Rassismus in Slowenien

Elf kamen durch

Die Institutionalisierung rassistischer Praktiken hilft Slowenien bei der Aufnahme in die EU.

Slowenien: Eine Erfolgsgeschichte.« Zehn Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung erscheint es auf den ersten Blick schwierig, diesem Slogan der Liberal-Demokratischen Regierungspartei etwas entgegenzusetzten.

Denn volkswirtschaftlich betrachtet, hat die kleine ehemalige jugoslawische Republik einiges vorzuweisen. Ein jährliches Bruttosozialprodukt von 9 105 Dollar pro Einwohner bei einem Wachstum von 4,6 Prozent im Jahr und einem Durchschnittseinkommen von 773 Dollar sind beachtlich im Vergleich zu den anderen ehemaligen jugoslawischen und osteuropäischen Staaten der Region. Auch politisch gesehen wirkt Slowenien wie eine Insel des Friedens, der Stabilität und der Demokratie - ein Rechtsstaat, der die Menschenrechte respektiert.

Diese Erfolgsgeschichte verschleiert allerdings die Kehrseite der slowenischen Gesellschaft. So ist der Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern von tief sitzendem Nationalismus und Rassismus geprägt, was sich hervorragend mit den Konstruktionen einer »slowenisch-europäischen Wesenheit« verbindet. Und dieser Umgang wird nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, er wird auch institutionell gefördert.

Slowenien dient den meisten Migranten vorrangig als Transitland für die Einreise in die Europäische Union, wo sie ebenfalls nicht willkommen sind. Die slowenische Regierung sieht sich daher gezwungen, Maßnahmen gegen die Flüchtlinge zu ergreifen, um die in Aussicht gestellte EU-Mitgliedschaft nicht zu gefährden. Das Arsenal reicht von Grenzkontrollen, wie sie von den Unterzeichnern des Schengener Abkommens verlangt werden, bis zur Einführung eines restriktiven Asylgesetzes, das Schnellverfahren ermöglicht.

Bis zum Ende des vergangenen Jahres bearbeitete das slowenische Innenministerium die Fälle von über 32 000 Einwanderern. Ihre Mehrheit kam aus dem Iran, aus Rumänien, der Türkei oder aus Bangladesh. 12 295 hatten einen Antrag auf Asyl gestellt, aber nur elf erhielten einen positiven Bescheid. Diese Zahl diente dem Innenminister Rade Bohnic als Beweis für den Missbrauch des slowenischen Asylrechts. Tatsächlich jedoch verhindern der eklatante Mangel an Rechtsvertretern und Dolmetschern sowie die Tatsache, dass nur sechs Beamte für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständig sind, eine reelle Chance auf die Gewährung von Asyl.

Im Zentrum der Kritik der wohlstandschauvinistisch orientierten Bevölkerung steht derzeit das Flüchtlingsheim in der Hauptstadt Ljubljana, das bis vor kurzem offiziell den Namen »Heim zur Entfernung der Fremden« trug. Seit eineinhalb Jahren organisiert eine lokale Bürgerinitiative eine Kampagne zur Verlegung des Heims. Die Mitglieder sorgen sich um die angeblich steigende Kriminalität, die Verbreitung von Krankheiten und die vermeintlich nicht akzeptablen kulturellen Praktiken der Heimbewohner.

Viele slowenische Politiker folgen dieser Argumentation. So beklagte sich die Bürgermeisterin von Ljubljana, Viktorija Potocnik, im vergangenen November beim damaligen Innenminister Peter Jambrek, das Heim beeinträchtige die Lebensqualität in der Umgebung und stelle einen Verstoß gegen die Menschenrechte der slowenischen Bürger dar.

Potocniks Äußerungen waren der vorläufige Höhepunkt einer Kampagne, in der einflussreiche Medien wie TV Slovenia oder die Zeitung Delo ein Bild der Migranten nach rassistischen Stereotypen zeichneten. Eine Analyse der Flüchtgründe und eine Untersuchung der miserablen Verhältnisse, in denen die Migranten leben müssen, interessierten die Medien nicht.

Die Menschenrechtskommission der UN, die das Heim am Ende des vergangenen Jahres besuchte, bezeichnete die dortigen Verhältnisse als Folter. Seither versucht die Bürgerinitiative differenzierter zu argumentieren. Tatsächlich habe man nur das Wohl der Migranten im Sinn und eine Verlegung würde eine Verbesserung für die Migranten bedeuten, heißt es nun.

Ähnlich argumentieren auch die Katholische Kommission für Gerechtigkeit und Frieden sowie die Caritas seit dem Besuch der UN-Kommission. Einerseits erkannten die beiden christlichen Organisationen an, dass Migranten und Asylbewerber das Recht auf eine angemessene Unterkunft, auf Sozialhilfe, Gesundheitsversorgung sowie auf den Zugang zu Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten haben. Andererseits forderten sie vom Staat, sich stärker für die Sicherheit der slowenischen Bürger und ihr Eigentum einzusetzten.

Nur wenige Medien, Initiativen und politische Bewegungen versuchen, dem Rassismus etwas entgegenzusetzten. Dazu gehört das Office for Intervention (OFI), ein loser Zusammenschluss von NGO und zahlreichen einzelne Aktivisten. Das OFI organisierte im Februar in Ljubljana eine Kundgebung gegen Intoleranz und Xenophobie. Die Aktion wurde zwar von der Polizei verboten, trotzdem stellten sich die 1 500 Teilnehmer dem vorherrschenden gesellschaftlichen Klima entgegen, in dem Solidarität und Anti-Rassismus kriminalisiert werden.

Das OFI machte im Frühjahr auch publik, dass die Polizei den Einwohnern der Grenzbezirke nahe Kroatien und Ungarn mit Strafverfolgung wegen »Schleuserei« gedroht hatte, falls sie Kontakte zu Flüchtlingen aufnehmen. So wurde Restaurant- und Barbesitzern eine Geldstrafe von 400 Euro in Aussicht gestellt, falls sie Gäste bewirten, die in das so genannte Migrantenprofil passen. Bus- und Taxifahrer, die Flüchtlinge befördern, sollen, ähnlich wie in Deutschland, entlassen oder anderweitig belangt werden.

Auch in weiteren Fällen spielte die slowenische Polizei eine unrühmliche Rolle. Im Juli attackierten in Ljubljana vier Nazi-Skinheads Inacio Bintchende aus Guinea-Bissau, der seit langem in Slowenien lebt und eine bekannte Persönlichkeit im Lokalfernsehen ist, sowie zwei seiner Freunde. Die eintreffende Polizei beschloss jedoch, die Afrikaner anzuklagen und die Täter davonkommen zu lassen. Zur selben Zeit fanden Mitarbeiter des Beauftragten für Menschenrechte, Matjaz Hanzak, heraus, dass die Polizei in einem Flüchtlingsheim in der Stadt Otok an der Misshandlung von Migranten beteiligt war. Bewohner des Heims, die den Anweisungen der Beamten nicht folgen wollten, sollen in Dixie-Klos gesperrt worden sein.

Sollte Slowenien der EU beitreten, gehören derartige Alleingänge der Polizei der Vergangenheit an, denn dann wird die rassistische Behandlung von Flüchtlingen nach EU-Standarts institutionell verankert. Doch schon jetzt können sich die Regierungen der EU-Staaten dem Slogen der Liberal-Demokratische Partei anschließen und die jüngste Geschichte Sloweniens auch wegen der Flüchtlingspolitik erfolgreich nennen.