Home Story

Buchmesse I: Alles wie immer, packen in letzer Minute, rumtelefonieren wegen seriöser Schlafgelegenheit, um bloß nicht wieder in der netten WG zu landen, wo das Klo zwar keine Tür hat, aber viele Adornotexte rumliegen, dann los zum Bahnhof Zoo, Treffpunkt Gemüsestand, mit den üblichen Leuten, bisschen zu spät kommen, weil man sich sonst immer umsonst Stress gemacht hatte und bisher noch auf jeder Messe gelandet war.

Am Gemüsestand ist aber niemand, klar, die sitzen schon im Zug, man selbst ist ja ein bisschen spät dran, und im Abteil wird längst über den neuen Literaturnobelpreisträger abgestimmt, da möchte man nicht fehlen, also rauf zu den Gleisen, und wirklich da steht er schon, der ICC nach Frankfurt, »Frankfurt« steht jedenfalls auf dem Zuganzeiger, also rein, denn er fährt auch schon los, das klappt ja prima, bis aufs Ankommen, denn nach Frankfurt bringt dieser Zug heute niemanden mehr. Der kommt aus Frankfurt und will da nicht mehr hin. Und man selbst? Auch nicht.

Buchmesse II: Das Frankfurter Messegelände wird immer schöner. Lichtdurchflutet ist die Messehalle, in der sich der Jungle World-Stand befindet. Wenn man den Kopf aus dem Stand herausstreckt, kann man bis zur Titanic schauen, wo sich bevorzugt Polizeibeamte herumtreiben, die sich mit »bin Laden ist doof«-Schildern vor der amerikanischen Fahne fotografieren lassen.

Gegenüber ist der Stand eines Wiener Kleinverlags, der nur zwei Bücher hat, die unauffällig an einer Wand hängen. Über allem thront ein riesiges Foto der vier Verlagsbetreiber, wie sie an einem Tisch sitzen und reden. Davor haben sie einen Tisch aufgestellt, an dem sie auch sitzen und reden. Schön, was es so alles gibt.

Buchmesse III: Nachdem man sich noch bei der Süddeutschen den Bauch mit Leberkäse und Brezen vollgefressen hat, geht's zur Lesung in eine Underground-Bar. Hier versteht man dann, warum Frankfurt auch Mainhattan genannt wird. Zwischen szenigen Literaturfreaks und Technopriestern knutscht ein Yuppie-Pärchen herum. Er trägt einen dunkelblauen Anzug, ein hellblaues Hemd und eine gelbe Krawatte, sie einen schicken schwarzen Rock und 'ne weiße Bluse. Turteln rum wie Scharpings auf Mallorca. Wenn sie lächelt, kommt ihre Zahnspange zum Vorschein. Dann tanzen sie wieder eng umschlungen, obwohl es gar keine Tanzfläche gibt. Solche Yuppies möchten wir in Berlin auch endlich haben.