Nach den Wahlen im Iran

Quadratur des Bartes

Mit großer Mehrheit haben die Iraner am vergangenen Donnerstag den charismatischen Präsidenten Mohammad Khatami in seinem Amt bestätigt. Von über 42 Millionen Wahlberechtigten stimmten 21,65 Millionen für Khatami. Im Vergleich zu den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1997 konnte Khatami seinen Stimmenanteil um acht Prozentpunkte auf 77 Prozent erhöhen, die Wahlbeteiligung dagegen fiel von 83 auf 67 Prozent. Während die vom Wächterrat zu diesen pseudodemokratischen Wahlen zugelassenen Gegenkandidaten (Jungle World, 23/01) weiter an Unterstützung verloren, hat sich ein Teil jener, die auf Reformen hofften, enttäuscht von Khatami abgewandt.

Diese Enttäuschung spricht auch aus den Einschätzungen jener westlichen Kommentatoren, die große Hoffnungen auf Khatami setzten. So zieht der Islam-Experte Udo Steinbach, der Direktor des Deutschen Orient-Instituts und informeller Berater der deutschen Politik, in einem Interview mit FAZ.NET eine eher negative Bilanz der ersten Amtsperiode Khatamis und kommt zu dem Schluss: »Khatami fehlen die Ellenbogen.«

Obwohl zwei Wochen vor den Pseudowahlen eine Frau gesteinigt und ein Mann unter dem Vorwurf der Spionage für die USA hingerichtet wurde, meint Steinbach, ein Teil der Justiz sei liberaler geworden. Dem Präsidenten rät er, die Reformprojekte entschiedener voranzutreiben und alle Kräfte des Parlaments zu mobilisieren - als ob die Reform der Diktatur nicht die Macht des khomeinistischen Staates stabilisieren würde. Eine zentrale Erkenntnis aber hat Steinbach gewonnen: Demokratie und Rechtstaatlichkeit auf dem Boden der Verfassung einführen zu wollen, habe »sich bislang als die Quadratur des Kreises erwiesen«.

Die islamistische Verfassung definiert den engen Rahmen, in dem allein legale Politik möglich ist. Wer diese auch von Khatami verfochtene »rote Linie« überschreitet, kann nicht mit der Toleranz der angeblichen Reformkräfte rechnen. Anlässlich der Aufstände iranischer Jugendlicher in den letzten Jahren warnte der Präsident immer wieder vor Gesetzeswidrigkeiten. Khatami will weder die Verfassung ändern noch die archaische islamische Gesetzgebung abschaffen oder nicht islamistische Meinungen zulassen. Ohnehin bedürfen alle Reformen der Zustimmung des religiösen Führers Ali Khamenei und des Wächterrates. Die religiösen Institutionen sind neben dem Präsidenten selbst die diktatorischen Instanzen und Barrieren für eine Demokratisierung, die eine Trennung von Staat und Religion und die damit verbundene Abschaffung der islamistischen Organe voraussetzt.

Wenn Steinbach von einem Präsidenten, der die Verfassung verteidigt, deren Überwindung erhofft, fordert er selbst etwas, das einer Quadratur des Kreises gleichkommt. Eindeutiger argumentiert der britische Iran-Experte Fred Halliday, wie die in London erscheinende Zeitung Nimrooz berichtet: Jenseits der Frage, wer schließlich Präsident werde, seien die Probleme des Iran nicht leicht zu lösen. Das Regime versuche, mit seiner Propaganda von Kulturinvasionen und ausländischen Verschwörungen die Kontrolle über die Gesellschaft zu behalten. Alle Fraktionen im Staatsapparat gingen davon aus, dass die Zeit für sie arbeite, aber weder die iranische Gesellschaft noch die Welt seien bereit, ihnen unbeschränkt Zeit zu geben.

Noch haben die meisten Iraner die Hoffnung auf friedliche Veränderungen nicht aufgegeben, auch wenn ein großer Teil seiner Wähler in Khatami eher das kleinere Übel als einen Heilsbringer sieht. Doch die Unzufriedenheit wächst, insbesondere unter den Jugendlichen, die am heftigsten gegen die islamistischen Restriktionen protestieren und bei einer Arbeitslosigkeit von mindestens 30 Prozent kaum Zukunftschancen haben. Auch wenn die Mullahs derzeit noch das Gegenteil glauben mögen - die Zeit arbeitet gegen sie.