Nationale Identität soll Wahlkampfthema werden

Koch geht in Führung

Das nationale Einheitstrauern, dem sich die Deutschen gerade verschrieben haben, muss Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch so richtig aus dem Herzen sprechen. Nur drei Tage bevor die Nation an den Fließbändern und Wühltischen still stand zum Gebet, hatte Koch das entsprechende Trainingsprogramm für deutsche Schulen gefordert. Respekt für die Fahne und nationaler Stolz solle Kindern dort künftig wieder beigebracht, die nationale Identität mithilfe des Deutschlandlieds neu vermittelt werden.

Dass es dessen eigentlich nicht bedarf, weiß Roland Koch selbst am besten. Sein Erfolg seit der hessischen Landtagswahl vor zwei Jahren gründet einzig darauf, dass es ihm gelang, mit seinen Äußerungen über Ausländer und Faulenzerei die autoritäre Grundstimmung in Deutschland mit dem Profil einer bürgerlichen Partei kompatibel zu machen.

Dabei wurde bereits angesichts der von ihm initiierten Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, mit der er die Landtagswahlen gewann, unterschätzt, wie ernst dem Hessen die nationale Frage ist. Die von Koch propagierte Idee einer neuen nationalen Identität ist nämlich weit mehr als reiner Populismus, sie ist der ernst gemeinte Ausdruck seiner bundespolitischen Ambitionen. Roland Koch richtet keinen Schaden an, wie ihm einmal mehr sein Parteikollege Michel Friedman vorhielt, er ist der Schaden in Person.

Dem nationalen Erneuerer Koch war Hessen schon immer zu klein, um seine aufs große Ganze zielenden Vorstellungen zu verwirklichen. In Wiesbaden allein ist weder das deutsche Volk vor Überfremdung, noch die deutsche Volkswirtschaft vor den Faulpelzen zu retten. Auch sein jüngster Vorschlag zur nationalen Identität ist nur von Berlin aus in die Tat umzusetzen.

Der notorische Revisionismus, der sich in der alten Forderung Bahn bricht, Deutschland solle ebenso selbstbewusst auftreten, wie es »in Frankreich oder England« ganz normal sei, profiliert die Nation anhand ihres Verhältnisses zum Außen. Dort hat Deutschland nicht nur gleichberechtigte Partner, dort steht auch der Feind. Dass er von außen kommt und sich als Flüchtling oder Arbeitsimmigrant bereits im Inneren einrichte, bildet Roland Kochs Weltbild. Alle jetzt absehbaren Debatten über »gescheiterte Integration« und die Gefahr des Islams hat Roland Koch bereits vorweggenommen. Und auch, wie darauf zu reagieren sei.

Die »starke Führung«, die er seiner Partei einmal mehr empfahl, fordert Gültigkeit auch über die Union hinaus. Denn außer muttersprachlichem Unterricht und Sozialhilfe ist Roland Koch nichts so verhasst wie Transparenz und demokratische Kontrolle. Während der Schmiergeldaffäre im hessischen Landtag konnte bereits beobachtet werden, wie sein Führungsprinzip funktioniert. In eiserner Treue hielten seine Minister zu ihm, während sich in der Bundespartei die Funktionäre gegenseitig anschwärzDieser fast religiösen Verpflichtung des Funktionärsten. gegenüber seinem Vorsitzenden ist es geschuldet, dass Koch trotz seiner scharfen inhaltlichen Kritik die Führung der Bundespartei niemals öffentlich in Frage stellen würde.

Neben Nationalstolz und Pflichterfüllung ist diese unverbrüchliche Treue der dritte zentrale Aspekt in Kochs Denken, mit dem er seine Partei bei den kommenden Bundestagswahlen zum Sieg führen will. Ein echter Vorsitzender will gerufen sein und drängelt sich nicht vor. Aber empfehlen kann er sich schon mal. Und das hat Koch mit Nachdruck getan.