Überzeugend sterben

Die wiedergewählte britische New Labour-Regierung verfolgt eine ebenso rigide Asylpolitik wie die Konservativen. Sie verkauft ihre Maßnahmen aber als antirassistische Praxis.

Die Debatte der beiden großen britischen Parteien über das Asylrecht ist eine populistische Hetzkampagne. Die wiedergewählte New Labour Party und die oppositionellen Tories versuchen, sich gegenseitig mit Vorschlägen zur Verschärfung des Asylrechts und zur Einschränkung des Rechtsschutzes für Asylsuchende zu übertreffen.

Innenminister Jack Straw und Premier Anthony Blair haben im Wahlkampf nochmals ihre Vorschläge vom Februar für eine gemeinsame europäische Asylpolitik unterbreitet. So forderten sie ein Netzwerk europäischer Einwanderungsbeamter, die in Zusammenarbeit mit der Polizeibehörde Europol Flüchtlingsrouten stilllegen sollen, und die Errichtung von Internierungslagern in den Krisengebieten. (Jungle World 09/01). Asylsuchende sollen außerdem ihren Antrag nur noch in einem Staat stellen können, der an ihr Herkunftsland grenzt. Das gesamte Asylprüfungsverfahren würde also in sicherer Entfernung von der Festung Europa stattfinden.

Den Grundstein für das gegenwärtige Abschreckungssystem in Großbritanien legten 1996 die Tories mit einem reformierten Asyl- und Einwanderungsgesetz. Es sah eine Beschränkung des Rechts auf Sozialhilfe während des Asylverfahrens auf diejenigen Personen vor, die ihren Antrag bei der Einreise gestellt hatten. Zudem wurde eine so genannte weiße Liste von sieben angeblich sicheren Herkunftsländern erstellt. Die Anträge von Asylsuchenden aus diesen Ländern wurden automatisch als unbegründet eingestuft und in einem beschleunigten Verfahren abgelehnt.

Und ebenso wie in den Schengen-Staaten blieb den Flüchtlingen, die über ein so genanntes sicheres Drittland - in der Regel einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union - an den britischen Grenzen angekommen waren, der Zugang zum Asylverfahren versperrt. Abgewiesene Flüchtlinge konnten zwar Rechtsmittel einlegen, allerdings erst nach ihrer Abschiebung vom Ausland aus.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes stieg die Zahl der inhaftierten Asylbewerber sprunghaft an. Die Labour Party profilierte sich in der Opposition als entschlossene Gegnerin des Tory-Gesetzes und stimmte im Parlament dagegen. Straw, damals noch Schatteninnenminister, kritisierte, dass die neuen Bestimmungen den Fremdenhass schürten und zu einer unmenschlichen Behandlung von Asylbewerbern führten.

Nach ihrem Wahlsieg 1997 verurteilte die New Labour-Regierung zwar weiterhin die Asylpolitik ihrer konservativen Vorgängerin, nun aber mit anderen Argumenten. Das grundsätzliche Problem des Gesetzes sei seine Unwirksamkeit und nicht die Entrechtung von Flüchtlingen, denn es habe den »Zustrom von Asylsuchenden« nicht gebremst. 1999 verabschiedete die Regierung von Premierminister Blair ein eigenes Einwanderungs- und Asylgesetz.

Allerdings unterschied sich die Rhetorik, welche das Labour-Gesetz begleitete, von jener der Tories. Hatten die Konservativen 1996 behauptet, ihr Gesetz sei notwendig, um die britische Bevölkerung vor Asylbetrügern zu schützen, erklärte New Labour 1999, man wolle mit dem Gesetz echte Asylsuchende vor den betrügerischen schützen. New Labour folgte einer ebenso einfachen wie brutalen Logik. Die Aufnahmebedingungen und die allgemeine Behandlung von Asylbewerbern sollten so unerträglich gestaltet werden, dass nur aus echter Not geflohene Menschen bereit sein würden, sich damit abzufinden.

Kritikern entgegnete die Parteispitze, das neue Gesetz komme nicht dem Rassismus der Briten entgegen, sondern trage im Gegenteil zu dessen Abbau bei. Die Ausländerfeindlichkeit in der britischen Öffentlichkeit werde abnehmen, wenn diese sicher sei, dass nur »echte Verfolgungsopfer« einen Asylantrag stellen könnten.

Seither erhalten Asylbewerber keine Sozialhilfe mehr, sondern Gutscheine - ähnlich wie in vielen Kommunen der Bundesrepublik seit dem Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes von 1997. Der Wert der Gutscheine beträgt in Großbritannien etwa 70 Prozent der früheren Sozialhilfeleistungen. Zudem werden die Empfänger beim Einkaufen beraubt: Liegt der Wert der Einkäufe unter dem des Gutscheins, darf kein Wechselgeld gegeben werden.

New Labour schaffte zwar die weiße Liste ab, führte dafür aber die Oakington-Liste ein, auf der nun über 30 angeblich sicherere Länder verzeichnet sind, darunter Zimbabwe, China, Pakistan, Irakisch-Kurdistan und seit kurzem auch die Türkei. Asylsuchende aus diesen Ländern werden in das so genannte Oakington-Empfangszentrum in der Nähe von Cambridge gebracht.

Hinter dem Stacheldraht der mit 400 Schlafplätzen ausgestatteten Gewahrsamseinrichtung werden die Asylanträge innerhalb von sieben Tagen in einem beschleunigten Verfahren bearbeitet, wobei die Anerkennungsquote nahe null Prozent liegt. Theoretisch kann ein abgelehnter Asylbewerber Widerspruch beim High Court, dem britischen Pendant zum Bundesverwaltungsgericht, einlegen. Aber normalerweise werden die Flüchtlinge nach der ersten gerichtlichen Bestätigung einer Ablehnung ihres Asylantrags vom Gutscheinversorgungssystem ausgeschlossen und damit faktisch ausgehungert, um eine schnelle Ausreise zu erzwingen.

Die Anzahl der inhaftierten Asylbewerber und der Abschiebungen wächst seit dem Inkrafttreten des Labour-Gesetzes weiter stetig an. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 8 000 Menschen deportiert, im Jahr der Regierungsübernahme von New Labour 1997 waren es ungefähr 6 000. War die Zahl derjenigen, die auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag in erster Instanz warteten, zwischen 1997 und Anfang 2000 von 50 000 auf 100 000 Personen gestiegen, sank sie in den letzten zwölf Monaten auf 35 000. Was die Regierung als großen Erfolg ihrer Asylpolitik rühmt, hat jedoch die einfache Erklärung, dass etwa 30 Prozent aller Anträge pauschal ohne irgendeine Form der Bearbeitung abgelehnt werden.

Ex-Innenminister Straw war offenbar der Meinung, dass nur Tote als politische Flüchtlinge anerkannt werden sollten. Regelmäßig entdecken abgelehnte Asylbewerber in der Begründung für die Entscheidung Sätze wie den folgenden: »Der Innenminister meint, dass die bewaffneten Soldaten, die Ihr Haus angriffen, jede Gelegenheit hatten, Sie umzubringen. Dass Sie aber nicht umgebracht worden sind, führt den Innenminister zu der Schlussfolgerung, dass die Behörden in ihrem Land kein Interesse an Ihnen haben.«

Allen Abschottungs- und Abschreckungsmaßnahmen zum Trotz hat die New Labour- Regierung jedoch ihr Hauptziel, den Rückgang der Asylbewerberzahlen, nicht erreichen können. Im Wahlkampf warfen die Tories deshalb der Blair-Regierung vor, ihrer Asylpolitik mangele es an Wirksamkeit. New Labour versprach daraufhin eine konsequentere Anwendung der Bestimmungen. Die Regierung plant nun, in den nächsten zwölf Monaten 30 000 abgelehnte Asylsuchende und ihre Familien abzuschieben sowie vier neue Gewahrsams- und Abschiebeknäste mit insgesamt 1 800 Plätzen zu schaffen.

Die Asylpolitik des ehemaligen politischen Flügels der britischen Gewerkschaften verfolgt nur ein Ziel: die möglichst perfekte Abschottung und Abriegelung Großbritanniens gegen Asylsuchende.