Bundeswehreinsatz in Mazedonien

Robuste Zeiten

Bei den Grünen sind die Gegner eines Mazedonien-Einsatzes der Bundeswehr in der Minderheit. Und die Antimilitaristen der PDS befinden sich schon in der Sommerpause.

Das ist doch das Gleiche wie mit den Taliban in Afghanistan!« Hans-Christian Ströbele ist nicht gut auf die mazedonische UCK und ihre Unterstützer zu sprechen. Der grüne Bundestagsabgeordnete und Gegner eines Bundeswehreinsatzes in Mazedonien opponiert wieder einmal gegen die Regierung, der seine Partei angehört.

Zum zweiten Mal in ihrer Amtszeit will die rot-grüne Koalition deutsche Soldaten auf den Balkan schicken. Einen »robusten Einsatz« versprach Bundeskanzler Gerhard Schröder Anfang Juli der deutschen Öffentlichkeit. Trotzdem soll die Bundeswehr angeblich nur bei der freiwilligen Entwaffnung der separatistischen Guerilla UCK helfen.

Von einem ungefährlichen, 30 Tage dauernden Einsatz aber war nur anfangs die Rede. Längst hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck eine Ausweitung des Nato-Mandats gefordert: »Es bedarf eines robusteren Mandats, um Situationen in Mazedonien zu vermeiden, wie wir sie in Bosnien oder im Kosovo haben.« Die Sozialdemokraten sind sich einig: Die Bundeswehr soll nach Mazedonien, und dabei soll alles ziemlich »robust« zugehen.

Die Opposition im Bundestag dagegen zeigt sich skeptisch. Der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) knüpft eine Zustimmung seiner Fraktion an die Bedingung, dass die Bundeswehr finanziell besser ausgestattet wird. Die FDP wiederum beharrt auf einem Uno-Mandat für den Einsatz.

Und dennoch dürfte der Regierung die Mehrheit im Parlament sicher sein, sollte es in der kommenden Woche wie vorgesehen zur Abstimmung über die mazedonische Mission kommen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass die Grünen sich gegen den erneuten Kriegseinsatz entscheiden. Zwar regt sich zaghafter Protest, doch die parteieigene Friedensbewegung, die wie schon vor zwei Jahren während des Kosovo-Kriegs von Hans-Christian Ströbele, Christian Simmert und Anneliese Buntenbach angeführt wird, ist völlig marginalisiert.

Den Ton geben andere an. Etwa die Verfasser eines Papiers, das in der vorigen Woche vorgelegt wurde. Angelika Beer, Helmut Lippelt, Winfried Nachtwei und Christian Sterzing sprechen sich darin klar für die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-Operation mit dem zynischen Namen »Essential Harvest« (Bedeutende Ernte) aus. Da der mazedonische Präsident Boris Trajkovski mit Zustimmung der Allparteienkoalition in Skopje die Nato gebeten habe, eine freiwillige Entwaffnung der UCK durchzuführen, brauche man für diesen Einsatz kein Mandat der Vereinten Nationen.

Wie die Bitte Trajkovskis zustande kam, welcher Druck vorher auf die Regierung in Skopje ausgeübt wurde, ist kein Thema. Zwar werden die Strukturen der UCK als »Gemenge von extremem Nationalismus und massiver Kriminalität in Verbindung mit traditionellen Clanstrukturen« kritisiert, andererseits aber übernimmt man ihre politischen Argumente. »Der Minderheitenkonflikt in Mazedonien schwelt seit Jahren«, wissen die Grünen plötzlich. Als man den kleinen Staat als Aufmarschgebiet der Nato und als Flüchtlingslager im Kosovo-Krieg benötigte, war davon keine Rede. Jetzt sorge das »unverhältnismäßige Vorgehen der mazedonischen Kräfte« für eine Solidarisierung mit der UCK.

In dem Papier wird ein noch robusterer Einsatz in Aussicht gestellt, der den »Nato-Truppen im Einzelfall die Möglichkeit zu bewaffneter Nothilfe über die bloße Selbstverteidigung hinaus« geben könnte, falls die Befriedung der Region nicht richtig vorankommt.

Dabei wollen die Grünen am liebsten alle demokratischen Entscheidungsprozesse umgehen. Außenminister Joseph Fischer etwa verteidigte die Zustimmung der Bundesregierung zum neuen Nato-Konzept, das auch Einsätze außerhalb des Nato-Gebietes vorsieht. Der Bundestag war nicht gefragt worden. Es gehe »um die Handlungsfähigkeit der Regierung bei der Wahrnehmung ihrer internationalen Verpflichtungen«, sagte Fischer Ende Juni vor dem Bundesverfassungsgericht, bei dem die PDS gegen das Vorgehen geklagt hatte. Auch einen Vorschlag des nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden der Grünen, Frithjof Schmidt, wies Fischer zurück. Schmidt hatte im Rahmen der grünen Programmdebatte angeregt, das Grundgesetz dahingehend zu ändern, dass das Parlament Kampfeinsätzen der Bundeswehr mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen müsse. Fischer dagegen will das Parlament lieber gar nicht mehr befragen müssen.

Ströbele gefällt diese Entwicklung nicht, und zwar nicht nur, weil er Niederlagen bei den kommenden Wahlen in Hamburg und Berlin befürchtet. Er kritisiert, dass die Nato »vorschnell« eingeschaltet werde, und fordert eine Beteiligung der Uno und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) an der Konfliktlösung. Den Beschluss, die UCK binnen 30 Tagen zu entwaffnen, hält er für »unehrlich«: »Was im Kosovo nicht geklappt hat, wird dort auch nicht klappen.« Das »zu enge Verhältnis der Nato zur UCK« werde immer offensichtlicher.

Dennoch sieht er in seiner Partei keine Mehrheit gegen den Einsatz. »Bündnis- und Koalitionstreue« verhinderten das. Größere Proteste seien nicht vorgesehen. Letztlich sorgen Kriegsgegner wie Ströbele nur dafür, dass ein kleiner Prozentsatz linker WählerInnen der grünen Partei treu bleibt, die auf ihrem Weg nach rechts längst nicht mehr zu bremsen ist.

Bleibt also nur die PDS. Der außenpolitische Sprecher und stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Wolfgang Gehrcke, wird nicht müde in seiner Agitation gegen den Bundeswehreinsatz. Er fordert ein klares Nein zu allen Forderungen nach Grenzveränderungen auf dem Balkan, will die »terroristische« UCK auflösen lassen und ebenso wie Ströbele die Uno und die OSZE in den Prozess einbinden.

Denn das Schlimme ist: »Erste Flüchtlinge sind bereits unterwegs, auch deutsche Kfor-Soldaten sind (...) in Gefahr.«

Diese Haltung der PDS könnte, abgesehen von der anbiedernden Sorge um den deutschen Soldaten, bald problematisch werden. Schließlich steht eine Regierungsbeteiligung in Berlin auf der Tagesordnung, im Bund soll sie spätestens im Jahr 2006 möglich werden. Dazu aber kann es nur kommen, wenn die PDS sich in der Außenpolitik endlich fügt. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering betonte Anfang Juli, eine Zusammenarbeit mit der PDS auf Bundesebene sei nicht möglich, da ihre Politik nicht mit den »Staatsaufgaben« übereinstimme.

Diese Übereinstimmung muss der Parteibasis schmackhaft gemacht werden. Zwar formulierte die Parteivorsitzende Gabriele Zimmer in der letzten Woche ihr »unmissverständliches Nein zu einem Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Rahmen einer Nato-Intervention«. Doch die Erklärung war ansonsten völlig vage und ließ die Frage einer Beteiligung an einer etwaigen Uno-Mission offen. Einen Antrag des Parteivorstandes, Einsätzen der Vereinten Nationen nach einer »Einzelfallprüfung« zustimmen zu können, hatte die Parteibasis auf dem Parteitag in Münster im März letzten Jahres nach heftigtem Streit noch mit einer Zweidrittelmehrheit zurückgewiesen.

In dem von Zimmer im April vorgestellten Entwurf für ein neues Parteiprogramm ist zur Friedenspolitik wenig Konkretes zu lesen. »Krieg gehört nicht auf die Erde, sie ist zu klein und zu verletzlich dafür«, heißt es da wie in einem Märchenbuch, während nichts über die Frage der Beteiligung an Blauhelmmissionen zu lesen ist. Der Verdacht liegt nahe, dass auch die PDS ihre außenpolitischen Vorstellungen im Sinne der Staatsräson umgestaltet, vielleicht sogar schneller als die Grünen.

Ein Mitarbeiter der Bundestagsfraktion wies im Gespräch mit Jungle World diese Vermutung zurück. Die PDS würde einer Beteiligung der Bundeswehr in Mazedonien »auch nicht bei dem Vorliegen eines Uno-Mandats« zustimmen. Dass die Partei auf die Organisation größerer Proteste verzichtet, liege an der Sommerpause. Also dürfte es auch im Herbst keine Anti-Nato-Demonstrationen auf dem Berliner Alexanderplatz mit Gregor Gysi geben wie 1999. So robust ist der Widerstand nämlich nicht mehr. Zudem schickt sich das nicht für jemanden, der Regierender Bürgermeister in der Hauptstadt werden will.