Wahlkampf? Klassenkampf!

Schwafeln für Steffel

»Eins in die Fresse, mein Herzblatt«, sang Wolf Biermann, als sich der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß 1980 anschickte, die Republik von ganz rechts aufzurollen. Recht hatte der DDR-Exilant, auch wenn er und andere linksliberale Künstler und Intellektuelle politisch nichts Anderes zustande brachten als vier Jahre zuvor - und vier Jahre später: sich an den Rockzipfel des erstbesten SPD-Kandidaten zu hängen. Ganz egal, ob der nun Schmidt, Vogel oder Rau hieß. Aber immerhin: Schon bei ihrem ersten bundesweiten Wahlkampf zählte Biermann die Grünen zu seinen Gegnern.

Bärbel Bohley war zu dieser Zeit noch Mitglied im Berliner Bezirksvorstand des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Während Biermann im Westen gegen die Grünen ansang, knüpfte die Malerin in Ostberlin erste Kontakte zu Petra Kelly und anderen Ökopaxen. 1983 kostete sie das ihren Vorstandsposten, wegen Verdachts auf »landesverräterische Nachrichtenübermittlung« steckte die Stasi sie für sechs Wochen ins Gefängnis. Das war es dann aber auch schon an gemeinsamen Feinden. Kurz nach der nur mäßig gelungenen Integration der DDR in den Rheinischen Kapitalismus outete sich Biermann als Bellizist, Bohley blieb auch während des Golfkriegs Pazifistin.

Mehr als zehn Jahre später jedoch herrscht wieder Krieg. Ein heißer in Afghanistan und der kalte in den Köpfen von Biermann und Bohley. »Berlinerinnen und Berliner, wählt weder die PDS noch solche Taktiker in demokratischen Parteien, die die PDS an der Macht über die Stadt Berlin beteiligen wollen«, wettern die beiden in bester Frontstadtmanier in einem Aufruf, den sie letzte Woche vorstellten. »Jedes Kind in Berlin weiß: Die neu kostümierten Kader der SED sind die alten Verderber gerade dieser Stadt. Die souveränen Wähler sollten wenigstens in Deutschlands Metropole, die gerade wieder eine offene und freie Weltstadt werden will, diesem entmachteten Unterdrückerpack lieber noch eine historische Frist zum Umlernen und zum Umdenken ermöglichen.«

Damit dieses »entmachtete Unterdrückerpack« oder die, wie es in dem Aufruf weiter heißt, »demokratisch zwangsumgetauften Erben der Diktatur« die Hauptstadt nicht noch einmal in die Hände bekommen, hatten sich Biermann und Bohley vor einem Monat entschlossen, gegen die PDS in den Walhkampf zu ziehen. Wahlinitiative 2001 für Berlin heißt das Bündnis, das elf Jahre nach dem Anschluss an die Bundesrepublik die DDR wieder aufleben lässt, als wäre die Mauer nie gefallen. Die Gelegenheit, den Aufruf zu unterzeichen, um so den Wahlkampf zum Klassenkampf umzufunktionieren, ließen sich auch der rechte Historiker Michael Wolffsohn, der Schauspieler Manfred Krug sowie Bohleys Mitstreiterinnen aus der Wendezeit, Freya Klier und Katja Havemann, nicht entgehen.

Nicht zu vergessen Arnulf Baring. Den nationalkonservativen Publizisten hatte Bohley bei der Präsentation des Aufrufs auserkoren, das historische Fundament für ihre Anbiederung an die parlamentarischen Büttel der Berliner Bourgeoisie zu liefern. Baring, ganz der alte Totalitarismustheoretiker, parierte: Während es sich beim Nationalsozialismus um eine »mörderische Einrichtung mit relativ geringem totalitärem Profil« gehandelt habe, sei die DDR eine »totalitäre Herrschaft mit relativ geringem kriminellen Profil« gewesen. Wie sang Biermann doch gleich wieder vor zwanzig Jahren? Ach ja: »Eins in die Fresse, mein Herzblatt.«