Die Folgen der Anschläge auf die USA

Fanta statt Fatwa!

Der Islamismus hat mit sozialer Befreiung oder der Forderung nach einer gerechten Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums nichts zu tun.

Kaum fielen die ersten Bomben auf Afghanistan, machten die Friedensfreunde von DKP bis NPD, von Horst Mahler bis Günter Grass, von Antje Vollmer bis Gabi Zimmer an der Heimatfront mobil. Der anglo-amerikanische Krieg in Afghanistan verschärfe nur die Situation, fordere unter der Zivilbevölkerung unschuldige Opfer, treibe Millionen in die Flucht, so oder so ähnlich die Argumentation der Friedensaktivisten, die am Wochendende Berlin mit einer Großdemonstration beglückten. Eine Woche nach dem Beginn der Militärschläge waren nach Angaben der Taliban - deren Aussagen mindestens genauso bezweifelt werden müssen wie die des Pentagons - rund 300 Zivilisten umgekommen. Und man hatte fast den Eindruck, die deutschen Friedensfreunde, die permanent das Wort »Kollateralschaden« im Munde führen, hätten nur darauf gewartet, um das Unmenschliche der amerikanischen Gegenangriffe anzuprangern. Dabei hat keiner von ihnen sich je um die Opfer der Terrorherrschaft der Taliban geschert.

Millionen Menschen, die auf der Flucht sind, weil sie sonst verhungern würden; Zehntausende, die hingemetzelt wurden, weil sie nicht in das religiöse oder gesellschaftliche Bild der Gotteskrieger passten; 25 000 Kriegerwitwen, die wie alle Frauen nicht arbeiten dürfen und deshalb zu verhungern drohen; Frauen, die als Ehebrecherinnen gesteinigt wurden oder denen Gliedmaßen abgehackt wurden, weil ihre Knöchel unbedeckt oder ihre Fingernägel lackiert waren. Dass die Tage der Taliban, die ihre Macht bestimmt nicht freiwillig abgeben, gezählt sind - welcher Linke könnte ernsthaft etwas dagegen haben? Der Verweis darauf, dass die USA Ussama bin Laden erst groß gemacht haben, eine wie auch immer geartete politische Lösung nach den Taliban schwierig und auch von zweifelhaften Akteuren mitbestimmt wird, ist mitnichten ein Argument für die Fortführung der Herrschaft der Taliban, die mit den mutmaßlichen Masssenmördern von New York zusammenarbeiten. Umso dämlicher sind die Theorien so mancher Friedensfreunde, immer wieder beliebt ist die des Kampfes um Rohstoffe. Den USA gehe es bei einer möglichen Invasion in Afghanistan nur um die strategische Sicherung des Zugangs zu den zentralasiatischen Ölfeldern, heißt es da. Wenn dem so wäre, warum haben dann die USA das Taliban-Regime nicht schon längst angegriffen, beseitigt und durch eine amerikafreundliche Regierung ersetzt? Eine moralische Legitamation dafür zu finden, wäre den USA doch ein Leichtes gewesen.

Der Verweis auf angeblich imperialistische US-Interessen im afghanischen Wüstensand verdreht Ursache und Wirkung der aktuellen Entwicklung. Der Afghanistankrieg wird nicht wie der Krieg gegen Jugoslawien geführt, um eine sich bedroht fühlenden Volksgruppe in einem vermeintlichen Schurkenstaat zu unterstützen und der Welt (vor allem Russland und China) zu zeigen, wer am längeren Hebel sitzt. Dieser Krieg ist die Antwort auf einen konkreten und in dieser Form bisher nicht dagewesenen Angriff, eine Reaktion auf die Kriegserklärung an den gottlosen american way of life und seine nahöstliche Entsprechung in Tel Aviv und Westjerusalem. Dass viele Deutsche den USA das Recht auf Selbstverteidigung absprechen, zeigt nicht nur den tief verwurzelten Antiamerikanismus - die USA haben schließich Deutschland zwei Mal den Griff zur Weltmacht verwehrt - sondern auch die klammheimliche Freude darüber, dass die Turbanterroristen gezeigt haben, wie verwundbar die Supermacht ist. Nur dem Druck der USA und ihrer russischen, chinesischen und indischen Unterstützung ist es zu verdanken, dass Kontinentaleuropa, allen voran Deutschland und Frankreich, nicht noch mehr versucht hat, aus der amerikanischen Schwächung Kapital zu schlagen. Deutschland ist jedenfalls, verglichen mit dem Jugoslawien-Feldzug, von einer Kriegsgeilheit weit entfernt, abgesehen vielleicht von den innenpolitischen Maßnahmen, die nun verschärft werden. Der Rauch über dem World Trade Center, der größten multikulturellen Arbeitsstätte, war noch nicht verzogen, da warnten Bundespräsident Rau und führende Grüne die Amis schon vor Rache. Deutschland bietet den USA dennoch Unterstützung an. Das hat einen einfachen Grund: Man will sich international nicht isolieren und mäßigend auf den großen »Verbündeten« einwirken. Schröders Hommage an die anti-amerikanische Friedensbewegung, ihm seien Zweifler lieber als »Hurra-Patrioten«, ist da nur folgerichtig. Man stelle sich nur einmal vor, wie Schröder, Scharping und Fischer vorgegangen wären, hätten vor gut zwei Jahren serbische Untergrundkämpfer auch nur einen kleinen Anschlag am Potsdamer Platz in Berlin verübt. Jeder denkende Mensch hätte sofort nach den massenmörderischen Angriffen auf das World Trade Center wissen können, wem die Attacke der islamistischen Gotteskrieger in erster Linie galt: Israel. Die antisemitische Komponente ist unübersehbar, denn das WTC wird als das Symbol des jüdisch dominierten Weltkapitals identifiziert, die USA sind die einzi-ge Schutzmacht Israels. (Im Übrigen vermisst man seit den New Yorker Angriffen eine selbstkritische Reflexion der linken Praxis, die glaubt, den Kapitalismus, ein abstraktes und komplexes Gewaltverhältnis, bekämpfen zu können, indem man seine Symbole angreift.)

Dankenswerterweise hat al-Qaida in der vergangenen Woche auch dem letzten linken Romantiker, der im 11. September noch irgendwie ein antikapitalistisches oder antiimperialistisches Motiv entdecken wollte, gezeigt, worum es geht: um die ethnisch-religiöse Säuberung der »islamischen Nation«. Alle »Ungläubigen« sollen vom arabischen Boden verjagt werden. Damit sind in erster Linie die Israelis gemeint. Aber es dürfen sich getrost auch alle anderen angesprochen fühlen, die nicht in das Bild der Gotteskrieger passen. Zum Beispiel ein Kanadier und seine philippinische Frau, die in Katar erschossen wurden. Der Djihad, diese »Entscheidungschlacht zwischen Glauben und Unglauben« (al-Qaida), hat mit sozialer Befreiung oder der Forderung nach gerechter Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums nichts, aber auch gar nichts zu tun. Er ist das genaue Gegenteil davon, denn er verspricht kein besseres Leben auf Erden, sondern im Himmel. Das unterscheidet die mittelalterliche Barbarei von der kapitalistischen: Das aufgeklärte Bürgertum hat zumindest das - wenn auch nie eingelöste - Versprechen gegeben, dass jeder Mensch gleiche politische Rechte und auch soziale Chancen hat. Diese Versprechen einzufordern, hat die linken Kämpfe in den vergangenen Jahrhunderten beflügelt.

Der Djihad kennt nur Gläubige und Ungläubige. Und deshalb ist eine Dose Fanta allemal einer Dosis Fatwa vorzuziehen. Die ideologische Wurzel des Djihad, der Antisemitismus, ist in der gesamten arabischen Welt weit verbreitet. Im Hass auf Israel, den Westen und den »jüdisch kontrollierten Weltmarkt« können sich Moslems aller Glaubensrichtungen wiederfinden. Mit diesem Hass wird der kollektive Komplex verarbeitet, den Sieben-Tage-Krieg gegen Israel verloren zu haben und in der Weltmarktkonkurrenz hinter Ostasien, China und Indien zurückgefallen zu sein, obwohl die ökonomischen Voraussetzungen der arabischen Schwellenländer wegen des Ölreichtums weit besser waren. Deshalb ist es auch eine Mär, die Ursache für den islamistischen Terrorismus in der Armut der Region zu sehen (ein Phänomen, das Linken aus der Anti-Nazi-Diskussion in Ostdeutschland hinreichend bekannt sein sollte). Anstatt die Petrodollars zu nutzen, um wie beispielsweise in Norwegen ein sozialstaatlich und weltmarktorientiertes System zu errichten, entwickelte sich zum Beispiel Saudi-Arabien zu einem archaischen Regime, dem nicht nur die Lebensbedingungen seiner in- und vor allem ausländischen Glaubensbrüder egal war, sondern das auch noch islamistische Terrorgruppen und ihre ideologischen Wegbereiter maßgeblich unterstützte. Dieser Terrorismus, dessen Protagonisten einer »faschistischen Ideologie mit islamischem Antlitz« (Christopher Hitchens) anhängen, ist spätestens seit dem 11. September virulent.

Die USA haben schnell ihre Verbündeten an ihre Seite gebracht, um auf den 11. September zu reagieren. Dabei haben sie nicht, wie von vielen halluziniert, wild aus der Hüfte um sich geballert. Ob das Vorgehen der USA gegen den islamistischen Terrorismus erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Fakt aber ist: Die USA, die von Linken oft und zu Recht wegen ihrer Interessenpolitik angegriffen wurden, sind die einzige Macht dieser Welt, die zu einem Gegenangriff im Moment in der Lage ist. Für Linke bleibt, am Traum von individueller Freiheit und einem schönen Leben für alle festzuhalten: Sherry statt Sharia!