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Die Jungle World-Redaktion, Mittwochmittag, 13 Uhr: Zeitungspakete aufreißen, die eigene Zeitung durchblättern. Der Layouter prüft den Farbauftrag. Der Chef vom Dienst findet die Fehler, die ihm am Montag durch die Lappen gegangen sind. Die Feuilleton-Redakteurin hofft, dass ihre Artikel im letzten Korrekturgang ihren Sinn behalten haben. Und der Inlandsredakteur sucht vergeblich nach der schönen Alliteration, die er in eine Überschrift gedichtet hatte.

Die 500 Exemplare, die der Kurierdienst liefert, genügen für diesen Zweck völlig. Nur der Geschäftsführer wartet auf das fünfhunderterste Exemplar, das mit der Post kommt. Bzw. er erwartet, dass es nicht kommt. Dann kann er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: Nörgeln. Am Telefon. Bei der Post. Denn die ist schuld, wenn die Abos zu spät ankommen. Außer neulich, als der 1. Mai auf einen Dienstag fiel. Am Kampftag der Arbeiterklasse arbeitet die normal arbeitende Arbeiterklasse nicht normal. Die Abos konnten nicht pünktlich kommen. Aber wer denkt schon in Zeiten fortschreitender Deregulierung, dass ausgerechnet das Produkt deregulierter Redakteurinnen und Redakteure von Menschen in Normalarbeitsverhältnissen ausgeliefert wird. Zumal unsere Post gar nicht mehr Post heißt, sondern Pressedistribution und wir von ihr auch kein Muster für die sozialistische Wirtschaft mehr erwarten.

Warum wir Ihnen das erzählen? Helfen Sie nörgeln, an allen Mittwochen, denen kein 1. Mai vorausgeht. Schneiden Sie diese Homestory aus und kleben Sie sie sich neben das Telefon. Ist die Jungle World Mittwochs nicht im Briefkasten, dann rufen Sie an:

* (030) 61 10 54 71 (inter abo)