Porträt von Pete Sampras

Tennis ist Arbeit

Die Karriere von Pete Sampras neigt sich ihrem Ende zu. Der beste Tennisspieler aller Zeiten ist auch ein großer Langweiler.

Pete against Andre, so hieß ein Zweikampf, der in den neunziger Jahren in den Werbespots der Sportartikelfirma Nike stattfand. Pete Sampras und Andre Agassi wetteiferten darum, der beste Tennisspieler der Welt zu sein. Mit der bewussten Reduktion der Komplexität des modernen Tennis sollte den Konsumenten weisgemacht werden, dass das Profitennis durch das Duell Sampras gegen Agassi repräsentiert werde. Es sollten Assoziationen zu den großen Sportduellen der vergangenen Jahrzehnte hergestellt werden: Muhammad Ali vs. Joe Frazier, Björn Borg vs. John McEnroe, Carl Lewis vs. Ben Johnson.

Entsprechend Praktiken im Boxsport wurden die bereits vorhandenen Images der beiden Kontrahenten Sampras und Agassi holzschnittartig verstärkt. Pete Sampras gab den erfolgreichen, seriösen, nur für den Sport lebenden Athleten, the good guy; während Agassi als ewig pubertierender Tennisrebell dargestellt wurde, als bad guy.

Es wurde jedoch zum Problem dieser preisgekrönten Werbekampagne, dass die sportlichen Erfolge Agassis mit denen von Sampras nicht Schritt halten konnten. Während Pete Sampras Jahr für Jahr Grand-Slam-Siege vorweisen konnte, führte die mangelnde professionelle Einstellung Agassis dazu, dass er zeitweilig auf Platz 141 der Weltrangliste abstürzte. Die beiden Sportler erwiesen sich als Inkarnation ihres jeweiligen Images. Erst das Image, dann der Sport, und ärgerlicherweise war bei einem von beiden, Agassi, der Sport nicht immer top.

Die Geschichte des amerikanischen Tennisspielers Pete Sampras beginnt im Jahr 1982. Der als schüchtern und voll von Minderwertigkeitskomplexen beschriebene Sohn griechischer Einwanderer begegnet einem als Tennistrainer dilletierenden Kinderarzt namens Peter Fischer. Fischer erkennt das Ausnahmetalent. Er weiß intuitiv, dass der junge Sampras Tennis spielen kann und dass er ein Siegertyp ist. Einer, für den der zweite Platz bereits eine Katastrophe bedeutet. »Er bewegte sich anders als all die anderen, geschmeidiger, eleganter. Und da war etwas in seinem Gesichtsausdruck, da sah ich einen, für den der Sieg alles bedeutet«, sagte Fischer später über seine erste Begegnung mit Pete Sampras.

In der ersten Zeit der Zusammenarbeit mit Fischer trainiert Sampras mit einem aus der Mode gekommenen Holzschläger, der keine Fehler verzeiht. Unsauber getroffene Bälle fliegen ins Aus oder gehen ins Netz. Um das Aufschlagspiel von Sampras zu verbessern, wirft Fischer den Ball hoch und ruft Sampras erst kurz vor dem Schlag zu, welches Ziel er anvisieren soll. Tennisexperten werden später behaupten, dass diese Trainingsmethode die Grundlage für den Variantenreichtum des Aufschlags von Sampras wurde. Der Gegner ist nicht in der Lage zu erkennen, wohin der Aufschlag kommt. Insbesondere auf schnellen Belägen erweist sich das später als großer Bonus für Sampras.

Fischer legt fest, dass Sampras ein Serve-and-Volley-Spieler werden soll. Als Vorbild dient die australische Tennislegende Rod Laver. Der hat in den sechziger Jahren zweimal den Grand Slam gewonnen, außerdem war er trotz einer langen Sperre bei insgesamt zehn Grand-Slam-Turnieren erfolgreich. Sampras soll, so denkt es sich Fischer, wie Laver auf dem Platz die totale Dominanz ausüben, und darüber hinaus soll er sich wie ein Gentleman benehmen. Auf dem Court die Selbstkontrolle zu verlieren, wie es in den achtziger Jahren John McEnroe oder Jimmy Connors häufig passierte, galt Fischer als Schwäche.

Ein einziges Problem müssen die beiden auf dem Weg nach oben noch lösen. Ein Serve-and-Volley-Spieler muss die Rückhand einhändig schlagen können. Beidhändiges Rückhandspiel hat die Konseqenz, dass Netzangriffe nicht gut genug vorbereitet werden können. Sampras jedoch schlägt die Rückhand beidhändig, er ist mit dieser Technik aufgewachsen. Fischer gelingt es in zahlreichen Trainingseinheiten, Sampras' Spiel umzustellen. Diese Maßnahme kostet manchen Sieg bei Jugendturnieren. Aber das Ziel des Duos ist es, Pete Sampras zur Nummer Eins im Männertennis zu machen. »Ich habe erst die Voraussetzungen schaffen müssen, damit Sampras Erfolg haben konnte«, erklärt Fischer sein Vorgehen.

Sampras beginnt seine Karriere als professioneller Tennisspieler nach der Devise: Die Erde gehört Dir, nutze Deine Chance. Nach Anfangserfolgen auf der ATP-Tour stagniert Sampras Ende der achtziger Jahre. Er zerstreitet sich mit Fischer und sucht nach neuen Wegen zum Erfolg. Das wichtigste Ereignis dieser Zeit ist ein gemeinsames Trainingslager mit dem damaligen Weltranglistenersten Ivan Lendl, der auf einer abgelegenen Farm im US-Bundesstaat Connecticut wohnt. Dort besitzt er einen mit modernsten Geräten ausgestatteten Fitnessraum und hat auf dem weitläufigen Gelände einen Tennisplatz angelegt.

Der Tag beginnt in Lendls Tennisfabrik um 6.30 Uhr und endet um 21.00 Uhr. Lendl ist stolz darauf, sein mangelndes Talent mittels harter Arbeit kompensiert zu haben und auf diese Weise zu großen Erfolgen gekommen zu sein. Das Ausnahmetalent Sampras lernt von Lendl und macht sich seine Arbeitsauffassung zu Eigen.

Von nun an spielt Sampras nicht mehr Tennis, er arbeitet Tennis. »Der Tennisplatz ist mein Büro«, sagt er und drückt damit die Wandlung seiner Auffassung aus. Er vereint großes Talent mit der Bereitschaft, seinen Körper bis zur »Kotzgrenze« (Sampras) zu schinden. Diese beiden Eigenschaften lassen ihn zur dominierenden Figur der neunziger Jahre werden.

Seinen ersten großen Erfolg feiert Sampras 1990 bei den US-Open. Er besiegt in einem einseitigen Finale Andre Agassi in drei Sätzen. Nach den durchwachsenen Jahren 1991 und 1992 wird Sampras im Frühsommer 1993 Weltranglistenerster. Es schließt sich eine beispiellose Erfolgsserie an, Sampras gewinnt 13 Grand-Slam-Titel, darunter sieben Mal das Turnier von Wimbledon. Er ist damit vor Roy Emerson, Björn Borg und seinem Vorbild Rod Laver der Spieler mit den meisten Grand-Slam-Siegen.

Als einziger Makel bleibt Sampras, dass er nie die French Open in Paris gewinnen konnte. Der Ascheplatz von Roland Garros erweist sich für den Serve-and-Volley-Spezialisten als unbezwingbar. Allerdings reiht Sampras sich damit in die Phalanx großer Spieler ein, die in Paris nicht gewinnen konnten: Boris Becker, John McEnroe und Stefan Edberg. Und sein Trainingspartner Ivan Lendl konnte bekanntlich nie Wimbledon gewinnen und erklärte es damit, dass »Gras nur für Kühe da ist«.

Trotz seiner großen Erfolge geht es Pete Sampras wie vor ihm Lendl. Er wird respektiert, seine elegante Spielweise wird bewundert, geliebt wird er nicht. Seine emotionsarme Art macht es ihm schwer, zum Liebling der Massen zu werden. Er lebt nicht die Gefühle aus, wie einst McEnroe oder Becker. Selbst die in den neunziger Jahren mit großem finanziellen Aufwand von Nike gestartete Imagekampagne konnte daran nichts ändern. Der groß angekündigte Zweikampf zwischen Sampras und Agassi währte nur kurze Zeit. Der populäre Agassi war der kalten Professionalität Sampras' nicht gewachsen.

Pete Sampras aber schied beim diesjährigen Wimbledon-Turnier im Achtelfinale aus, sein von Nike bereitgestellter Konkurrent Agassi kam ins Halbfinale. Ùnd dann fragte er auch noch: »Kann einer, der aussieht wie ein Affe, Weltranglistenerster sein?«