Bangladesh vor der Parlamentswahl

Die Wahl der Waffen

Vor den Wahlen hat sich der Machtkampf in Bangladesh verschärft. Die politischen Unterschiede zwischen den Parteien sind allerdings klein.

Geändert hat sich für mich in den letzten Jahren nicht viel«, erzählt der Rikschafahrer Faruq. »Ob es Begum Khaleda ist oder Sheikh Hasina, was macht das schon aus«, antwortet er gleichgültig auf die Frage, wer denn wohl die bevorstehenden achten Parlamentswahlen gewinnen werde. Faruq ist 25 Jahre alt und vor einigen Jahren vom Land in die Acht-Millionen-Metropole Dhaka gekommen, die einerseits auf den Besucher so wirkt, als platze sie aus allen Nähten. Andererseits hat Dhaka durchaus das Flair einer Gartenstadt mit prächtigen Villen, die sich mit denen in den besten Vierteln von Berlin, London oder Paris messen können.

Während die Hauptstadt des Landes drei bis vier Millionen Menschen beherbergt, die in armseligen Baracken ohne regelmäßige Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen oder Elektrizität hausen, geht es einem kleinen Teil der Bevölkerung so gut, dass er seine Zeit mit Shopping auf den Flaniermeilen der Metropole verbringen kann. Geschäfte, die Designer-Kleidung oder neueste Computer-Elektronik verkaufen, gibt es genug. Und ständig kommen neue Einkaufszentren hinzu. »Hier entsteht die größte shopping mall Asiens«, steht auf dem überdimensionierten Schild an einer Großbaustelle.

»Die Schere geht immer weiter auseinander«, meint der Journalist Ahmed Fazl. Der Anteil der wenigen Reichen am Bruttosozialprodukt stieg seit 1995 von 19 auf 24 Prozent, während der Anteil der ganz Armen nunmehr unter 0,9 Prozent sank. Das durchschnittliche Einkommen liegt bei 350 US-Dollar pro Jahr.

An diesen Disparitäten haben auch Begum Khaleda, die Witwe des 1981 ermordeten ehemaligen Premiers General Zia-ur Rahman, und Sheikh Hasina, die Tochter des Staatsgründers Mujibur Rahman, kaum etwas geändert. Die beiden Frauen, die sich während der letzten zehn Jahre in der Führung der Regierungsgeschäfte abwechselten, haben sich mit ihren Parteien Bangladesh Nationalist Party (BNP) und Awami League (AL) im Rücken eher auf die Austragung ihrer persönlichen Zweikämpfe konzentriert und so auch einen Teil der 130 Millionen Bangladeshis in zwei verfeindete Gruppen gespalten.

»Das Land hat nicht zuletzt dadurch ein schlechtes internationales Image erlangt«, glaubt Ahmed Fazl. Dabei habe es eigentlich ein sehr großes Potenzial, das nur richtig genutzt werden müsse. Viele machten immer wieder die koloniale Vergangenheit für die heutigen Probleme verantwortlich. »Sicherlich spielt all das eine Rolle. Aber immer nur die Vergangenheit als Erklärung zu bemühen, damit bin ich nicht einverstanden.«

Häufig kommt es sogar zu erbitterten militanten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der beiden großen Parteien - besonders im Wahlkampf. Seitdem feststeht, dass am 1. Oktober ein neues Parlament gewählt werden soll, sind die Kämpfe eskaliert. In den vergangenen sechs Wochen starben mindestens 36 Menschen bei Straßenschlachten, die zum Teil mit Schusswaffen und selbstgebauten Sprengsätzen ausgetragen wurden. Doch ideologischer Natur ist der Kampf der beiden Frauen nicht, klare politische Unterschiede zwischen der BNP und der AL sind nicht auszumachen.

Allerdings schlägt sich Khaleda Zias BNP auf die Seite islamistischer Parteien wie der Islami Oikya Jote (IOJ) und der Jamaat-e-Islami, mit denen sie in einer Vier-Parteien-Allianz in den Wahlkampf gezogen ist. Diese Parteien versuchen seit Jahren, die liberalen Muslime Bangladeshs sowie die Politik insgesamt auf das islamische Recht der Scharia zu verpflichten.

Ob die jetzt zu Ende gehende Amtsperiode der Premierministerin Hasina erfolgreicher war als die ihrer Vorgängerin, darüber wird in den unterschiedlichen politischen Gruppen heftig gestritten. Sicherlich ist die wirtschaftliche Liberalisierung und Entwicklung des Landes vorangetrieben worden. Profitiert haben allerdings nur wenige; dem Großteil der Bevölkerung bleibt es nach wie vor versagt, ein Leben in Würde zu führen. In der Außenpolitik hat die Regierung Hasina durchaus Erfolge vorzuweisen.

Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1947 bildete das heutige Bangladesh zunächst den östlichen Teil Pakistans, das sich von Indien trennte. Die Beziehungen zum großen Nachbarn Indien haben sich ungeachtet der kürzlich aufgeflammten Grenzstreitigkeiten seit 1996 deutlich verbessert. Dazu beigetragen hat das Farakka-Abkommen vom Dezember 1996, das die gerechte Verteilung des Wassers aus dem Ganges regelt. Dagegen haben sich die Beziehungen zu Pakistan, von dem sich Bangladesh 1971 nach blutigen Kämpfen abspaltete, erheblich verschlechtert. In einer Rede vor den Vereinten Nationen attackierte Sheikh Hasina kürzlich das ehemalige »Mutterland« in scharfen Worten.

Nach 1971 dominierte zunächst das Militär. Als im Februar 1991 mit einer sowohl von der BNP als auch der AL getragenen Massenbewegung der verhasste Diktator Muhammad Ershad aus dem Amt gejagt wurde, erwarteten die Bangladeshis demokratische Veränderungen. Aber die Hoffnungen wurden schon bald enttäuscht. Khaleda Zia, der nach dem Wahlsieg von 1991 viel Wohlwollen im In- und Ausland entgegengebracht wurde, regierte mit autoritärem Führungsstil. »Für Khaleda gilt Demokratie nur auf dem Papier«, erklärte Sheikh Hasina damals. Nachdem sie selbst Premierministerin geworden war, machte ihr die politische Gegnerin ähnliche Vorwürfe.

Auch zehn Jahre nach dem Ende der Militärherrschaft hat sich das parlamentarische System noch nicht stabilisiert. Seit 1999 wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Sitzungen des Parlaments von der BNP-Opposition boykottiert. Am 15. Juli ist die amtierende Regierung von Sheikh Hasina, wie in der Verfassung vorgeschrieben, zurückgetreten. Um Manipulationen der Regierungspartei vorzubeugen, wird die Macht während des Wahlkampfs einer Interimsregierung übergeben. Sie soll unter dem Vorsitz von Latifur Rahman, einem ehemaligen Richter des Obersten Gerichtshofes, freie Wahlen ohne Einschüchterung garantieren. Wahrlich keine einfache Aufgabe. Seit dem Beginn des Wahlkampfs hat die Polizei mehr als 2 500 Schusswaffen beschlagnahmt, Ende August beschloss die Wahlkommission, am 1. Oktober außer der Polizei auch 50 000 Soldaten vor den Wahllokalen zu postieren.