Missmanagement im Profifußball

Kölmels leere Kassen

Viele Fußballvereine stehen vor dem Aus. Schuld ist jedoch nicht der Medienmanager Michael Kölmel, sondern das Missmanagement der Proficlubs.

Der deutsche Fußball hat ein neues Feindbild: Michael Kölmel, promovierter Mathematiker und Vorstandsvorsitzender der Kinowelt AG in München. Seit Juni dieses Jahres gilt der 47jährige vielen Beobachtern endgültig als suspekte Figur. Mitten in der heißen Lizenzierungsphase beim DFB entzog der Vermarkter von 14 Fußballvereinen zahlreichen seiner Klienten die von ihm in Aussicht gestellten Bankbürgschaften. Ohne einen Schutzbrief von Kölmel müssen nun die meisten der betroffenen Clubs um ihre Zukunft im Leistungssport bangen.

»Eine Schweinerei. Was Kölmel macht, ist Vertrauensbruch«, entrüstete sich der Vizepräsident des Verbands, Engelbert Nelle. Die Fans drückten sich weit drastischer aus. »Tod und Hass der Kinowelt«, plakatierten Anhänger von Fortuna Düsseldorf beim Regionalliga-Gastspiel ihrer Elf in Babelsberg.

Dabei sorgt sich auch Kölmel selbst um den Zustand des deutschen Fußballs: »Wahnsinn, was da abläuft.« Gegenüber der Berliner Zeitung beklagte er das Missmanagement vieler Clubs: »Diese Vereine fahren den Karren vor die Wand und hoffen, dass wieder die Sportwelt auftaucht und sie aus dem brennenden Wrack rettet. Alle diese Vereine haben von mir Geld bekommen, das sie bis 2003 einsetzen sollten. Das ganze Geld ist jetzt schon weg.«

1998 hatte der Medienmanager mit dem Sammeln von Fußballclubs begonnen. Der 1. FC Union Berlin war der erste Verein, bei dem der Unternehmer einstieg, inzwischen ist er in 14 weiteren engagiert. Die meisten rettete er mit Millionenbeträgen vor dem sicheren Bankrott. Die Vereine hatten jedoch in der Regel nur eine Sicherheit zu bieten: viel Tradition und den unbedingten Willen, in den bezahlten Fußball zurückzukehren. Nach Union - der Berliner Club hatte Mitte der neunziger Jahre 14 Millionen Mark Schulden - begaben sich Karlsruhe, Mönchengladbach, Aachen, Waldhof Mannheim, Jena, Dynamo Dresden und Sachsen Leipzig unter Kölmels Fittiche.

Der Selfmademan hat jedoch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er kein selbstloser Mäzen ist, der großzügig sein durch den Börsengang der Kinowelt AG eingenommenes Vermögen verteilen möchte. »Natürlich rechne ich auch damit, dass diese Investitionen Profit abwerfen«, erklärte der gebürtige Karlsruher, dessen Vater früher Vereinsarzt beim Karlsruher SC war. Den finanziellen Rückfluss sollte die Kinowelt-Tochter Sportwelt GmbH sicherstellen. Die Düsseldorfer Firma, die zu 90 Prozent den Brüdern Michael und Rainer Kölmel gehört, übernahm beim 1. FC Union Berlin rund 75 Prozent des Marketings, in der Hoffnung, dass der Verein bald die Amateur-Regionalliga in Richtung erste und zweite Bundesliga verlassen möge, wo große Gewinne winken. »In der Regionalliga lässt sich nicht vernünftig wirtschaften«, erklärte Heiner Bertram, Präsident des 1. FC Union, der vergleichweise seriös geführt wird, obwohl die Verbindlichkeiten des Vereins mittlerweile auf 18 Millionen Mark angestiegen sind.

Das Problem ist struktureller Natur. Jeder Regionalligist kassiert knapp über 600 000 Mark an TV-Honoraren aus dem DFB-Topf. Eine magere Summe angesichts der horrenden Etats, die Vereine zum Aufstieg benötigen. Auf über elf Millionen Mark belief sich der Haushalt bei Union in der letzten Saison. Die Konkurrenz spielte va banque, um einen der beiden Aufstiegsplätze zu ergattern, aber nur Union und der Außenseiter Babelsberg schafften den Sprung in die zweite Bundesliga.

Dort lässt es sich gelassener wirtschaften. Pro Saison und Verein gibt es mindestens sechs Millionen Mark vom Fernsehen. Darauf spekuliert auch die Sportwelt GmbH, verheißt das TV-Geld doch den Rückfluss der Anschubfinanzierung. Kölmels Kritiker witterten hinter diesem Modell stets »Knebelverträge«, mit denen sich die Vereine dem vermeintlichen Glücksritter aus München auslieferten. Aber was wäre die Alternative für die oftmals über alle Maßen verschuldeten Vereine gewesen?

Kölmels Modell schien zunächst zu funktionieren. 1999 stieg der SSV Ulm in die erste Liga auf, Alemannia Aachen und Waldhof Mannheim schafften den Sprung in die Zweitklassigkeit. In der nächsten Saison kehrt Mönchengladbach in die Bundesliga zurück, Union Berlin, Karlsruhe und Schweinfurt steigen in die zweite Liga auf.

Trotz hoher Subventionen kamen Hoffnungsträger wie der frühere DDR-Meister Sachsen Leipzig, Rot-Weiß Essen, Eintracht Braunschweig oder Fortuna Düsseldorf jedoch nicht auf die Beine. Ulm erlebte zudem einen beispiellosen Absturz aus der Bundesliga in die Amateurklasse.

Oft war Misswirtschaft der Grund. Kölmels Geld wurde mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen, hire & fire war angesagt bei der Suche nach Trainern und Spielern, die es besser machen sollten. Sachsen Leipzig soll die bis 2003 vorgesehenen Zuschüsse längst ausgegeben haben. Und Fortuna Düsseldorf schaffte sogar das Kunststück, in die Oberliga abzusteigen.

Alles auf eine Karte setzte auch Magdeburg. Der Europacup-Sieger von 1974 versuchte, den Aufstieg in die Regionalliga mit einem für Viertliga-Verhältnisse unfassbaren Etat von angeblich sechs Millionen Mark zu erzwingen. Mit einem ähnlich großen Haushaltsvolumen gelang St. Pauli gerade die Rückkehr in die Bundesliga. Kurzum: Meist versickerte der Geldregen aus Kölmels Kasse einfach. Erfolgreiche Klubs wie Union, Karlsruhe oder Schweinfurt blieben Ausnahmen, den Rest nennt Kölmel »Sozialfälle«. Nun ist er nicht länger gewillt, das finanzielle Risiko für diese Clubs mittels Bürgschaften zu übernehmen.

Außerdem fühlt er sich vom DFB übervorteilt. Warum, fragt Kölmel, sollen »seine« Vereine beim Lizenzierungsverfahren Bürgschaften vorlegen, andere Klubs jedoch nicht? Der Sponsor zog im Lizenzverfahren zur Saison 2001/2002 die Notbremse. Das Engagement bei Klubs ohne die mittelfristige Perspektive, »dass wir dort Rückzahlungen erhalten«, so Sportwelt-Geschäftsführer Heinrich Brands, werde beendet.

Man hat es nicht nur satt, erfolglose Clubs weiterhin durchzuschleppen. Der Mutterfirma Kinowelt steht das Wasser offensichtlich bis zum Hals. Grund sind nicht nur Megaflops wie die Hubbard-Verfilmung »Battlefield Earth«. Die Talfahrt am Neuen Markt hat den Aktienkurs des Unternehmens von 60 auf unter fünf Euro fallen lassen. Kölmel hat nach Berichten der Leipziger Volkszeitung einen Investitionsstopp erlassen. Ausgaben über 800 Mark müssen angeblich von einer eigens eingerichteten Clearing-Stelle abgesegnet werden.

Nach dem Rückzug der Sportwelt begann die Zeit der Populisten. Magdeburgs Vereinspräsident Lutz Trümper, zugleich Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, forderte die Fans zu Sonderkollekten auf. Kinder gingen sammeln, Trümper pumpte Sympathisanten an. Die Rettung in letzter Sekunde scheint auch in Essen gelungen zu sein, wo das Präsidium um Rolf Hempelmann »Tag und Nacht« an einem eigenständigen Finanzkonzept zimmerte. Für Ulm, Göttingen und Sachsen Leipzig, die mit Kölmels Geld extrem unvernünftig wirtschafteten, scheint dagegen bald Schluss zu sein.