Umbau des Rechtssystems in Italien

Berlusconis Selfmade-Justiz

Auch als Regierungschef ist Silvio Berlusconi ein Unternehmer geblieben. Sei es in der Organisationsstruktur innerhalb seiner Partei, der Forza Italia, sei es in seiner Vorstellung, das Land wie ein Unternehmen zu leiten. Und seit seinem Wahlsieg im Mai führt er als Unternehmer und Ministerpräsident seinen persönlichen Feldzug gegen die Justiz.

Berlusconi hat ein konkretes Ziel, das seinen autoritären Staatsvorstellungen entspricht und den in Korruptionsverfahren verwickelten Politiker selbst vor Strafverfolgung schützen soll: die im Wahlprogramm angekündigte Justizreform, bei der die bisher in der italienischen Magistratura vereinte Richterschaft und Staatsanwaltschaft getrennt werden sollen. Die Exekutive, die künftig enger mit Staatsanwaltschaft verbunden wird, soll vorrangig für die Strafverfolgung zuständig sein. Was in der Konsequenz bedeutet, dass die Staatsanwälte wie die Polizei von der Politik kontrolliert werden. Auf die Entscheidung, ob und gegen wen die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt, kann der politische Apparat in Zukunft Einfluss nehmen. Berlusconi wäre nach diesem Modell die lästige Justiz los.

Der Rechtspopulist, gegen den derzeit allein in Italien noch drei Verfahren laufen, sieht sich gerne als Opfer einer großen politischen Verschwörung. Die italienische Justiz habe sich zu politischen Zwecken instrumentalisieren lassen, behauptet er immer wieder. In einem Interview mit dem Magazin Panorama sprach der milliardenschwere Unternehmer und Medientycoon vergangene Woche sogar von einem »Bürgerkrieg«, der seit zehn Jahren in Italien wüte - eine deutliche Kriegserklärung an die Justiz.

Anlass für die absurden Anschuldigungen ist sein jüngster Freispruch vom 19. Oktober. Seit 1994 hatte die Mailänder Staatsanwaltschaft gegen Berlusconi ermittelt - und hat nun schlagartig das Verfahren eingestellt: Ende Oktober hatte das Mailänder Kassationsgericht Berlusconi wegen mangelnder Beweise von dem Vorwurf freigesprochen, als Chef der Fininvest zwischen 1989 und 1992 Mitglieder der Finanzpolizei Guardia di Finanza bestochen zu haben, um Steuererleichterungen zu erhalten.

Aufschübe, Verjährungen, Freisprüche - wie in allen bisherigen Verfahren ist Berlusconi wieder einmal unbescholten davongekommen. Ein triumphierender Ministerpräsident dämonisiert nun die angeblich so mächtigen »militanten politisierten Richter und Anwälte«. Die Strategie dahinter ist so einfach wie erfolgreich: Er macht so viel Lärm wie möglich, um von der eigenen Verwicklung in das korrupte System der ersten Republik abzulenken.

»Eine regierende Klasse demokratischer, westlicher Prägung ist vollständig von der Staatsanwaltschaft ausgelöscht worden«, behauptet Berlusconi in dem Interview. Im Gegensatz dazu sei die »östlich orientierte, kommunistische« Opposition nie belangt worden - für ihn ein eindeutiges Indiz für den zweifelhaften Einfluss der Justiz.

Wie unzutreffend das ist, zeigt ein Blick auf die Liste der bekannten Politiker, die heute für die rechte Koalition im Parlament sitzen. Von Bobo Craxi bis Chiara Moroni - mit den Kindern der Politiker ist die so genannte erste Republik rehabilitiert. Auch die Protagonisten von damals erscheinen heute wieder in einem anderen Licht.

So stand der ehemalige sozialistische Premierminister Bettino Craxi bei seinem Tod im tunesischen Exil kurz vor einer Amnestie. Der aus Mangel an Beweisen von dem Vorwurf der Verbindungen zur Mafia freigesprochene christdemokratische Senator auf Lebenszeit, Giuglio Andreotti, ist noch immer Abgeordneter.

Und Berlusconi, der als Unternehmer von dem korrupten System der ersten Republik profitierte, hat bisher alle Verfahren politisch überlebt und wird künftig noch weniger zu befürchten haben. Seinen persönlichen »Bürgerkrieg« könnte er damit bald siegreich zu Ende führen.