Streit um Gentechprodukte in der EU

Angst vor dem großen Apfel

»Wir können nicht länger warten«, drängte EU-Kommissarin Margot Wallström am Montag vor einer Woche auf der Konferenz der europäischen UmweltministerInnen in Luxemburg. Nach Wallströms Vorstellungen soll es mit der Zulassung des kommerziellen Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) endlich vorangehen. Sie sieht die Zeit gekommen, die seit 1998 de facto betriebene Blockade aufzugeben und in das lukrative Geschäft mit gentechnisch manipulierten Nahrungsmitteln einzusteigen.

Die momentane Situation sei ohnehin illegal, meinte Wallström, da doch seit 1991 die Zulassung nach den Richtlinien der EU eigentlich möglich sei. Zudem könne die Kommission jederzeit von der Industrie verklagt werden. Ein Motiv für die Eile der Kommissarin ist allerdings auch, dass der Druck auf die EU vor allem seitens der US-Biotechindustrie steigt.

Die Mehrheit der EU-MinisterInnen konnte Wallström damit jedoch nicht überzeugen. Vor allem die VertreterInnen aus Frankreich, Dänemark, Luxemburg, Griechenland, Österreich und erstmals auch aus Deutschland widersetzten sich hartnäckig den Vorschlägen der EU-Kommissarin.

Sie beharren auf eine Weiterführung des Moratoriums und wollen mit den Zulassungen so lange warten, bis eine lückenlose Rückverfolgung zum Erzeuger gewährleistet ist und Regelungen getroffen worden sind, die eine ausnahmslose Kennzeichnung gentechnisch manipulierter Produkte vorschreiben. Mit einer klaren Rechtslage, da ist man sich einig, soll das spätestens seit der so genannten BSE-Krise erschütterte Vertrauen der KonsumentInnen zurückgewonnen werden.

Vor allem aber befürchten die MinisterInnen, dass eine Anbau- und Vertriebsgenehmigung ohne Kennzeichnungspflicht zumindest kurzfristig den europäischen Markt mit US-Produkten überschwemmen würde. Denn während die amerikanischen Exporteure derzeit 70 Prozent des weltweiten Anbaus halten, sind europäische Biotechunternehmen mit gerade mal 0,03 Prozent auf dem Weltmarkt vertreten.

Trotzdem kritisierten sowohl die US-amerikanische als auch die europäische Genlobby die Haltung der widerspenstigen MinisterInnen. Die europäischen Unternehmen sehen sich vor dem Untergang, wenn keine vorzeitige Genehmigung für die Zulassung von gentechnisch manipulierten Organismen durchgesetzt wird. Die US-Konzerne hingegen erwarten vom Labeling ihrer Produkte in erster Linie eine negative Stigmatisierung ihrer Waren, die sie zudem nach eigenen Schätzungen vier Milliarden US-Dollar kosten wird.

Bis die Forderungen der MinisterInnen in Kraft treten, können allerdings noch mehrere Jahre vergehen. Diese Wartezeit »hält die Industrie aber nicht mehr durch«, klagt Joachim Winter, Generalsekretär des Dachverbandes European Seed Association (ESA). Auch Großbritannien machte sich für einen Vorstoß zugunsten des GVO-Vertriebes stark. So erinnerte die britische Ministerin Magaret Beckett ihre KollegInnen an »die angenehmen Auswirkungen auf unsere Handelspartner«.

Der EU-Abgeordnete John Purvis skizzierte bereits im März das verheißungsvolle Szenario einer schönen neuen Gentechwelt: Die Biotechnologie wolle »durch genetische Veränderung Pflanzen hervorbringen, die schmackhafter, nahrhafter und billiger sind und weniger Chemikalien für ihr Wachstum benötigen.« Eines ist jedoch klar: Die europäischen VerbraucherInnen werden vorerst nicht unwissend in den Genuss dieser sagenhaften Neuerungen kommen.