Peru nach den Wahlen

Kniefall vor dem Kapital

Alejandro Toledo hat die Präsidentschaftswahlen in Peru gewonnen. Sein designierter Wirtschaftsminister ist ein kompromissloser Neoliberaler.

Mit gespaltener Zunge habe er im Wahlkampf gesprochen, werfen dem neuen Präsidenten Perus, Alejandro Toledo, nun seine Kritiker vor. Die Zugeständnisse ans internationale Kapital passten nicht zu den Versprechungen, die er seiner wichtigsten Wählerklientel, der armen Bevölkerungsmehrheit, gemacht habe.

Das Wechselspiel zwischen dem kosmopolitischen Wirtschaftswissenschaftler und dem einfachen Indio beherrscht Alejandro Toledo perfekt. Seinen zwei Gesichtern hat der 55jährige Mestize auch den knappen Sieg über Alan García bei den Präsidentschaftswahlen vom 3. Juni zu verdanken. Toledo konnte sowohl auf dem Land als auch in der Stadt punkten, doch als Präsident hat er nun beiden Seiten, den Unternehmern und den Indios, gerecht zu werden. Kein leichtes Unterfangen, denn Toledo verfügt weder über eine Parlamentsmehrheit noch über den nötigen finanzpolitischen Spielraum, um die krisenerschütterte Wirtschaft wie versprochen in Schwung zu bringen.

Dafür soll sein Wirtschaftsminister Pedro-Pablo Kuczynski sorgen. Der 63jährige Finanzexperte, der sowohl beim IWF als auch bei der Weltbank angestellt war, ist ein Mann nach dem Geschmack der internationalen Finanzwelt. Ihm wird es obliegen, die Verhandlungen mit dem IWF und dem Pariser Club zu führen, um zu der von Toledo angestrebten Umschuldung und damit zu einer Reduzierung der Zinslast zu kommen. Das ist eine der Voraussetzungen, um neues Auslandskapital nach Peru zu locken, da sind sich Toledo und Kuczynski einig. Die andere ist die von Alberto Fujimori begonnene, aber nahezu zum Erliegen gekommene Privatisierung der restlichen Staatsbetriebe.

Zum Programm des kompromisslosen Neoliberalen Kuczynski gehört aber auch die Reduzierung der Streitkräfte. Nicht weniger als 270 Generäle und Admiräle hat der in Oxford und Princeton ausgebildete Finanzmann im Visier, und ihn stört auch der für lateinamerikanische Verhältnisse überproportionale Anteil der Armee am Haushalt. 20 Prozent des Budgets sind derzeit für die Streitkräfte reserviert, zukünftig wird der Generalstab sparen müssen, wenn es nach dem politisch recht unerfahrenen Kuczynski geht.

Der Zeitpunkt für eine Reduzierung der Streitkräfte ist gut gewählt. Viele Generäle hat bereits die Übergangsregierung von Valentin Paniagua in den Ruhestand versetzt, ein Umbruch wurde eingeleitet. Ein weiterer Impuls zur Neustrukturierung der Armee könnte auch von der »Wahrheitskommission« ausgehen, die von der Übergangsregierung per Dekret eingesetzt wurde und die die Menschenrechtsverletzungen zwischen 1980 und 2000 untersuchen soll. Die siebenköpfige Kommission soll für Versöhnung und für die Aufklärung der jüngeren Geschichte unter dem autoritären Präsidenten Alberto Fujimori sorgen, und auch Vorschläge zur Neustrukturierung der Ordnungs- und Sicherheitskräfte werden von ihr erwartet.

Somit stehen die Chancen nicht schlecht, den Sicherheitsapparat zu verkleinern, der unter Fujimori und seinem Geheimdienstchef Montesinos an der staatlichen Korruption beteiligt war. Und mit den Einsparungen könnte Toledo etwas Spielraum im angespannten Haushalt gewinnen, um Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Gesundheit vorzunehmen.

Nicht so einig sind sich Toledo und sein Wirtschaftsminister in spe über den künftigen wirtschaftspolitischen Kurs. Während Toledo sich im Wahlkampf für eine sozial abgefederte Marktwirschaft stark machte, ist für Kuczynski alles andere als der Freihandel kaum annehmbar. Doch dabei hat auch Alan García ein Wörtchen mitzureden, denn Toledos Organisation Perú Posible verfügt im Kongress nur über 31 der 120 Sitze, benötigt also die Unterstützung anderer Fraktionen. Und da böte sich Garcías Apra mit 29 Mandaten an, die sich ähnlich wie Toledo für einen regulierten Markt einsetzt. Sie feierte nach einem Jahrzehnt der Agonie mit ihrem Präsidentschaftskandidaten eine Art Wiederauferstehung und ist wieder eine ernsthafte politische Kraft.

Und Alan García hat sich auch schon selbst ins Gespräch gebracht, indem er Toledo zum Wahlsieg gratulierte und ihm die Zusammenarbeit anbot. Toledo hat die Hand trotz des mit persönlichen Beleidigungen durchsetzten Wahlkampfs ergriffen und erneut angekündigt, eine »Regierung für alle Peruaner« bilden zu wollen. Bereits in der Wahlnacht bot er dem noch bis zum 28. Juli amtierenden Übergangspräsidenten Valetin Paniagua und dem Außenminister Javier Pérez de Cuellar Posten in seinem Kabinett an. Ein Zeichen dafür, dass Toledo, dem die Boulevardpresse Kokainsucht und Besuche in Limas Rotlichtviertel nachsagt, es ernst meint mit dem viel beschworenen politischen Neuanfang nach Fujimori.

Das haben ihm allerdings längst nicht alle Wähler abgenommen. Immerhin 13 Prozent stimmten ungültig und signalisierten damit ihr Misstrauen gegen beide Kandidaten. Toledo soll, so behauptet Alvaro Vargas Llosa, Sohn des bekannten Schriftstellers, Spendengelder auf die Konten von Familienangehörigen transferiert haben.

García hingegen wird zur Last gelegt, er habe das Land zwischen 1985 und 1990 heruntergewirtschaftet und damit die Ära Fujimori erst ermöglicht. Damals senkte er die Rückzahlung der Auslandsschulden auf zehn Prozent der Exporteinnahmen, woraufhin der Internationale Währungsfonds und die Weltbank Peru als kreditunwürdig einstuften. Damit nahmen die Wirtschaftskrise und eine Hyperinflation von 7 000 Prozent im Jahr 1990 ihren Lauf. Für seine wirtschaftspolitischen »Fehlgriffe« hat sich García zwar längst öffentlich entschuldigt, aber auch ihm haftet der Makel der Korruption an, auf den viele Peruaner mittlerweise allergisch reagieren.

Als Wahl zwischen Teufel und Beelzebub hat die Partei der Nichtwähler die Abstimmung empfunden, und immer wieder waren Stimmen zu hören, die für eine Beibehaltung der Übergangsregierung plädierten. Die hat in den vergangenen Monaten die Grundlagen für eine Erneuerung nach Fujimori gelegt, deren Grenzen nun Toledo ausloten wird.