Umstrittene Antifa-Kampagne an der Hamburger Universität

Gute Antifa, böse Antifa

Eine Antifa-Kampagne an der Hamburger Universität ist umstritten. So erhält eine Neonazi-Aktivistin Unterstützung von der Fachschaft Geschichte.

Wie Eva Braun möchte sie nicht sein. Nein. Inge Nottelmann will den Mund aufmachen, wusste die Frauenzeitschrift Allegra im März dieses Jahres über die 31jährige Hamburgerin zu berichten.

Tatsächlich nimmt die Geschichtsstudentin kein Blatt vor den Mund. Warum sollte sie auch? Nottelmann ist eine einschlägig bekannte Neonazi-Aktivistin, ihre braune Gesinnung will sie nicht verbergen. Im Gegenteil, die Anführerin der rechtsextremen Mädelschar Deutschland (MSD), die eng mit den militanten Neonazis aus dem Netzwerk der Freien Nationalisten kooperiert, hielt sich bislang auch in den Seminaren, die sie an der Hamburger Universität besucht, mit rechten Sprüchen nicht zurück.

Nur ein einziges Mal sei sie darum gebeten worden, mit dem Ausdruck »Volksgenossen« doch bitte vorsichtiger zu sein, betonte Nottelmann gegenüber Allegra. Dass sie rechts denke und fühle, wüssten an ihrem Fachbereich Geschichte fast alle, Studenten genauso wie Professoren. Und zwei Semester lang hat sich kaum einer an den Umtrieben der braunen Studienkollegin gestört.

Seit einigen Wochen aber meidet Nottelmann den Campus. Denn Ende Mai hatte die Linksruck-Hochschulgruppe gemeinsam mit autonomen Antifas vor einer Geschichtsvorlesung Flugblätter verteilt, die über die Aktivitäten der Geschichtsstudentin informierten, und entsprechende Plakate an der Uni geklebt.

Dass sie künftig mit mehr Widerspruch an der Hochschule rechnen muss als bisher, scheint Nottelmann schnell begriffen zu haben. Nicht nur dass sie der Unileitung »mangelnde Sorgfaltspflicht« vorwarf und bereits Strafanzeige gegen die Universität stellte. Vor kurzem beantragte sie auch Personenschutz bei den sonst so verhassten »Systembehörden«.

Das Landeskriminalamt sieht jedoch keinen Bedarf. Der Sprecher der Behörde, Christoph Holstein, teilte mit, dass eine Gefährdung der Person nicht gegeben sei. Auch die Leitung der Hamburger Universität steht den Vorwürfen Nottelmanns gelassen gegenüber. »Die Universität ist ein öffentlicher Raum«, sagt Unisprecherin Viola Griehl. »Niemand hat zu einer Straftat aufgerufen«, so Griehl. »Ohne rechtswidrigen Inhalt besteht kein Anlass einzuschreiten.«

Außerdem könne oder wolle weder der Universitätspräsident noch die Verwaltung jedes Flugblatt sofort begutachten. »Hätte Frau Nottelmann sich denn nicht denken können, dass sie solche Reaktionen auslöst?« fragt die Unisprecherin und spielt damit auf die Allegra-Reportage über rechte Frauen an, in der Nottelmann nicht nur die emanzipierte Eva Braun gab, sondern hassererfüllt gegen »Chaoten und Türken« wetterte und von ihrem Freund Tobias Thiesen, ihrem Baby und ihrer Katze Trine schwärmte.

Unverhoffte Unterstützung erhielt die Neonazistin hingegen von Teilen der Studentenschaft und dem Fachschaftsrat Geschichte (FSR). Das »Outing« Nottelmanns käme dem »Aufstempeln eines Judensterns« gleich, schimpfte ein Geschichtsstudent bei einer Diskussionsveranstaltung, und eine Studentin nannte die Antifas »Menschenjäger«. Als »Menschenjagd« bezeichnete auch der FSR die Flugblattaktion und sprach von einem »Fahndungsplakat«.

Das studentische Gremium bemühte in seinem Mittelungsblatt Historix (Nr. 8) einen »demokratisch-humanistischen Standpunkt«, von dem aus gesehen »es nicht um ein Herumdoktern an bloßen Symptomen und der Bloßstellung einzelnerí 'großer Persönlichkeiten'í gehen« könne. Denn das Herausgreifen einer »konkreten Figur« als »das Böse«, welches von »den Anständigen« bekämpft werden müsse, bliebe auf der »personifizierten Ebene«. Vernachlässigt werde dabei, dass »rechte Schläger nicht die alleinigen Protagonisten rechtsextremer Weltanschauung« seien; missachtet würden zudem die »sozioökonomischen Bedingungen« bei der Bildung rassistischer und faschistischer Positionen.

Die Gleichsetzung der Aktion mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus scheint den FSR hingegen nicht zu stören. »Diese Reaktionen passen sich in den gesellschaftlichen Diskurs über 'Rechtsextremismus' ein, der die Verankerung des Phänomens in der Mitte der Gesellschaft leugnet und es mit 'Linksextremismus' gleichsetzt«, kommentierten Antifas die Vorwürfe des Fachschaftsrates. Wer sich nicht mit der schleichenden Akzeptanz des Neonazismus im öffentlichen Raum zufrieden gebe, werde stigmatisiert, der Nationalsozialismus zugleich relativiert, bis hin zur »Verhöhnung der jüdischen Opfer«.

Auch auf einer Diskussionsveranstaltung Anfang des Monats ging der Streit weiter. »Ihr betreibt eine Hetzkampagne«, schimpfte eine Frau vom FSR, und »unterscheidet nicht zwischen privater und politischer Person«. »Warum auch«, antwortete eine autonome Antifaschistin, »seit über zehn Jahren ist Nottelmann in der Neonazi-Szene aktiv und propagiert selbst, eine politische Persönlichkeit zu sein«. Und sie fragte, ob der Fachschaftsrat die Neonaziführerin nur als »Mitläuferin und Opfer« sehe, weil sie eine Frau sei. »Nein, natürlich nicht«, beteuerte eine andere Vertreterin des FSR und behauptete, die Antifas hätten mit ihren »Fahndungsmethoden« selbst eine Gleichsetzung von Links und Rechts zu verantworten.

Ein Linksruck-Mitglied wollte dieses Argument nicht gelten lasse. Die Antifa-Aktion sei »in eine Kampagne eingebettet, die sehr wohl den gesellschaftlichen Kontext berücksichtigt«. »Nur wenn man, wie der FSR, auf der Erscheinungsebene« bleibe, ergänzte die autonome Antifaschistin, »könne man zwischen gutem und bösem Antifaschismus unterscheiden«.

Nottelmann ließ derweil über das Aktionsbüro Norddeutschland mitteilen, dass sie sich im Oktober an der Hamburger Universität zurückmelden wird. Schließlich habe ihr Professor Karl Christian Führer gegenüber der Presse beteuert, »keine Selektion von Studenten« vornehmen zu wollen.