Griechisches Gericht bestätigt Urteil gegen Bundesrepublik

Enteignet Goethe!

Die Klage der Hinterbliebenen der Opfer des Wehrmachtsmassakers im griechischen Dorf Distomo war der Bundesregierung lange Zeit nicht einmal eine Stellungnahme wert. Erst nachdem sie den Prozess verloren hatte und zu einer Entschädigung von 55 Millionen Mark verurteilt worden war, kümmerte sie sich um das Verfahren und legte Berufung ein. Doch auch der oberste griechische Gerichtshof Areopag erklärte das Urteil für rechtskräftig.

Besonders ärgerlich wurde die Angelegenheit für das deutsche Außenministerium, nachdem der Anwalt der Opfer auch noch eine Pfändung deutscher Liegenschaften - wie etwa des Goethe-Instituts - in Griechenland beantragt hatte. Den Widerspruch, den die rot-grüne Koalition in Berlin gegen diesen Antrag erhob, hat das Athener Landgericht jetzt abgelehnt.

Richterin Ekaterini Setta befand, dass internationales Recht - in diesem Fall die Uno-Menschenrechtskonvention - ausschlaggebend sei. Damit wird in der griechischen Rechtssprechung die Auffassung bestärkt, dass das entschädigungspolitische Verhalten der Bundesregierung gegenüber den NS-Verfolgten gegen Normen des Völkerrechts verstoße.

Bis jetzt beharrt die Bundesregierung stur auf ihrem »Rechtsstandpunkt«: Die griechischen Gerichte hätten wegen des Grundsatzes der Staatenimmunität keine Berechtigung, ihr den Prozess zu machen. Die Forderungen seien außerdem mit den 1961 zugestandenen 115 Millionen Mark schon abgegolten.

Die Haltung überrascht nicht. Denn die Verhandlungen Anfang der sechziger Jahre standen nach den Aufzeichnungen deutscher Beamter bereits unter dem Motto: »Kurs auf die Zukunft«. Der Gestus erinnert im übrigen an das Auftreten gegenüber den NS-Zwangsarbeitern. Rechtssicherheit und Schutz seien nötig, damit deutsche Unternehmen nicht »zweimal« zahlen müssten, hieß es da.

Die griechischen NS-Opfer verfügen jedoch nicht über die Druckmittel, die die deutsche Wirtschaft durch Sammelklagen und nicht zuletzt durch die eindeutige Position der US-Administration zu spüren bekam. Dafür verschafften sie sich mit der Idee, deutschen Staatsbesitz in Griechenland pfänden zu lassen, einen kleinen Ausgleich.

Nach griechischem Recht muss nun der Justizminister seine Zustimmung zu diesem Urteil geben. In Berlin verlässt man sich bisher darauf, dass er ebenso wie sein Ministerpräsident weiß, wer in Europa das Sagen hat. Für die sozialdemokratische Pasok-Regierung ist diese Entscheidung jedoch unangenehm, da sie ihren wirtschaftlichen Anpassungskurs an die EU gerne mit dem Rekurs auf die Tradition des griechischen Antifaschismus politisch überdeckt. Während ihr Sprecher früher noch darauf verwies, dass der Streitfall keine juristische, sondern eine rein politische Angelegenheit sei, teilte er nach dem jetzigen Entscheid mit, dass im Falle einer juristischen Bestätigung die Pfändung vollzogen werde.

Das deutsche Außenministerium reagierte mit gewohnter Arroganz. Ein Diplomat wird mit der Bemerkung zitiert, dass sich »die Griechen diese Idee aus dem Kopf schlagen müssen«. Angesichts der systematischen Verweigerung Deutschlands bei Entschädigungsforderungen kommt eine solche Stellungnahme nicht unerwartet.

Denn es steht einiges auf dem Spiel. Kriegsverbrechen wie in Distomo fanden schließlich in zahlreichen griechischen Orten statt, das Urteil könnte daher einen Präzedenzfall schaffen. Zudem wird der Schlussstrich unter die Entschädigungsforderungen gefährdet, den die Bundesregierung mit dem gerade abgeschlossenen Stiftungsabkommen ziehen will. Deshalb können sich die griechischen Wehrmachtsopfer auch nicht auf die weiteren juristischen Entscheidungen verlassen, sondern müssen den politischen Druck erhöhen.