prozess. Doch die Justiz kommt nur langsam voran: Für Ermittlungen in der umfangreichen Elf-Affäre stehen der Untersuchungsrichterin Eva Joly nur eineinhalb Mitarbeiterstellen zur Verfügung.