Ägyptischer Schriftstellerverband schließt Autoren aus

McCarthy in Kairo

Nach der Eskalation des palästinensisch-israelischen Konfliktes geht der ägyptische Schriftstellerverband gegen AutorInnen vor, denen Kontakte zu Israel vorgeworfen werden.

Seit dem Beginn der so genannten al-Aqsa-Intifada und der militärischen Unterdrückungsmaßnahmen Israels ist die Solidarität mit dem »palästinensischen Volk« wieder zu einem der Hauptthemen der ägyptischen Intellektuellen und Mittelschichten geworden, egal ob sie sich politisch in der Linken oder bei der islamistischen Muslim-Bruderschaft verorten.

So rief Mitte Mai Mahmoud Abdel Maqsud, der Vorsitzende der ägyptischen Pharmazeutengewerkschaft, zu einem Boykott des US-Arzneimittelherstellers Eli Lilly auf, weil der Konzern angeblich kostenlose Medikamente an israelische Siedler in den 1967 besetzten Gebieten verteilt. Maqsud hielt auch an seinen Boykottaufruf fest, als sich herausstellte, dass die Medikamente an Überlebende des Holocaust in Israel abgegeben werden, da er den Konzern in der Pflicht sieht, »dieselbe Unterstützung für palästinensische Opfer der israelische Aggression« bereitzustellen. Der Aufruf wurde kaum befolgt, ist aber typisch für das derzeit herrschende politische Klima.

Kritische Intellektuelle stehen unter dem Druck nationalistischer und islamistischer Kräfte, die eine härtere Haltung gegenüber Israel fordern und jeden Ansatz zur Normalisierung der ägyptisch-israelischen Beziehungen bekämpfen. Bereits 1979 unterzeichnete der damalige Präsident Anwar el-Sadat in Camp David ein Friedensabkommen mit Israel. Staatschef Hosni Mubarak hält daran fest, doch für einen großen Teil der ägyptischen Gesellschaft und die Mehrzahl der Intellektuellen ist es bis heute undenkbar, mit Israel Frieden zu schließen.

Am 24. Mai hat der ägyptische Schriftstellerverband den Dramaturgen Ali Salem ausgeschlossen, um seine Solidarität mit dem palästinensischen Aufstand unter Beweis zu stellen. Der Schriftsteller, der mehr als 25 Stücke geschrieben hat, war der erste bekannte ägyptische Intellektuelle, der Israel besuchte. 1994, als mit dem Abkommen von Oslo der Friedensprozess begann, knüpfte Salem Kontakte zu israelischen FriedensaktivistInnen von Peace Now und zu israelischen Intellektuellen, die mit palästinensischen Forderungen sympathisierten.

Nach dem Vorbild der israelischen Organisation Peace Now gründete Salem in Ägypten die Cairo Peace Society (CPS) und geriet deshalb bereits mehrfach in die Kritik antizionistischer Schriftstellerkollegen. Salem hatte nie Kontakte zur israelischen Regierung. Die Gespräche mit israelischen FriedensaktivistInnen genügten dem Schriftstellerverband als Begründung für den Ausschluss, da Salem »Israel mehrere Male besucht hat und ein Buch über diese Besuche publizierte. Dazu verfasste er mehrere Artikel, die die Normalisierung der Beziehungen mit Israel unterstützten, was den grundsätzlichen Zielen und den Resolutionen des Generalrats des Schriftstellerverbandes widerspricht.«

Salem reagierte auf seinen Ausschluss mit heftiger Kritik am »dummen McCarthyismus« des Schriftstellerverbandes, in dem sich »eine extremistische Gruppe« durchgesetzt habe. »Der Schriftstellerverband ist eine Gewerkschaft und keine politische Organisation. Er kann also nur Mitglieder ausschließen, die einen gravierenden beruflichen Fehler begangen haben, und auch nur, nachdem sie befragt wurden.« Salem verlor seine Mitgliedschaft im Schriftstellerverband, ohne dass er die Möglichkeit hatte, zuvor seine Position darzulegen.

Er ist aber nicht der einzige, der unter dem Druck der antizionistischen Öffentlichkeit steht. In den letzten Monaten wurde mehrfach über die Übersetzung von Werken ägyptischer Schriftsteller ins Hebräische öffentlich debattiert. Der palästinensische Universitätsprofessor Edward Said, selbst kein Freund Israels, kritisierte bereits in der Vergangenheit die Boykottpolitik auch gegenüber oppositionellen Israelis.

In al Ahram-weekly, der englischen Ausgabe der größten ägyptischen Tageszeitung, bezeichnete er die Debatte als »ein peinliches Spektakel seriöser arabischer Schriftsteller, die gerade ihre Kollegen beschuldigen, sich selbst zu 'erlauben', ihre Beziehungen mit Israel zu 'normalisieren', die idiotische Phrase, die benutzt wird, um jemanden als Kollaborateur mit dem Feind zu denunzieren«. Stattdessen sollten arabische Schriftsteller versuchen, die öffentliche Meinung in Israel zu beeinflussen: »Sind hebräische Übersetzungen arabischer Literatur nicht ein Weg, in das kulturelle Leben der Israelis einzutreten, die Vorstellungen der Menschen von der blutigen Leidenschaft zu einem verantwortungsvollen Verstehen des arabischen Anderen zu verwandeln, besonders wenn der israelische Verleger damit ein Zeichen des Protestes gegen die barbarische Politik Israels gegenüber den Arabern setzen will?«

Auch der einzige arabischsprachige Literaturnobelpreisträger Nagib Mahfus kritisierte das Vorgehen gegen Salem. Auf der Titelseite der Tageszeitung al-Hayat forderte der 90jährige Schriftsteller aus Kairo, Ali Salem zumindest zuerst zu befragen und nicht einfach so aus dem Verband zu werfen. Mahfus war bereits zu Sadats Zeit einer der wenigen Intellektuellen, die das Camp-David-Abkommen befürworteten. Für sein Buch »Die Kinder unseres Viertels« wurde er selbst von islamischen Fundamentalisten angegriffen, 1994 versuchte ein Extremist sogar, ihn zu ermorden.

Der Schriftstellerverband aber bleibt stur. Auf die Kritik des Literaturnobelpreisträgers reagierte er am 29. Mai mit der Drohung, »Maßnahmen« gegen Nagib Mahfus zu ergreifen, wenn dieser einen Vertrag mit einem israelischen Verleger unterzeichnen sollte. Wenn der ägyptische Schriftstellerverband jedoch daran denken sollte, auch den international bekanntesten ägyptischen Schriftsteller auszuschließen, wird sich bald die Frage stellen, ob es sich dabei noch um eine repräsentative Berufsvertretung handelt oder nur mehr um ein antiimperialistisches Palästina-Solidaritätskomitee der ägyptischen Schriftsteller, in dem einige der wichtigsten Literaten des Landes fehlen.