Bush in Europa

Der böse Onkel aus Amerika

Der smarte Mann aus Texas scheint geradezu geschaffen für europäische Vorurteile. So wusste der US-amerikanische Präsident George W. Bush zu Beginn seiner Europareise nicht einmal den Namen des spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar richtig auszusprechen. Bush habe zwar keine Ahnung, dafür spucke er gerne große Töne, lauten die Kommentare von Paris bis nach Berlin.

Wie kein anderer Präsident seit Richard Nixon steht Bush für ein neues imperiales Auftreten der letzten Supermacht. Die Meinung der restlichen Welt über den Vertrag von Kyoto, die Todesstrafe und die Pläne für eine weltraumgestützte Raketenabwehr scheint in Washington niemanden zu interessieren. Daher nehmen in Europa die antiamerikanischen Ressentiments deutlich zu. Das bekam Bush auch während seines kurzen Auftritts beim EU-Gipfel in Göteborg zu spüren, als etwa 12 000 Menschen gegen ihn demonstrierten.

Für viele Aktivisten war das EU-Treffen in Göteborg jedoch nur der Auftakt des summer of resistance, der über das World Economic Forum in Salzburg zum G8-Gipfel nach Genua führen wird. Für die Demonstranten ist die Europäische Union nur eine regionale Agentur der Globalisierung, die Europa den neoliberalen Spielregeln multinationaler Konzerne anpassen will.

Globalisierungskritiker wie etwa die französische Organisation Attac sehen in der weltweiten Dominanz der Finanzmärkte den Ursprung allen Übels, dem sich auch die europäischen Regierungen unterwürfen. Nicht die Warenproduktion, sondern die Diktatur der Börsen ist demnach für Entlassungen, soziale Deregulierung und Verarmung verantwortlich.

Auch die französische Monatszeitschrift Le monde diplomatique wähnt die europäische Zivilisation von der uniformen Kultur des Neoliberalismus bedroht. Wo diese ihren Ursprung hat, ist keine Frage. Die Verantwortlichen für die Globalisierung sitzen in Washington, New York und Los Angeles.

Noch drastischer äußert sich der Antiamerikanismus in einigen deutschen Blättern. »Es ist, als hätten Europas Eliten und die veröffentlichte Meinung erst seit dem Amtsantritt von Bush jun. die Einsicht gewonnen, daß die USA eine rücksichtslose Großmachtpolitik betreiben«, kommentierte etwa die junge Welt, um anschließend bedauernd festzustellen: »Wie wohltuend wäre dieser Antiamerikanismus zwei Jahre zuvor gewesen, als Westeuropa in Jugoslawien unter amerikanischem Kommando einen Krieg gegen sich selbst führen mußte.«

Die ressentimentgeladenen Zuschreibungen sind eindeutig: Amerikanische Drahtzieher hetzten die Völker gegeneinander auf, die Kultur der alten Welt werde von Hollywood ruiniert, ihre sozialstaatlichen Traditionen würden von der Wall-Street untergraben. Nicht auszuschließen, dass der Antiamerikanismus in Europa eine Renaissance erlebt, angetrieben von einer populistischen Linken, die ihre Ideologiekritik längst aufgegeben hat.

Es gibt keinen Grund, den konservativen Präsidenten aus dem Weißen Haus zum Feindbild zu stilisieren, zumal in Österreich und Italien neofaschistische Parteien in der Regierung sitzen. Bush wird bald wieder nach Europa reisen und den G8-Gipfel in Genua besuchen. Spätestens dann sollte den linken Kapitalismuskritikern klar sein: Nicht die Globalisierung ist der Feind. In Genua ist der Gegner ein Europäer und hört auf den Namen Berlusconi.