Rassistische Kontrollen auf dem Prager Flughafen

Drinnen bleiben

Mit Sonderkontrollen auf dem Prager Flughafen hat die britische Regierung versucht, Roma an der Einreise zu hindern. Nach Protesten wurden die Kontrollen eingestellt.

Etwas muss schief gelaufen sein bei dem Versuch der britischen Regierung, die Landesgrenzen noch perfekter gegen Asylsuchende abzudichten. Der Plan schien clever. Mit Sonderkontrollen sollten britische Einwanderungsbeamte die Grenze Großbritanniens bereits am Prager Flughafen Ruzyne sichern. Doch am Dienstag vergangener Woche verkündete Zbynek Havranek, der Sprecher der britischen Botschaft in Prag, das Ende der erst am 18. Juli gestarteten Kontrollen.

»Pre-clearence check« hieß die spezielle Out-of-area-Aufgabe der Beamten. Ohne die Asylgesetze zu verschärfen und den Rechtsschutz für Asylsuchende einzuschränken, versuchte die britische Regierung, die Grenze noch undurchlässiger zu machen. Die Prozedur folgte einer simplen Logik: Wenn niemand mehr reinkommt ins Inselreich, muss auch niemand mehr abgeschoben werden. Das spart Geld und verbessert die Statistiken. Havranek sprach daher am Anfang von einem »vollen Erfolg« der Maßnahme. Die Zahl der Asylbewerber aus Tschechien sei deutlich gesenkt worden.

Der Grund, die aus britischer Sicht so erfolgreichen Kontrollen abzubrechen, waren die internationalen Proteste gegen die offene Diskriminierung tschechischer Roma am Flughafen. »Das einzige Kriterium, wonach wir ausgesondert werden, ist unsere dunklere Hautfarbe«, erläuterte der Rom Ondrej Holub aus dem nordtschechischen Most. Die ungleiche Behandlung war so offensichtlich, dass Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Helsinki Komitee die Situation am Flughafen beobachteten. Einem »regelrechten Verhör« wurden die Roma unterzogen, berichtete Yasar Abugosh, einer der Mitarbeiter des Komitees. Unabhängig davon, wie viel Geld sie zur Verfügung hatten oder welchen Zweck sie für ihre Reise angaben, wurde ihnen der Zutritt zum Flugzeug verwehrt. Fast alle 120 Fluggäste, die in den drei Wochen, in denen die Kontrollen stattfanden, abgewiesen wurden, waren Roma.

Trotz der massiven Kritik von Organisationen wie Europe Roma aus London, dem tschechischen Verband Dzeno oder der International Roma Union hielt die tschechische Regierung zunächst daran fest, dass die Sonderkontrollen legal und »vernünftig« seien. Auch der stellvertretende britische Außenminister Martin Palous wies entschieden zurück, dass die »Einreiseerlaubnis nach Großbritannien von der Hautfarbe der Menschen abhängt«. Wenn verstärkt Roma abgewiesen würden, dann nicht wegen ihrer Hautfarbe, sondern weil sie »in Großbritannien das Asylrecht besonders häufig missbrauchen«, ergänzte Giles Portman von der britischen Botschaft in Prag

Erst als der innenpolitische Druck in Tschechien, den Parlamentsabgeordnete wie der Oppositionführer Vaclav Klaus oder Regierungsmitglieder wie der Kultusminister Pavel Dostal ausübten, immer größer wurde, beschlossen die Regierungen beider Staaten, die umstrittenen Sonderkontrollen vorläufig zu beenden. Die rechtliche Grundlage hingegen, die dieses Projekt überhaupt ermöglicht hat, bleibt bestehen.

Die tschechische und die britische Regierung haben im Februar dieses Jahres ein Abkommen geschlossen, in dem der Einsatz britischer Einwanderungsbeamter auf tschechischem Territorium geregelt ist. Faktisch bedeutet dieser Vertrag, dass bei Bedarf bestehende Rechtsverhältnisse außer Kraft gesetzt und ausländische Beamte ermächtigt werden, rechtskräftige Entscheidungen auf fremdem Territorium zu treffen.

Theoretisch gehört Großbritannien, da es das Schengener Abkommen, in dem Tschechien als sicheres Drittland eingestuft wird, nicht unterzeichnet hat, zu den wenigen westeuropäischen Ländern, in denen tschechische Roma noch Asyl beantragen könnten. Praktisch haben die Roma aber keine Chance. Die tschechische Republik gilt auch in Großbritannien als sicheres Land. Die vor Verfolgung fliehenden Roma werden als Wirtschaftsflüchtlinge stigmatisiert, obwohl die Zahl gewalttätiger Übergriffe auf Roma in Tschechien alarmierend ansteigt, wie aus einem Bericht des European Roma Right Center (ERRC) vom Juni 2001 hervorgeht.

Nach Schätzungen des ERRC sind zwischen 70 und 90 Prozent der Roma arbeitslos und befinden sich in einer desolaten sozialen Lage. Misshandlungen durch die Polizei und Diskriminierungen vor Gericht oder durch andere staatliche Institutionen gehören zum Alltag.

Immer wieder hat es in Tschechien Versuche gegeben, sich der Roma ganz zu entledigen. Bei der Teilung der Tschechoslowakei formulierten die Verantwortlichen der neuen tschechischen Republik die notwendigen Bedingungen der Staatsbürgerschaft so, dass viele Roma sie nicht erfüllen konnten. Sie wurden entrechtet und waren von Abschiebungen in die Slowakei bedroht. Nationale und internationale Proteste bewirkten zwar, dass das einschlägige Gesetz 1999 in einigen Punkten geändert wurde, Roma werden jedoch weiterhin in vielen Bereichen rassistisch verfolgt.

Trauriger Höhepunkt war 1999 der Bau einer zwei Meter hohen Mauer um einen von Roma bewohnten Häserblock in der Stadt Usti nad Labem. Erst auf Betreiben der EU wurde die Mauer nach zwei Monaten wieder abgerissen. Zwei Jahre zuvor, im Sommer 1997, hatte die Bügermeisterin von Marianské Hory allen ausreisewilligen Roma angeboten, die Kosten eines Flugtickets nach Kanada zu zwei Dritteln zu übernehmen.

Der Wunsch, die Roma loszuwerden, und die Gleichgültigkeit der Regierung gegenüber der rassistischen Zurückweisung durch die britischen Beamten, die eine Ausreise unmöglich machten, gehören zusammen. Die Roma gelten nach wie vor nicht als vollwertige tschechische Staatsbürger, auch wenn neben den weit verbreiteten Hassparolen von Politikern und Repräsentanten des öffentlichen Lebens inzwischen kritische Stimmen laut werden.

Die New-Labour-Regierung in Großbritannien hat allen Abschottungs- und Abschreckungsmaßnahmen zum Trotz die Asylbewerberzahlen nicht senken können. Daher sind neue, unkonventionelle Maßnahmen gefragt. Das vorläufige Scheitern der Sonderkontrollen in Prag wird den Ausbau eines Kontrollsystems bis in die Herkunftsländer nicht verhindern. In Tschechien richtete sich die Kritik in erster Linie gegen die allzu offene rassistische Diskriminierung. Kaum jemand hat sich jedoch an der Tatsache gestört, dass die von Großbritannien Entsandten nach eigener Willkür handeln konnten.