Absturz rechtsextremer Parteien bei den Wahlen in Berlin

Zu junge Kameraden

Das schlechte Ergebnis der Republikaner bei den Berliner Wahlen beschleunigt deren Auflösungsprozess. Die NPD verstärkt die Mobilisierung auf der Straße.

Im Gegensatz zu den Hamburger Senatswahlen behielten die Wahlforscher bei den Wahlen in Berlin in einem Punkt Recht. Sie hatten vorhergesagt, dass sich die Wähler rechter und rechtsextremer Parteien in Krisenzeiten den großen Volksparteien zuwenden würden. In Hamburg hatte die rechte Schill-Partei mit über 19 Prozent der Stimmen weit mehr erreicht als zuvor prognostiziert wurde. In Berlin hingegen landeten die Republikaner (Rep) und die NPD weit im Abseits.

Mit 1,3 Prozent der Stimmen erlebten die Republikaner ein Debakel, das ihren innerparteilichen Auflösungsprozess beschleunigen dürfte. Im Vergleich zu den letzten Abgeordnetenhauswahlen verloren sie mehr als die Hälfte der Stimmen. 1999 war ihnen immerhin noch der Einzug in fünf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) gelungen, wo sie mit insgesamt acht Abgeordneten vertreten waren. Doch obwohl die Hürde für den Einzug in eine BVV mit drei Prozent vergleichsweise niedrig ist, scheiterten die Reps dieses Mal in allen Bezirken. Ihr bestes Ergebnis erzielten sie in Neukölln, wo ihnen rund 130 Stimmen zum Einzug ins Bezirksparlament fehlten.

Der Katzenjammer bei der Partei, deren Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus 1989 mit 7,5 Prozent der Wählerstimmen Schockwellen ausgelöst hatte, ist nun entsprechend groß. Schließlich liegen die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, bei denen die Rep zum ersten Mal nach acht Jahren unterhalb der Fünf-Prozent-Marke blieben, erst ein knappes halbes Jahr zurück. Beobachter gehen davon aus, dass sich die innerparteilichen Auseinandersetzungen um den Kurs des umstrittenen Bundesvorsitzenden Rolf Schlierer nun erneut zuspitzen werden.

Auch die NPD gehört zu den klaren Verlierern. Zwar lag die Neonazipartei in drei von vier Ostbezirken - in Treptow-Köpenick mit 1,7 Prozent, in Lichtenberg mit 2,1 Prozent und in Marzahn-Hellersdorf mit 2,3 Prozent - deutlich vor den Republikanern. Doch mit insgesamt 0,9 Prozent der Zweitstimmen für das Abgeordnetenhaus hat die NPD ihr selbstgestecktes Ziel, mehr als ein Prozent der Stimmen zu erreichen, mal wieder verfehlt und im Vergleich zu den vergangenen Wahlen vor zwei Jahren lediglich 0,1 Prozent dazu gewonnen. Auch für einen Sitz in einer Bezirksverordnetenversammlung, den der NPD-Bundesvorsitzende und Spitzenkandidat Udo Voigt vollmundig versprochen hatte, reichte es nicht. Hier erzielten sie mit 2,3 Prozent und 2,6 Prozent in den Plattenbaubezirken Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf ihre besten Ergebnisse.

Zum »Sturm auf Berlin« hatte die NPD alles aufgeboten, was das Gruselkabinett der Neonaziszene so hergibt. Die rechte Heulboje Frank Rennicke quälte bei Wahlkampfauftritten seine glatzköpfigen Zuhörer und entnervte Gegendemonstranten, während der ehemalige Vorsitzende der FAP, Friedhelm Busse, der vorbestrafte Naziskin Christian Hehl aus Hessen und diverse Nazikader aus Ost und West wie Stefan Pfingsten aus Göttingen und der Anti-Antifa-Kader Oliver Schweigert aus Berlin als Wahlkampfhelfer posierten.

Nachdem die NPD gemeinsam mit den Freien Kameradschaften am 3. Oktober in Berlin noch 1 000 Gesinnungsgenossen auf die Straße gebracht hatte und dank der auch unter dem neuen SPD-Innensenator Ehrhart Körting unveränderten Polizeitaktik, Antifas und bürgerliche Gegendemonstranten gleichermaßen als Störenfriede anzugehen, relativ ungestört marschieren konnte, ließ die rechte Mobilisierung während der letzten zwei Wahlkampfwochen erheblich nach. Meist blieb die Anzahl der Neonazis, die sich an den Infoständen der NPD versammelten, die im gesamten Stadtgebiet aufgebaut worden waren, unter hundert. Am Tag vor der Wahl mussten die Neonazis dann auf dem Alexanderplatz vor einer Überzahl von Gegendemonstranten Reißaus nehmen.

Ein für die NPD möglicherweise kostspieliges Nachspiel könnte auch eines ihrer Wahlkampfplakate haben. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte einem Eilantrag des Förderkreises für das Holocaust-Mahnmal stattgegeben und die NPD dazu verpflichtet, ihre Plakate mit dem Slogan »Den Holocaust hat es nie gegeben« mit einem Zusatz des Förderkreises aus dessen umstrittener Spendenkampagne für das Mahnmal zu versehen: »Es gibt immer noch viele Leute, die das behaupten. In 20 Jahren könnten es mehr sein. Spenden Sie deshalb für das Denkmal für die ermordeten Juden« Als nach Ablauf der Frist noch mehr als zwei Dutzend nicht veränderter Plakate gesichtet wurden, beantragte der Förderkreis, dass die NPD für jedes dieser Plakate bis zu 20 000 Mark Strafe zahlen soll.

Der Wahlkampf der NPD und das schlechte Wahlergebnis haben deutlich gezeigt, dass die NPD mehr und mehr als Stellvertreter der Freien Kameradschaften und deren »Kampf um die Straße« fungiert. Die NPD verliert dabei gegenüber den Neonazikreisen um Christian Worch deutlich an Einfluss auf die rechtsextreme Basis, die verstärkt auf Militanz setzt. In einer ersten Stellungnahme versuchte die NPD-Führung, das Ergebnis der Wahlen schönzureden. »Angesichts der Polarisierung der großen Parteien, der Kriegsstimmung und des kurzen Wahlkampfes« könne die NPD »mit dem Ergebnis leben«, denn die Partei habe im Vergleich zu 1999 »2 000 Wählerstimmen dazu gewonnen, sei im Wahlkampf zusammengewachsen und habe so manchen neuen Mitstreiter gewonnen.« Im übrigen würde »die Jugend, die heute aus Altersgründen noch nicht wählen durfte, dann endlich für die NPD votieren können.«

Nach der diesjährigen Wahl sind Berlins rechtsextreme Parteien zwar in der parlamentarischen Bedeutunglosigkeit versunken. Doch die Mobilisierung auf der Straße geht unvermindert weiter. Für den 1. Dezember hat die NPD erneut einen Aufmarsch in Berlin angemeldet. Dann wird in der Hauptstadt die überarbeitete Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht« des Hamburger Instituts für Sozialforschung eröffnet. Offenbar hoffen die Neonazis und die NPD, mit dem geplanten Aufmarsch gegen die Ausstellung an ihre erste Mobilisierungswelle aus den neunziger Jahren anknüpfen und dabei auch Sympathisanten aus der Braunzone und vom rechten Rand der CDU auf die Straße bringen zu können.