Sparpolitik und Bankenkrise

Haste mal 'ne Mark?

In der Bankenkrise setzt die neue Berliner Regierung auf die gleichen Rezepte wie die alte: sparen, sparen, sparen. Nützen wird das nichts.

Sie sind wild entschlossen zu sparen, zu entlassen und zu privatisieren. Das trifft für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), den CDU-Spitzenkandidaten Frank Steffel und seinen FDP-Kontrahenten Günter Rexrodt zu, aber auch für die Grüne Sybill Klotz sowie für Gregor Gysi (PDS). Eigentlich scheint die Frage nur noch zu sein, in welcher Konstellation die Sparfanatiker sich nach den Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst zusammentun.

Dabei hätte doch das Milliardenloch, das durch die Pleite der Berliner Bankgesellschaft in den öffentlichen Kassen der Hauptstadt entstanden ist, genügen müssen, die Aussichtslosigkeit dieses Weges aufzuzeigen. Nachdem man schon gehofft hatte, den jährlichen Fehlbetrag von elf Milliarden Mark auf fünf Milliarden drücken zu können, lässt sich nun wohl ein stabiles Minus von neun Milliarden Mark pro Jahr erwarten.

Aber auch ein sparpolitischer Erfolg hätte Berlin nicht geholfen, aus der finanz- und haushaltspolitischen Misere herauszukommen. So rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Prognose für das Jahr 2005 vor: »Auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Folgen der Bankenkrise für die Stadt verbleibt noch ein Defizit in der Größenordnung von vier Milliarden Mark; das sind etwa zehn Prozent des Haushaltsvolumens. Selbst dies wäre für Berlin allein kaum zu schultern.« Zuvor wird Berlin allerdings noch den konjunkturellen Abschwung und die Folgen der Steuerreform zu verkraften haben.

Natürlich wissen das auch die Finanzpolitiker der Hauptstadt. Ihre Hoffnung, die Sparpolitik allein werde für eine besser Zukunft sorgen, beruht allerdings auf zwei Denkfehlern. Erstens waren die von Eberhard Diepgen (CDU) und seinen Getreuen durchgeführten Maßnahmen zu erfolgreich, als dass ein fiskalpolitischer Notstand glaubwürdig hätte ausgerufen werden können. Das aber wäre nötig, um Geld aus den Kassen von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) zu bekommen.

Für eine strukturpolitische Wende wiederum war die CDU-Politik nicht erfolgreich genug. Insofern kommt den Hauptstadtpolitikern das Debakel der Berliner Bankgesellschaft nicht ungelegen, könnte das daraus resultierende Milliardenloch doch noch den ersehnten finanzpolitischen Notstand herbeiführen. Notfalls müsste dessen Anerkennung eben vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erstritten werden, wofür sich die DIW-Experten schon mal bestens empfehlen.

Zweitens ist der finanzpolitische Nachwuchs allein deshalb guten Mutes, weil er die Werte der Neuen Mitte repräsentiert. Zwischen den Ansprüchen des immer noch mehrheitlich christdemokratisch wählenden Westens der Stadt und dem sozialdemokratischen Osten werden die künftig Regierenden in Fragen der Umverteilung also in Kanzler-Manier lavieren müssen. Dem DIW zufolge unter sich wandelnden Bedingungen: »Insbesondere im Bereich wissensintensiver und anderer unternehmensnaher Dienstleistungen drängen in Berlin in stark zunehmendem Maße neue Unternehmen auf den Markt. Dies war im letzten Jahr auch bei den privaten Dienstleistungen im Bereich der Medien und Kultur zu beobachten.« Um sich kurzfristig fiskalpolitisch Luft zu verschaffen, werden die Vertreter der Neuen Mitte bei SPD und Grünen daher an der PDS als Bündnispartner kaum vorbeikommen.

Auch wenn der provinzielle Zug der Berliner Bankenkrise nicht zu bestreiten ist - schließlich hängen die Berliner Volksbanken seit Jahren am Tropf, zwei Milliarden Mark verschlangen allein die Genossenschaftsbanken -, haben die Defizite inzwischen eine Größenordnung erreicht, die diesen Rahmen sprengt. Der Hintergrund der Berliner Bankenkrise ist alles andere als provinziell. So erklärte Jochen Sanio, der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (Bakred): »Es handelt sich um die schwerste Institutskrise, die es seit Bestehen des Aufsichtsamtes gegeben hat.«

Aber erst seitdem das Aufsichtsamt der Berliner Bankgesellschaft einen Wertberichtigungsbedarf von 7,4 Milliarden Mark bescheinigt hat, beschäftigt man sich nicht nur mit dubiosen Parteispenden, sondern auch mit dem Finanzskandal. Die Börsenzeitung notierte im Juni überrascht: »Manche, die sich die Verhältnisse näher angeschaut haben und auch schon Gespräche mit Verantwortlichen geführt haben, wirken geradezu konsterniert angesichts des Defizits an Realitäts- und Problembewusstsein, auf das sie im Eigentümerkreis der Bankgesellschaft gestoßen sind.«

So gesehen erscheint das Berliner Bankendebakel als Teil einer Immobilien- und Bankenkrise, wie sie bislang nur die USA und Japan erlebt haben. Der Vergleich zwischen den märkischen Managern und den fernöstlichen drängt sich geradezu auf. Denn nach wie vor haben die Geschäftsbanken ihre Immobiliensparte nicht im Griff, was auch auf den Zusammenbruch der Immobilienmärkte in den neuen Ländern zurückzuführen ist.

»Die Tochtergesellschaft IBG schaffte es«, schrieb etwa die Neue Zürcher Zeitung über das Berliner Finanzhaus, »mit weitgehenden Zusagen hinsichtlich Rücknahme und Ausschüttungen an gut 70 000 Anleger, die dem Unternehmen über sieben Milliarden Mark anvertrauten, zum größten Emissionshaus für Immobilienfonds in Deutschland zu werden.« Und in Leipzig klagte Ingrid Winter vom Dachverband Haus & Grund, dass im Frühjahr 20 Prozent der sanierten Altbauten leergestanden hätten, heute seien es bereits 28 Prozent. Bis 2003 würden es 40 Prozent werden. »Viele Hauseigentümer, die in die Sanierung ihrer Häuser investiert haben, stehen vor dem Ruin.«

In der Hauptstadt sieht es nicht besser aus. So rechnet die Münchner Bulwien AG zwar mit einer Wende auf den westdeutschen Büromärkten, Berlin aber müsste mit einem Verlust von zehn Prozent rechnen. Angesichts der prognostizierten Büroneubauten befürchtet Bulwien eine Überproduktion. Und auch das Eduard-Pestel-Institut in Hannover rechnet mit neuen Pleiten im Berliner Immobiliensektor. »Erst von 2004 an werden die Mieten wieder steigen und mit zeitlicher Verzögerung von ein bis zwei Jahren die Preise nach sich ziehen. Bis dahin aber werden zum Teil noch erhebliche Wertverluste für Wohnimmobilien eintreten.« Da hilft auch Sparen nicht.