Die Neuköllner Hasenheide

Domestos im Park

Gefährliche Orte CXXX: Die Neuköllner CDU will den Volkspark Hasenheide einzäunen lassen. Über die neuesten Vorschläge zur Stadtreinigung

Unzweifelhaft ist die Berliner Hasenheide ein Ort, dessen Gefährlichkeit sich in Grenzen hält. Eher glaubt der unbefangene Spaziergänger, eine friedliche Idylle zu betreten. Familien machen es sich beim Picknick bequem, Kinder tollen unter Aufsicht ihrer Eltern auf der Wiese herum. Ein paar junge Leute sitzen beisammen und öffnen eine Sektflasche. Das geht ganz und gar unaufgeregt vonstatten und wird nur von verhaltenem Kichern begleitet. Eine junge Frau macht ungestört fernöstliche Gymnastikübungen. Von Zeit zu Zeit begegnet man einem Jogger, der gemächlich schnaufend einhertrabt. Auf seinem T-Shirt prangt der Schriftzug: »Drogenfahnder«. Man ist umfangen von Vogelgezwitscher und Blätterrauschen. Bedroht muss sich hier niemand fühlen.

Trotzdem aber wird der in Neukölln gelegene Park in der Polizeistatistik als »gefährlicher Ort« ausgewiesen, an dem es angeblich zu besonders vielen Straftaten kommt, bei denen es sich überwiegend um Drogendelikte handeln soll. Doch der Eindruck, das Naherholungsgebiet sei womöglich ein Furcht einflößender Drogenumschlagplatz, stellt sich bei den Parkbesuchern nicht ein. Natürlich werde im Park bisweilen »mit Marihuana gedealt«, meint Eva Maria, eine junge Anwohnerin, doch sie selbst sei hier noch nie von jemandem belästigt worden. Dass sie schon einmal angesprochen wurde, ob sie etwas kaufen wolle, stört sie nicht. »Auf der Straße kann man ja auch gefragt werden, nicht nur hier. Ich bin gerne hier, auch wegen des Cafés und des Freiluftkinos.«

Wegen des Kinos und des kleinen Lokals, das sich auf dem Gelände befindet, ist die Hasenheide selbst abends und nachts ein beliebter Treffpunkt, der vor allem in den Sommermonaten häufig frequentiert wird. Geht es nach dem Willen der Neuköllner CDU, soll damit jedoch Schluss sein. Weil man des vermeintlichen Drogenproblems trotz zahlreicher Kontrollen und Razzien bislang nicht Herr geworden ist, erwägt man, die Hasenheide einzuzäunen und Eintritt zu verlangen. Auch von einer nächtlichen Schließung ist die Rede. Die Vorschläge, die aus den Reihen der Polizei kamen, wurden von der CDU dankbar aufgegriffen.

Um den Volkspark »attraktiver« und »sicherer« zu machen, plant die so genannte Arbeitsgruppe Hasenheide in der CDU gemeinsam mit Polizeivertretern umfassende Maßnahmen aus dem handelsüblichen Law-and-order-Katalog, der bei beiden Organisationen noch immer hohes Ansehen zu genießen scheint. Zwar seien diese Ideen »noch nicht zu Ende diskutiert«, wie Falko Liecke, der Initiator der CDU-Arbeitsgruppe, betont, aber vorstellen kann man sich offenbar so einiges. Neben einer Umzäunung erörtert man auch die Möglichkeit, verstärkt Personen- und Ausweiskontrollen durchzuführen. Das Ziel solcher Unternehmungen sei auch eine Abschreckung von Kriminellen, so Liecke. »Wir möchten ein polizeiliches Überwachungskonzept, damit die Hasenheide keine Attraktion mehr für Dealer darstellt. Gut wäre es, Beamte und Parkwächter zu haben, die scharf beobachten, wer da reingeht.«

Ob und wie ein solches Konzept umgesetzt werden kann, ist jedoch fraglich. Schließlich dürfte es nur schwer möglich sein, sämtliche Besucher des Parks zu kontrollieren. Das Ziel, vermeintliche Drogenhändler vom Rest der Bevölkerung zu separieren und vom Gelände fernzuhalten, zieht darüberhinaus die Frage nach sich, wie bestimmt werden soll, wer angesprochen und überprüft wird.

Fest steht jedenfalls, dass Personenkontrollen nicht wahllos stattfinden sollen, sondern gezielt. Liecke weiß, wer besonders verdächtig ist, und beruft sich dabei auf die Polizeistatistik: »Die überwiegende Zahl der Dealer kommt aus Schwarzafrika und dem Libanon. Im Gebüsch werden Geld und Tütchen ausgetauscht.«

Womöglich ist es aber gar nicht ausschließlich der Drogenhandel, von dem sich der CDU-Politiker gestört fühlt. Vielmehr scheint es ein darüber hinausgehendes Sauberkeitsprogramm zu sein, das Liecke vorschwebt: »Der Kiosk dort im Park ist besprüht und beschmiert, das lädt nicht gerade zum Verweilen ein.« Stattdessen wünscht sich der CDU-Mann ein »Restaurant, das eine andere Klientel anzieht«, in welches auch »normale Menschen wie Sie und ich« gehen können.

Warum die derzeitigen Gäste des Lokals »Hasenschänke« eine unliebsame Klientel sind, bleibt unklar. An den im Freien aufgestellten Stühlen und Tischen lässt sich jedenfalls eine entspannte Szenerie beobachten. Türkische Männer sitzen angeregt diskutierend beim Kartenspiel, während einige Eltern mit Kinderwagen eine kleine Rast einlegen. Eine Angestellte beschreibt die Gaststätte als eine Art Multikulti-Idylle. Konflikte seien bisher ausgeblieben, sagt sie.

Aber die Überlegungen in der CDU, von Besuchern der öffentlichen Grünfläche künftig Eintrittsgelder zu kassieren, haben bereits konkrete Formen angenommen. Derzeit ist ein Eintrittspreis von zwei Mark im Gespräch. Neben dem Aufstellen eines Zauns sei in der Unionsfraktion auch von Kassenhäuschen mit Wärtern die Rede, die an den Eingangsbereichen zum Park aufgestellt werden sollen, erzählt Petra Wojciechowski, die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Neuköllner Bezirksversammlung. Sie lehnt solche Pläne rundweg ab. Die Kosten für die geplanten Überwachungsapparaturen seien immens. Allein der Zaun koste 1,5 Millionen Mark, eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung der Parkanlagen verschlänge 3,5 Millionen im Jahr.

Zwar ist es erfahrungsgemäß meist die CDU, die in Siebenmeilenstiefeln voranmarschiert, wenn es irgendwo Ordnung zu schaffen gilt, doch wie üblich trotten die Sozialdemokraten sogleich in Trippelschrittchen hinterher. So hat Fritz Felgentreu von der Neuköllner SPD gegen eine Einzäunung der Hasenheide grundsätzlich nichts einzuwenden: »Zu Schutzmaßnahmen kann auch ein Zaun gehören. Ein Zaun muss nicht den öffentlichen Charakter einer Grünanlage zerstören.« Umfangreichere Bau- und Überwachungsmaßnahmen, wie sie von der CDU anvisiert werden, hält auch er für zu teuer. Stattdessen solle mehr Geld für »Parksäuberungen« und zur Aushebung von Drogendepots aufgewendet werden. Dass der Park überhaupt geordnet, aufgeräumt und gesäubert werden muss, scheint in beiden Parteien außer Frage zu stehen.

Wie auch bei der Polizei, die auf dem Gelände der Hasenheide nicht nur regelmäßig »polizeiliche Maßnahmen« durchführt, sondern auch schon mal »die uns bekannten Medienvertreter« über bevorstehende Razzien informiert, wie Herr Dietz, ein Sprecher der Berliner Polizei, mitteilt. Allerdings kennt sein Mitteilungsbedürfnis auch gewisse Grenzen. Angesprochen auf die Diskussion um Zäune und Eintrittsgelder, meint Dietz lapidar: »Darüber sind wir nicht bereit, Auskunft zu geben. Das Thema hat eine politische Dimension, bei dem müssen wir uns etwas mehr Zurückhaltung auferlegen. Wir können nicht jedem Anrufer ein Statement abgeben.« Jedem nicht, aber wohl denen, die für bestimmte PR-Zwecke eingespannt werden können.